Hitzige Debatte um leistbares Wohnen

Vorarlberger Armutskonferenz kritisiert Wohnbaupolitik als „ambitionslos“ und fordert mehr gemeinnützige Wohnungen. „Krachend verfehlt“ – ÖVP verteidigt ihr Wohnpaket.
Vorarlbergs Wohnungssituation spitzt sich zu: Trotz ambitionierter Ziele im Regierungsprogramm hinkt das Land bei der Schaffung von leistbarem Wohnraum hinterher. Mit 2031 neu errichteten gemeinnützigen Wohnungen bis Mitte 2024 bleibt Vorarlberg neben Tirol das Bundesland mit dem geringsten Anteil an Sozialwohnungen – nur 13,3 Prozent aller Hauptwohnsitze. Das Ziel von 4000 neuen Wohnungen wurde damit „krachend verfehlt“, wie Michael Diettrich, Sprecher der Vorarlberger Armutskonferenz, bei einer Pressekonferenz feststellte.
Dieses Defizit hat weitreichende Folgen: Die Mietpreise auf dem privaten Wohnungsmarkt zählen in Vorarlberg zu den höchsten in ganz Österreich. Laut einer aktuellen Studie der Arbeiterkammer müssen 43 Prozent der Mieter mehr als 40 Prozent ihres Haushaltseinkommens für das Wohnen ausgeben. Diettrich spricht von einer großen Schieflage. „Das Problem ist nicht die KIM-Verordnung, sondern die explodierenden Immobilienpreise, die den Einkommen davongelaufen sind.“
Chance nicht genutzt
Die seit Ende 2022 anhaltende Rezession in der Bauwirtschaft hätte laut Diettrich genutzt werden können, um die Bauleistung im gemeinnützigen Wohnbau deutlich zu steigern. Diese Chance sei aber nicht genutzt worden. Diettrich richtet seine Kritik vor allem an den zuständigen Landesrat Marco Tittler (ÖVP), dessen Wohnbaupolitik er als „ambitionslos“ bezeichnet. Zwar sei die Wohnbeihilfe erhöht worden, aber erst nach erheblichem Druck.
Ein besonderer Dorn im Auge ist der Armutskonferenz die sogenannte „Wohnbauoffensive“. Diese konzentriert sich auf den Bau von Eigentumswohnungen, die für den Großteil der Bevölkerung nicht mehr realisierbar sind. Berechnungen der Arbeiterkammer zeigen, dass ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von 5700 Euro notwendig wäre, um sich Wohneigentum leisten zu können. Das ist für mehr als 80 Prozent der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger utopisch. Die Wohnbauförderung komme daher „vor allem einkommensstarken Haushalten zugute, was Diettrich als Umverteilung von unten nach oben“ kritisiert.
Er fordert klare Sofortmaßnahmen, um den gemeinnützigen Wohnbau auf mindestens 1000 Wohnungen pro Jahr zu erhöhen. Dabei solle der Fokus nicht auf dem Bau von Eigentumswohnungen für einkommensstarke Haushalte liegen, sondern auf der Schaffung von leistbaren Mietwohnungen, die dringend benötigt werden. Ohne diesen Ausbau werde der private Wohnungsmarkt weiter überhitzen, die Wartelisten länger und die Wohnkosten noch höher. Gleichzeitig müsse der soziale Wohnbau als langfristige Altersvorsorge für jene verstanden werden, die sich kein Eigentum leisten können
Sowohl Landesrat Tittler als auch Wohnbausprecher Harald Witwer (ÖVP) verteidigten das Wohnbaupaket der Landesregierung. Man werde die Einkommensgrenzen für gemeinnützige Mietwohnungen, Kaufanwartschaftswohnungen und betreubare Wohnungen deutlich anheben – und zwar auf maximal 80 Prozent der Einkommensgrenzen der derzeit gültigen Neubauförderungsrichtlinie für den privaten Wohnbau.
Eine entsprechende Vergaberichtlinie wurde am Donnerstag vom Wohnbauförderungsbeirat empfohlen und muss nun noch von der Landesregierung beschlossen werden. Die Lösung für steigende Wohnkosten könne nicht immer nur in staatlicher Unterstützung liegen, so Witwer. „Der gemeinnützige Wohnbau spielt in Vorarlberg eine wichtige Rolle, ist für den Steuerzahler jedoch auch sehr teuer.“
Umso wichtiger sei es, Eigentumsbildung zu fördern. Die Grünen schlugen unterdessen eine Wohnkostengarantie vor, niemand solle mehr als ein Drittel seines Einkommens fürs Wohnen ausgeben müssen, sagte Nationalratsabgeordnete Nina Tomaselli bei einer Pressekonferenz. Erreicht werden soll dies durch einen Maßnahmenmix, der Mieten reguliert, Bau- und Grundstückskosten leistbar hält und Leerstände mobilisiert. Wohnbauförderungsmittel sollen vor allem für den gemeinnützigen Wohnbau eingesetzt werden.
Noch längere Wartelisten
Kritik an den Plänen der ÖVP kam von den Neos und der SPÖ. Auch sie forderten eine drastische Erhöhung der Mittel für den gemeinnützigen Wohnbau. „Die Wohnungen fehlen und die Vergaberichtlinien werden geändert. Das wird dazu führen, dass die Wartelisten noch länger werden“, sagte Neos-Wohnbausprecherin Fabienne Lackner. SPÖ-Klubobmann Mario Leiter sah sich durch die Armutskonferenz bestätigt. Es brauche den Bau von 2000 leistbaren Wohnungen pro Jahr, vor allem der Mittelstand müsse endlich entlastet werden.