Mit den Zeiten jonglieren

Wir sind wieder in der Normalzeit angelangt und haben die Uhren um eine Stunde zurückgedreht. Die 24 Zeitzonen sind ein Kompromiss, um die Sonne an jedem Punkt der Nordhalbkugel zu Mittag ungefähr im Süden zu halten.
Von Robert Seeberger
Der Kindermerkspruch über die Sonnenpositionen ist hilfreich: Im Osten geht die Sonne auf, im Süden ist ihr Mittagslauf, im Westen muss sie untergehen, im Norden wird sie niemals stehen. Damit wäre alles gesagt und das bedeutet unter anderem, dass wir die Uhrzeiten so festlegen müssen, dass die Sonne um 12 Uhr Mittag genau im Süden steht. Zerpflücken wir den Merkspruch etwas. Die Sonne steht tatsächlich nie im Norden, solange wir von der Nordhalbkugel aus beobachten. Bewohner der südlichen Hemisphäre hingegen finden die Sonne zu Mittag im Norden. Ihr Aufgang im Osten und ihr Untergang im Westen gilt für die gesamte Erdoberfläche gleichermaßen. Genau genommen ist das nur an zwei Tagen, den Tag- und Nachgleichen der Fall. Zu Frühlings- und Herbstbeginn zeichnet die Sonne einen 180-Grad-Bogen am Himmel. 12 Stunden ist sie über und dieselbe Zeit unter dem Horizont. Ab Herbstbeginn werden die Tage nicht nur stetig kürzer sondern der Tageslauf der Sonne wird kleiner. Sie geht im Südosten auf und im Südwesten unter. Zu Winterbeginn steht sie mittags nur knapp 20 Grad hoch im Süden. Im Sommerhalbjahr sind die Verhältnisse genau umgekehrt.
Mittags im Süden
Der Teil des Kinderspruchs, der den Mittagslauf der Sonne im Süden sieht, wird im Folgenden genauer beschrieben. Eigentlich können wird den Mittag (in der Mitte des Tages) so definieren, dass die Sonne genau im Süden steht. Sie benötigt dieselbe Zeitspanne vom Aufgang zum Höchststand im Süden wie für ihren Weg von Süden zum Untergangspunkt. In der Astronomie wird die Position eines Gestirns im Horizontsystem von Norden ausgehend über Osten, Süden und Westen in Grad gemessen. Der Winkel wird Azimut genannt und entspricht der Anzeige eines Kompasses. Betrachten wir den Sonnenstand gestern, am Samstag, den 26. Oktober zur Mittag: Die Kompassnadel zeigt auf 262 Grad. 18 Grad fehlen auf die Südposition. Von Samstag auf Sonntag wurde die Sommerzeit beendet und wieder auf Normalzeit umgestellt, die Uhr um eine Stunde zurückgedreht. Die Sonne steht heute um 12 Uhr auf 279 Grad Azimut. Durch die willkürliche Einführung der Sommerzeit steht die Sonne oft deutlich nach 12 Uhr genau im Süden. Das bringt uns spätere Sonnenuntergänge und ermöglicht uns nach der Arbeit noch Aktivitäten bei Tageslicht im Freien.
Sommerzeit
Bereits zwischen 1916 und 1920 und dann wieder zwischen 1940 und 1948 gab es in Österreich die Sommerzeit. Ab 1980 wurde gemeinsam mit anderen europäischen Staaten die Uhr wieder im Sommer um eine Stunde vorgedreht. Im Jahre 2018 hatte die europäische Kommission vorgeschlagen, die jährliche Umstellung zu beenden. Dazu ist es bislang nicht gekommen. Manche Länder und Personen würden eine ständige Normalzeit andere eine ganzjährige Sommerzeit und wieder andere den bisherigen Wechsel von Normal- auf Sommerzeit favorisieren.
Die Zeiteinheiten werden durch kosmische Bewegungen vorgegeben. Ein Sonnentag dauert 24 Stunden und meint die Zeit zwischen zwei Höchstständen der Sonne am Mittag im Süden. Jeder Ort auf der Erde hat einen anderen Mittagszeitpunkt. Diese Zeit nennt man Ortszeit, weil sie nur an einem Ort Gültigkeit hat. Wenn man immer am selben Ort bleibt, ist diese Regelung passabel. Reist man beispielsweise von Bregenz nach Innsbruck, so hat sich die Ortszeit bereits um zirka acht Minuten geändert. Daher waren es die Eisenbahngesellschaften die 1883 in Nordamerika die Zonenzeiten einführten. Ansonsten wäre es kaum möglich gewesen, Fahrpläne zu erstellen. 24 Zonen zu je 15 Grad gelten bis heute noch. Würden benachbarte Staaten heute abweichende, vielleicht sogar um halbe Stunden unterschiedliche Sommerzeitregelungen einführen, wäre das ein Rückschritt, der fast mit den lokalen Ortszeiten vor 1883 vergleichbar ist.