Parteien-„Verhör“ in der Ärztekammer

Eine Podiumsdiskussion in der Vorarlberger Ärztekammer mit den Gesundheitssprechern der Parteien im Landtag mit alten Themen ohne neue Lösungen.
War es Zufall, Mut oder Übermut, dass genau am Tag nach der Veröffentlichung der katastrophalen Ergebnisse der ärztlichen Ausbildung im Land – befragt wurden die Jungärzte in den Vorarlberger Spitälern – die Ärztekammer zu einer Podiumsdiskussion rief, bei der die Gesundheitssprecherinnen und Gesundheitssprecher der im Landtag vertretenen Parteien sich positionieren durften.
Der Kommunikationschef der Ärztekammer, Andreas Feiertag, durchforstete die Wahlprogramme der Parteien und konfrontierte deren Vertreter mit ihren eigenen Aussagen. Es diskutierten Susanne Andexlinger (ÖVP), Nadine Kasper (Grüne), Hubert Kinz (FPÖ), Patricia Zangerl (SPÖ) und Johannes Gasser (Neos). ÄK-Präsident Burkhard Walla begrüßte und stellte fest, dass von der Politik gute Ideen kämen, aber auch solche, bei denen sie den Kopf schütteln würden. Aber zuletzt sei die Ärztekammer von der Politik aus der Versorgungsverantwortung weitgehend „rausgeboxt“ worden. Drei Probleme stellte der Moderator in den Mittelpunkt: Zu wenig Kassenstellen, zu lange Wartezeiten und maßlos überfüllte Ambulanzen, also überall zu wenig Ressourcen.
„Wir brauchen weniger Patienten.“
Großes Thema war die Überlastung in den Spitalsambulanzen, was in der Aussage „Wir brauchen weniger Patienten“ von der SPÖ auf den Punkt gebracht wurde. Einig waren sich alle, dass es eine bessere Patientenstromleitung brauche. Wie die aussehen könnte, wurde aber unterschiedlich beurteilt. Die ÖVP setzt mit den neuen Erstversorgungsambulanzen (EVA) in den Krankenhäusern auf eine Entlastung für die Spitalsambulanzen. Diese müssten aber dem Krankenhaus räumlich vorgelagert und 24 Stunden geöffnet sein, sonst würden sie nichts bringen, konterte die SPÖ-Vertreterin. Und dann müsste auch dort Personal, das fehle, zur Verfügung stehen und die Finanzierung gesichert sein. Johannes Gasser von den Neos wünscht sich ein „Gatekeeper-System“, das die telefonische Gesundheitsberatung 1450 sein könnte, also eine vorherige Zuweisung über diesen telefonischen Dienst. Das müsse freilich juristisch noch geklärt werden.
Hubert Kinz von der FPÖ möchte dafür das Spitalsgesetz wieder ändern, wie es bis vor 24 Jahren war, dass Ambulanzen auch „nein“ zu einer nicht notwendigen Behandlung im Krankenhaus sagen dürfen. Wenn jemand dann auf eine Behandlung bestehe, müsse bezahlt werden. Auch Susanne Andexlinger von der ÖVP kann sich ein verpflichtendes Leitsystem vorstellen, mit einem Zuweisungscode über 1450, sonst gelte jemand als Privatpatient und habe zu bezahlen. Nadine Kasper von den Grünen möchte 1450 ausbauen, verändern, aber „Kassieren“ gehe ihr zu weit, weil die Angst vor den Kosten dann Menschen vor einem notwendigen Aufsuchen der Ambulanz abhalten könnte. Das sah auch Patricia Zangerl so und verwies zudem darauf, dass „1450“ bei 80 Prozent der Anrufenden empfehle, in den nächsten drei bis fünf Stunden einen Arzt aufzusuchen. Und in der Nacht habe nun mal nur das Krankenhaus geöffnet.

