„Eine starke und auch kantige Stimme“

Engagement, Verantwortung und klare Worte – Josef Moosbrugger setzt sich seit 25 Jahren als Präsident der Vorarlberger Landwirtschaftskammer für die Bäuerinnen und Bauern ein.
ZUR PERSON
Josef Moosbrugger
Geboren 1966 in Dornbirn, wo er einen Hof mit Milchwirtschaft und Viehzucht betreibt. Zunächst Funktionär der Landjugend, Jungbauernschaft und ab 1991 Kammerrat. Seit 1999 Präsident der Landwirtschaftskammer Vorarlberg , seit 2018 Präsident der österreichischen Landwirtschaftskammer. Von 1995 bis April 2018 ÖVP-Stadtrat in Dornbirn. Diverse weitere Funktionen auf Landes- und Bundesebene. Verheiratet, drei Kinder.
Wenn Sie auf die vergangenen 25 Jahre zurückblicken, welche Entwicklungen haben Sie als besonders prägend erlebt?
Josef Moosbrugger: Ein Vierteljahrhundert ist eine lange Zeit, und die Entwicklungen in der Landwirtschaft waren enorm. Die ersten Jahre meiner Amtszeit, Ende der 1990er, standen stark im Zeichen des EU-Beitritts. Für uns in Vorarlberg war das ein zentraler Umbruch: Wie kann unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft im großen europäischen Markt bestehen? Besonders die Zukunft unserer Milchverarbeitung und Sennereien stand auf dem Spiel – die Sorge, ob diese Strukturen gegen große Anbieter bestehen können, war groß. Doch genau in diesen Umbrüchen habe ich gesehen, wie flexibel und anpassungsfähig unsere heimischen Betriebe sind. Das Engagement für Tierwohl und nachhaltige Bewirtschaftung hat sich durch die Jahre immer weiterentwickelt, und auch die Themen Bürokratieabbau und faire Lebensmittelpreise begleiten uns bis heute.
Was hat Sie motiviert, diesen Weg in der Kammerarbeit so engagiert zu gehen?
Moosbrugger: Es geht mir darum, Verantwortung zu übernehmen, anstatt nur zu kritisieren. Schon in der Landjugend habe ich gemerkt, dass echte Veränderungen nur dann passieren, wenn jemand bereit ist, selbst anzupacken. Politik ist kein Wunschkonzert, sondern ein Wettbewerb um die besten Ideen. Entscheidungen entstehen, wenn mehr als die Hälfte hinter einem steht – das bedeutet oft Kompromisse und ist etwas, das viele vergessen. Es reicht nicht, am Stammtisch lauthals zu diskutieren, man muss bereit sein, echte Verantwortung zu übernehmen.
Welche Herausforderungen waren für Sie als Präsident der Landwirtschaftskammer besonders groß?
Moosbrugger: Eine der größten Hürden ist die Diskrepanz zwischen der Realität der Landwirtschaft und den Erwartungen der Gesellschaft. Viele Menschen – oft jene, die nicht direkt mit Landwirtschaft in Berührung kommen – glauben, zu wissen, wie Landwirtschaft „richtig“ funktioniert. Es gibt so viele Meinungen zu Tierhaltung, Pflanzenschutz oder auch zum Einsatz von Düngemitteln. Dabei haben wir als Landwirte eine doppelte Verantwortung: Einerseits wirtschaftlich tragfähig zu arbeiten, andererseits den hohen Ansprüchen und Regulierungen zu genügen. Die Balance zwischen beidem zu finden, ist oft sehr herausfordernd.

