Allgemein

Über der Nebeldecke, Herausforderung an einem Sonntag

18.11.2024 • 10:22 Uhr
Neue Kopfkino Salmhofer Kolumne
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Ich habe es wieder getan. Ich war wandern. Meine Schwes­ter hat mich angestupst und gemeint „Tun wir was!“, und ich habe „ja“ gesagt – nachdem ich erbeten hatte, dass der Start nicht vor zehn Uhr vormittags stattfinden möge, wohlgemerkt. Also sind wir ein bisschen in die Höhe. Die Frischluftaktion sollte vier Stunden dauern und ein gemütliches Cardiotraining in der Novembersonne sein. Zumindest hat uns das so die Wanderapp mitgeteilt. Die Wanderung begann wie immer mit der reflex­artigen Reaktion des Körpers, im ersten Moment der Steigung jegliche Bewegung vermeiden zu wollen. Erst nach 20 Minuten Ignorieren der ziependen Muskeln hat er resigniert und sich damit abgefunden, dass das jetzt wohl für die nächsten Stunden sein Ist-Zustand sein wird – das Aufwärtsgehen.

Nach zweieinhalb Stunden sind wir auf der ersten kleinen Alm angekommen. Unter dem Gipfelkreuz haben wir das riesige Nebelmeer unter uns betrachtet, während uns die Sonne wärmte. Ein Flugzeug brummte über unsere Köpfe hinweg und ein paar Biker keuchten den Wanderweg hoch. Ansonsten war es still. Die Wanderapp meinte, es seien jetzt doch noch zweieinhalb Stunden, aber dann wären wir sicher wieder beim Auto. Ha, ha! Die App war nicht fähig, uns Wegkreuzungen exakt mitzuteilen, somit sind wir zwei Mal falsch abgebogen. Egal, es war warm und schön und wir total motiviert. Nach den vormals kolportierten zweieinhalb Stunden waren wir wieder vor einer Wegentscheidung und der Parkplatz noch lange nicht sichtbar. Auf der einen Seite hieß es, noch einmal ein kleines Berglein hoch, auf der anderen Seite sollten nur kleine Auf und Abs zum Ziel führen.

Wir wollten es uns nicht einfach machen und entschieden uns für das Berglein. Dieses konnte man aber nur auf einem Wanderweg mit einer gefühlten Steigung von 98 Prozent erklimmen. Es ist nicht immer das klügste, jede Herausforderung anzunehmen! Wir krochen also im Schneckentempo den Berg hoch und stolperten und rutschen im Gatsch die andere Seite wieder hinunter. Nach insgesamt sechseinhalb Stunden waren wir beim Auto. Ich hatte einen Fußnagel verloren, außerdem waren meine Muskeln beleidigt und bestraften mich mit einem Kater.

Fazit: Manchmal sollte man einfach wissen, wann Schluss ist. Aber, es ist ein extrem befriedigendes Gefühl, etwas zu schaffen, was sich kurz nach der Entscheidung anfühlt wie ein Survival Training am Himalaya. (Für mich! Für etwa 95 Prozent der Vorarlberger wäre das ein Sonntagsspaziergang mit Hut gewesen. Aber man möge mir die Freude lassen. Danke!)

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.