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Was die zukünftige Regierung angehen muss

27.10.2024 • 12:00 Uhr
Was die zukünftige Regierung angehen muss
Markus Wallner (ÖVP) und Christof Bitschi (FPÖ)befinden sich seit Anfang Woche in Regierungsverhandlungen. paulitsch

Interessensvertreter äußern Erwartungen und Bedenken hinsichtlich der künftigen Landesregierung. Themen wie Wohnen, Standortpolitik, soziale Gerechtigkeit oder Geschlechtergerechtigkeit stehen im Fokus.

von Hannah Swozilek und Jörg Stadler

Es liegt alles vor

Was die zukünftige Regierung angehen muss
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Mirjam Steinbock, Kultur: Auch aus der Kulturbranche gibt es Anforderungen an eine neue Regierung. „Wir erwarten, dass der vor zwei Jahren von allen Landtagsparteien einstimmig gefasste Beschluss, angemessene Rahmenbedingungen für Kunst- und Kulturakteure zu schaffen, nun endlich in die Umsetzung gelangt“, sagt Mirjam Steinbock, Vorstand der IG Kultur. Neu erfunden müsse dafür nichts werden, es liege bereits alles vor. „Die Mittel-Berücksichtigung im Gesamtbudget für die Kultur ist bis dato unverhältnismäßig niedrig.“

Mehr Mittel nötig

Dr. Walter Schmolly, Caritasdirektor
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Walter Schmolly, Caritas: Caritasdirektor Walter Schmolly sieht vor allem im finanziellen Bereich große Herausforderungen für die zukünftige Regierung. „Es wird für den Sozialbereich die nächsten Jahre mehr Mittel brauchen, um auch nur die notwendigsten Entwicklungen sicherzustellen,“ betont er. Besonders der Fachkräftemangel in der Pflege und den Sozialeinrichtungen könne nur durch eine sofortige Anpassung der Gehälter an die jüngst erhöhten Löhne im Spitalsbereich eingedämmt werden. Schmolly hebt weiters drei zentrale Themen hervor: Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege, die soziale Gerechtigkeit für alle Kinder sowie die Stärkung der präventiven und sozialräumlichen Strukturen.

Vertrauen auf Augenhöhe

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Burkhard Walla, Ärztekammer: Der Präsident der Ärztekammer Burkhard Walla sieht unter anderem den Fachkräftemangel als Thema. „Es ist wichtig, dass sich die neue Regierung bewusst ist, dass sie sich dringend um das Gesundheitssystem in Vorarlberg kümmern und hier auch entsprechend investieren muss. Ich spreche hier vor allem den Fachkräftemangel an. Von der neuen Landesregierung erwarte ich mir daher weiterhin ein Vertrauensverhältnis auf Augenhöhe und die Einbindung in gesundheitspolitische Entscheidungen.“ Auch die Erhöhung der Grundgehälter für Spitalsärzte und Maßnahmen zur Steuerung der Patientenflüsse hebt Walla hervor.

Freier Zugang zu Informationen

Ann-Kathrin Freude und Tobias Giesinger von der Rechercheplattform „The Marker“.
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Tobias Giesinger, The Marker (Tierschutzorganisation): Tobias Giesinger von The Marker hat klare Vorstellungen. „Von der neuen Regierung erwarte ich mehr Transparenz und den freien Zugang zu Informationen, denn nur eine informierte Öffentlichkeit kann aktiv an demokratischen Prozessen teilnehmen.“ Entscheidungen müssen laut ihm mehr auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. „Vor allem im Tier- und Klimaschutz, wo bereits bestehende Gesetze oft unzureichend umgesetzt werden.“

Gleichstellung darf nicht ins Abseits geraten

20240729PressekonferenzFemail
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Lea Putz-Erath, Femail: Lea Putz-Erath, Leiterin des Fraueninformationszentrums femail und NEUE-Gastkommentaorin, sieht die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ mit Skepsis. Sie hebt hervor, dass sich politische Parteien bei der Themensetzung oft an Umfragen zu drängenden Themen wie Wohnen, Arbeitskräftemangel und Migration orientieren, dabei jedoch Geschlechtergerechtigkeit vernachlässigen. „Wer mit politischen Lenkungsmaßnahmen dafür sorgt, dass Sorgearbeit ausgewogener zwischen Frauen und Männern aufgeteilt wird, stärkt das große weibliche Arbeitskräftepotential,“ betont sie. Besonders wichtig sei eine gerechte Entlohnung von Mitarbeiterinnen in Pflege und Kinderbildung, um Armutgefährdung zu reduzieren, die finanziellen Möglichkeiten in den Haushalten zu stärken und und für mehr geöffnete Pflegebetten- und Betreuungsplätze zu sorgen. Putz-Erath warnt, dass eine Politik, die traditionelle Geschlechterrollen weiter festigt, Abhängigkeiten und geschlechtsspezifische Gewalt fördert und den Gender-Pay-Gap für weitere Jahrhunderte zementiert. „Wir werden sehen, wofür sich das männlich dominierte Verhandlungsteam von ÖVP und FPÖ entscheidet.“

Auf Sparschrift verzichten

AK-Vollversasmmlung Fotos von der Wahl und Kür Bernhard Heinzles
paulitsch

Bernhard Heinzle, AK: Bernhard Heinzle, Präsident der Arbeiterkammer, fordert von der neuen Regierung mehr als bloße Lippenbekenntnisse. Angesichts der dramatischen Wohnsituation, bei der 83 Prozent der Arbeitnehmer stark von den Wohnkosten belastet sind, verlangt er den Bau gemeinnütziger Mietwohnungen und die Zweckbindung der Wohnbauförderbeiträge. Er betont zudem die Notwendigkeit von ganztägigen Kinderbetreuungsangeboten und einer Qualifizierungsoffensive, um den Fachkräftemangel zu lösen. Heinzle mahnt, dass die Regierung über Ankündigungen hinausgehen und die Menschen in den Mittelpunkt stellen müsse, indem sie auf den Sparstift verzichtet und notwendige Zukunftsinvestitionen tätigt. für alle leistbar und ohne lange Wartezeiten

Den Standort sichern

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Elmar Hartmann, IV: Elmar Hartmann, Präsident der Industriellenvereinigung Vorarlberg, erwartet von der neuen Landesregierung einen klaren, wirtschaftsfreundlichen Kurs, der den Standort Vorarlberg stärkt und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Betriebe sichert. „Es braucht einen radikalen Abbau bürokratischer Hürden sowie finanzielle Entlastungen für Unternehmen,“ fordert er. Dringend notwendig seien zudem Investitionen in eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur, wobei Projekte wie die S18, der weitere Gleisausbau im unteren Rheintal sowie der Ausbau der digitalen Infrastruktur Priorität haben müssten. Auch die Förderung klimafreundlicher Technologien sei entscheidend.

Der IV-Präsident betont außerdem die Bedeutung von Bildung und Fachkräftesicherung, um langfristig die besten Köpfe für Vorarlberg zu gewinnen und so die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu sichern. „Jetzt gilt es, Politik und Wirtschaft enger zu vernetzen, um den Standort durch innovative und nachhaltige Maßnahmen zukunftssicher aufzustellen,“ erklärt Hartmann auf NEUE-Anfrage. Die Industrie stehe jedenfalls bereit für eine konstruktive Zusammenarbeit, „um Vorarlberg zu einem lebenswerten, chancenreichen Bundesland mit stabilem Wohlstand zu machen“.