Wie stehen Sie zur wachsenden Bürokratie in der Landwirtschaft?
Moosbrugger: Bürokratie ist ein wachsendes Problem. Ein Landwirt will sich um seinen Hof und seine Tiere kümmern, nicht die Hälfte seiner Zeit im Büro verbringen. Die bürokratischen Anforderungen nehmen immer mehr zu und belasten nicht nur die Landwirte selbst, sondern in weiterer Folge auch die gesamte Wertschöpfungskette, was letztlich die Produktpreise steigen lässt. Besonders kleinere Betriebe kämpfen enorm mit diesem Aufwand. Große Konzerne können dafür eigene Abteilungen einrichten, aber in einem kleinen Familienbetrieb bleibt diese Büroarbeit häufig beim Chef oder der Chefin selbst hängen.
Die Vorarlberger Landwirtschaft steht oft auch wirtschaftlich unter Druck. Wie können sich die Betriebe in dieser Lage behaupten?
Moosbrugger: Unsere Betriebe sind stark von den Lebensmittelpreisen am Markt abhängig. Gleichzeitig steigen die Betriebskosten für Maschinen, Instandhaltung und Ressourcen, während die Erzeugerpreise stagnieren. Für junge Menschen, die sich für die Landwirtschaft entscheiden, ist das oft schwer nachvollziehbar. Wenn man bei einem hohen Arbeitspensum und langen Arbeitszeiten am Ende weniger verdient als in anderen Berufen, wird es für viele schwierig, in der Landwirtschaft eine Zukunft zu sehen. Deshalb ist ein stabiler Erzeugerpreis und eine wirtschaftlich gesicherte Basis entscheidend, um die Attraktivität der Landwirtschaft als Beruf zu erhalten.
Wie sehen Sie die Rolle der Landwirtschaft im Bereich Klimaschutz?
Moosbrugger: Die Landwirtschaft hat ihren Beitrag zum Klimaschutz bereits geleistet und wird weiterhin daran arbeiten. Wir haben den CO2-Ausstoß und die Ammoniakemissionen stark gesenkt und sind beim Bodenschutz und der Biodiversität Vorreiter. Gleichzeitig ist die Landwirtschaft aber auch vom Klimawandel selbst betroffen: Extremwetter und Ernteausfälle treffen uns hart und die Risikovorsorge wird immer wichtiger. Die Landwirtschaft kann nicht allein verantwortlich gemacht werden. Es geht darum, alle Bereiche mit einzubeziehen, um wirklich nachhaltig etwas zu verändern.
„Politik ist kein Wunschkonzert, sondern ein Wettbewerb um die besten Ideen.“
Josef Moosbrugger

Nehmen EU-Vorgaben zu wenig Rücksicht auf regionale Unterschiede?
Moosbrugger: Es ist wichtig, dass wir diese berücksichtigen! Ich fordere schon lange, dass die EU nur dort eingreift, wo es wirklich notwendig ist. Die Entwaldungsverordnung ist ein Beispiel: In Österreich, insbesondere in Vorarlberg, wächst die Waldfläche ständig. Doch die Verordnung macht keinen Unterschied zwischen uns und Ländern mit echter Entwaldungsproblematik. Das führt zu mehr Bürokratie, die uns nicht weiterhilft. Ich erwarte, dass die EU differenzierte und praxisorientierte Lösungen anbietet.
Ein großes Zukunftsthema ist die Nachwuchssicherung. Wie steht es um die Landjugend?
Moosbrugger: Die Landjugend ist und bleibt ein zentraler Bestandteil im ländlichen Raum. In Vorarlberg haben wir eine sehr gute Ausbildung an den landwirtschaftlichen Fachschulen und bieten jungen Menschen eine berufliche Grundlage mit Maturaabschluss. Bei der Frage, ob sie später in die Landwirtschaft einsteigen, spielen wirtschaftliche Perspektiven eine entscheidende Rolle. Junge Menschen brauchen das Gefühl, dass sie in der Landwirtschaft nicht nur hart arbeiten, sondern auch finanziell eine gute Basis haben.
Was motiviert Sie persönlich, nach 25 Jahren weiterzumachen?
Moosbrugger: In erster Linie ist es die Unterstützung meiner Familie, die mir den Rücken stärkt. Meine Frau und auch mein Kind, das inzwischen in unserem landwirtschaftlichen Betrieb Verantwortung übernimmt, sind für mich ein großer Rückhalt. Dazu kommt die Wertschätzung der Bäuerinnen und Bauern – es ist mir wichtig, eine starke und manchmal auch kantige Stimme für ihre Interessen zu sein. Es gibt noch viel zu tun, und ich will sicherstellen, dass wir eine starke und zukunftsfähige Landwirtschaft erhalten.
Mein Wunsch ist, dass wir bei den Erzeugerpreisen und der wirtschaftlichen Grundlage für die Betriebe eine Trendwende schaffen. Landwirte sollen wieder mit Stolz und Freude ihre Produkte anbieten können und in die Modernisierung ihrer Betriebe investieren. Wenn wir diese Basis festigen, dann haben wir eine gute Grundlage für eine zukunftsfähige und lebendige Landwirtschaft.