Syriens Präsident Assad verschwindet nach 24 Jahren an der Macht

Mit seiner Flucht aus der Hauptstadt endete die mehr als 50-jährige Herrschaft der Assad-Familie über Syrien und eine der brutalsten Diktaturen des Nahen Ostens.
Mehr als 24 Jahre lang war Baschar al-Assad in Syrien allgegenwärtig – doch am Sonntagmorgen war er plötzlich verschwunden. Der 59-Jährige verließ Damaskus, als Rebellenverbände vor den Toren der Hauptstadt standen und sein Regime kollabierte. Wohin Assad floh, blieb zunächst unklar; nach Medienberichten wollte er sich per Flugzeug nach Moskau absetzen. Mit seiner Flucht aus der Hauptstadt endete die mehr als 50-jährige Herrschaft der Assad-Familie über Syrien und eine der brutalsten Diktaturen des Nahen Ostens.
Dabei galt Assad als Reformer, als er im Jahr 2000 die Nachfolge seines verstorbenen Vaters Hafez antrat; der ältere Assad hatte Syrien seit 1970 mit harter Hand regiert. Baschar, der in London zum Augenarzt ausgebildet worden war, erhielt beim Amtsantritt viele Vorschusslorbeeren, nicht zuletzt, weil er so jung war. Bei der Präsidentenwahl am 10. Juli 2000 trat er als einziger Kandidat an und erhielt 97 Prozent der Stimmen. Bald darauf ließ er die ersten Aktivisten festnehmen, die für mehr Demokratie eintraten: Der angebliche Reformer entpuppte sich als eisenharter Gewaltherrscher.
Elf Jahre später schwappte die Welle der Aufstände im Arabischen Frühling auf Syrien über, und Assad reagierte mit einem brutalen Militäreinsatz. Damit begann ein Krieg, der hunderttausende Menschen getötet und zwölf Millionen weitere zu Flüchtlingen innerhalb und außerhalb des Landes gemacht hat. Assad wurde international zum Paria.
In den ersten Kriegsjahren geriet Assad in die Defensive gegen die Rebellen, die von ausländischen Akteuren wie der Türkei und arabischen Staaten unterstützt wurden. Das Blatt wendete sich 2015, als Russland auf Assads Seite in den Krieg eingriff. Auch iranische Einheiten und pro-iranische Milizen wie die Hisbollah aus dem Libanon halfen ihm; seit 2020 herrschte er wieder über zwei Drittel des syrischen Staatsgebietes.
Widerstand im Keim erstickt
Assad ließ von Armee und Geheimdiensten jeden Widerstand mit Folter und Hinrichtungen im Keim ersticken. Seine Regierung blockierte Fortschritte bei Gesprächen mit der Opposition, in denen unter Leitung der UNO über eine neue Verfassung für Syrien verhandelt werden sollte. Im Mai 2021 ließ er sich bei einer international nicht anerkannten Wahl für weitere sieben Jahre im Amt bestätigen. Mit dem Export der Aufputschdroge Captagon in andere arabische Länder verdiente das Regime Milliarden.
Weil Assad so sicher im Sattel saß, bemühten sich arabische Staaten und auch einige EU-Länder in den vergangenen Jahren um eine Wiederannäherung an den Diktator. Im Herbst 2020 schickte Oman als erster Golfstaat seit 2012 einen Botschafter nach Syrien. Im Mai vergangenen Jahres reiste Assad zum Gipfeltreffen der Arabischen Liga nach Saudi-Arabien: Er war wieder hoffähig. Weniger als einen Monat vor seinem Sturz nahm er an einem weiteren Gipfel in Riad teil.
Schwächung der Verbündeten
Zum Verhängnis wurde Assad erst die Schwächung seiner Verbündeten. Russland war mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt, der Iran und die Hisbollah mussten im Dauerkonflikt mit Israel schwere Niederlagen einstecken. Als die Rebellen vor zehn Tagen zum Angriff ansetzten, zeigte sich, dass Assads Regime allein war und keine Kraft hatte, sich der Offensive entgegenzustellen. Am Ende blieb Assad nur die Flucht.