Gehaltskurve anschauen
Neben der attraktiveren Gestaltung der Kassenarztstellen sei auch eine Änderung in der Gehaltskurve der Ärzteschaft Thema, um auch nach 20 oder 25 Jahren Dienst noch eine Verbesserung zu ermöglichen. Es gelte nämlich nicht nur, neue Ärzte zu gewinnen, sondern auch die gut ausgebildeten zu halten, merkte ein Arzt aus dem Mittelbau an. Denn wenn es weniger Ärzte gebe, die Arbeit aber gleich oder mehr werde, müsse diese Arbeit mit weniger Köpfen geleistet werden und verlange auch nach höherer Bezahlung. Dass eine Erhöhung der Ärztegehälter in einzelnen Bundesländern nicht der richtige Weg sei, waren sich die Parteienvertreter einig, denn das führe an anderen Orten immer zu einem Mangel. Und wenn Personal aus dem Ausland die Lösung sein sollte, müsste auch die Nostrifizierung (Anerkennung der Ausbildungen im Ausland) schneller gehen, was in der Kompetenz des Bundes liege. Nadine Kasper von den Grünen merkte an, dass dieses Personal dann aber auch in deren Heimatländern fehle.
Medizin-Uni für Vorarlberg?
Für ärztlichen Nachwuchs könnte auch eine schon länger im Gespräch befindliche private Medizin-Universität sorgen. Ein Dornbirner Arzt, der in der Niederlassung als auch im Krankenhaus arbeitet, bezeichnete diese Idee einer privaten Medizin-Uni als „Blödsinn“, weil schlicht und einfach in den Spitälern das Ausbildungspersonal fehle und bekam Applaus aus dem Publikum. Zuvor sprach sich aks-Arzt Hans Concin für eine solche aus und verwies gleichzeitig auf die Möglichkeit der Lehrpraxen bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern, denn im Krankenhaus lerne der Allgemeinmediziner nicht, was er in der Praxis brauche. Die Lehrpraxen wurden dann auch von allen gutgeheißen, wenngleich dadurch diese Jungmedizinerinnen und Jungmediziner in den Spitälern fehlen würden, wie Patricia Zangerl, die Vertreterin der SPÖ, anmerkte. Aber die Finanzierung dieser müsse sichergestellt bleiben. Der Dornbirner Arzt merkte auch an, dass wir zu viele Spitäler hätten, und das könnte die Politik im Land entscheiden. Die SPÖ-Vertreterin quittierte dies damit, dass alle Betten voll seien und Krankenhausangestellte hätten sich rund um die Spitäler vor Ort ein Leben aufgebaut, also „nein“. Ein Mittelbauvertreter der Ärzteschaft verwies mit seiner Frage auf die wegen Personalmangel geschlossenen Betten in den Krankenhäusern: 90 seien es.
„Große Fragen bleiben dieselben.“
Wenn am Schluss der Diskussion ein Arzt darauf aufmerksam machte, dass die Probleme seit Jahrzehnten gleich geblieben seien, konnte dem nicht widersprochen werden, wenngleich sich die Demografie wandelte, wie Neos-Vertreter Johannes Gasser anmerkte. Denn immerhin warnte die Ärztekammer vor 40 Jahren noch vor einer drohenden Ärzteschwemme, die sich offensichtlich ins Gegenteil verkehrte. Wobei ein großer Themenblock gar nicht zum Thema wurde: Die Effizienz des Gesundheitssystems. Vielleicht haben wir genug Ärzte, aber das „System“ Gesundheitsversorgung leidet an zu wenig Kooperation und zu vielen Mehrgleisigkeiten, weil es eben die verschiedenen Finanzierungsströme gibt: Bund, Länder, Kassen. Aber das wäre eine andere Diskussion, bei der die Ärztekammer nicht moderiert, sondern am Podium sitzt.
Es war nicht zu erwarten, dass sich so knapp vor zwei Wahlen die Parteienvertreter in der Ärztekammer den Wünschen dieser verweigern werden, und so brachte es ein Arzt des Mittelbaus gegen Ende der Diskussion auf den Punkt: Er sei begeistert, dass alle Parteien die Ärztegehälter erhöhen wollen, dann müsse nur noch die Arbeitsbelastung im Krankenhaus verringert werden. Das ist wohl eine Aufgabe der Politik, aber auch der Ärzteschaft selbst, die in der Ärztekammer organisiert ist.
Von Kurt Bereuter