All Tag des Glieche

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Es gibt Wochen, manchmal sogar Monate, in denen passiert in meinem alltäglichen Leben tatsächlich nichts extrem Aufregendes. Ich komme klassisch immer mal wieder fünf Minuten zu spät, der Wäschekorb quillt klassisch immer noch über, und ich weiß klassisch jeden Tag nicht, was ich kochen soll.
Mein Tag beginnt um klassische 7 Uhr und endet bei klassischen 0 Uhr. Sämtliche Streamingdienste haben keine neuen Serien, und draußen wird es auch noch kalt. Das heißt, ebenso klassisch: tägliches Animieren der Kinder, in die Schule zu gehen und keine Krankheit vorzutäuschen. Der Männerschnupfen befällt meine Töchter korrelierend mit den kürzer werdenden Tagen. Ergo: der ganz normale Salmhofer’sche Alltag in Kürze zusammengefasst. Und so trottet dieser vor sich hin, Tag für Tag.
Irgendwann finde ich mich dann in meiner Küche vor einer Tasse alltäglichem Kaffee mit Milchschaum und frage mich, wann denn endlich mal wieder etwas Aufregendes passiert, weil so ein Alltagsgedöns mich tatsächlich unrund machen kann. Während ich also meinen Kaffee umrühre und den Milchschaum mit dem Löffel zu einer Pyramide forme, sinniere ich darüber nach, wie ich wieder Pfiff in mein Leben bekomme. Ein neues Hobby suchen? Fällt aus, dafür ist einfach keine Zeit mehr. Einen neuen Mann suchen? Fällt auch aus, dafür ist einfach keine Zeit mehr. Aber es muss doch noch mehr geben, außer Hobbys und Männer, das dem Leben ein wenig Würze verleiht.
Unweigerlich fange ich in diesen kurzen Momenten des Philosophierens an, über alles, was ich so tue, nachzudenken. Ich habe tolle Kinder, ich meine, ich habe wirklich tolle Kinder. Sie können zwar bis heute nicht die gebrauchten Handtücher aufhängen, aber zu perfekt wäre auch unheimlich.
Ich habe eine wunderbare Arbeit und das Privileg, mit meiner Leidenschaft tatsächlich das eine oder andere Brötchen auf den Tisch zu bekommen. Ich habe es geschafft, alleine (!) – ich möchte nochmals betonen, ALLEINE – einen Geschirrspüler einzukaufen, in die Wohnung zu tragen und zu installieren. Und er wäscht tatsächlich anstandslos das Geschirr. Also bitte! Was genau will man mehr?
In Wahrheit ist es doch so, versuche ich mir zu erklären: Ich könnte wahrscheinlich jeden Tag Krautfleckerl und Spaghetti essen und ab und an zwischendurch ein scharfes Chili. Aber umgekehrt würde ich es ziemlich mühsam und auch für die Verdauung sehr unangenehm empfinden. Somit besser: Einen regelmäßig, gut einschätzbaren Alltag, damit das Chili im Leben dann so richtig einfährt. Genießen wir unsere langweiligen Normalo-Tage in allen Zügen.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.