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Mit der Diashow zurück in die Vergangenheit

26.08.2024 • 08:38 Uhr
Neue Kopfkino Salmhofer Kolumne
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Früher gab es bei uns daheim zwei bis drei Mal im Jahr eine festliche Zusammenkunft der Familie im Wohnzimmer. Die Kinder platzierten sich aufgeregt im Schneidersitz am Boden, während Mama und Großeltern auf dem Sofa Platz nahmen. Mein Vater aber stellte vor dem Wohnzimmerschrank eine Leinwand auf, gegenüber davon einen hohen Tisch und darauf wurde dann ehrfurchtsvoll ein Diaprojektor gestellt. Dias faszinierten mich. Mit Daumen und Zeigefinger gegen das Licht haltend, offenbarten diese kleinen Bilder die Erinnerungen.

Heidi als Baby in der Badewanne, meine Schwestern beim ersten Fahrradfahrversuch, Hochzeitsfotos meiner Eltern, bunte Weihnachten der 80er-Jahre. Ich mochte diese Miniaturwelt.

An diesen drei besonderen Tagen im Jahr wurden diese Minibilder ganz groß und unser Wohnzimmer zum Kinosaal (nur ohne Popcorn, weil das bröselte zu viel). Und dann saßen wir da, zwei Stunden, und erinnerten uns gemeinsam, erzählten uns erneut Geschichten, die wir in Wahrheit alle schon auswendig kannten und lachten dabei nicht wenige Male Tränen. Vor allem meine Mutter neigte dazu, ziemlich schnell ein „Ma, hörts auf, ich heule schon wieder!“ in die Runde zu glucksen. Durch die Bilderflut, die uns unsere gegenwärtige Welt beschert, sind solche Abende in Vergessenheit geraten. 10.000 Fotos verschwinden in den Untiefen der Handyspeicherung. Zumindest bei mir. Ich schaffe es nicht einmal, mir diese Fotos via App in ein papierenes Fotoalbum zum realen Angreifen und Blättern umwandeln zu lassen. Auf diversen Festplatten tummeln sich Babyfotos meiner Kinder und Urlaubsfotos aus längst vergangener Zeit und irgendwelche, damals noch recht verpixelte, Selfieversuche. Durch diese „Verstreutheit“ meiner Erinnerungsbilder stoße ich aber immer wieder einmal unvermittelt und ohne Vorwarnung auf solche Fotos. Das hat auch seinen Charme, wenn plötzlich, auf der Suche nach einer Datei am Computer, ein Bild der Mädels am Wiener Kinderspielplatz auftaucht. Innert einer Hundertstelsekunde wird man von der Gegenwart in die Vergangenheit katapultiert. Schneller als Marty Mcfly es mit seinem Delorean jemals geschafft hätte (… und man kommt fix wieder retour in das Jetzt). Das mag ich auch, diese unvorbereiteten Zeitreisen, weil sie wie kleine Überraschungsurlaube daherkommen. Dennoch, es wird Zeit für etwas Handfestes und eine Ausmistung der 5000 Sonnenuntergänge am Rhein. Sobald ich Luft habe, mache ich Fotoalben, für mich, für die Kids. Ich glaube, ich muss mir bald Urlaub nehmen.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.