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Ich schwöre auf alles!

16.12.2024 • 10:36 Uhr
Neue Kopfkino Salmhofer Kolumne
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Ich habe inzwischen die Weihnachtsdeko komplett, inklusive blinkendem Christbaum steht und hängt alles, was der Haushalt Salmhofer an Lichterketten und Kerzenkränzen zu bieten hat. Mehr an Bling-Bling geht nicht. Ich schwöre! Apropos schwören: Ich stelle fest, dass sich der Schwur hartnäckig über die Menschheitsgeschichte hält und noch immer als ziemlich machtvolles Werkzeug dient, um jemanden eben darauf „einzuschwören“, die Wahrheit zu sagen. Vor Gericht schwört man, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit, und unsere Politiker murmeln vor Amtsantritt: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohl des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, Verfassung und Recht wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber allen üben werde.“ Wahlweise kann man diesen Schwur dann auch noch mit dem Namen Gottes untermauern.

So weit, so gut. Ich habe nur das dumpfe Gefühl, dass diese Schwörerei bei manch einem nicht mehr den gleichen Ehrfurchtsschauer aufkommen lässt wie in Kindheitstagen. Wenn ich meine rechte Kinderhand aufs Herz gelegt, meine linke ehrenvoll in die Luft gestreckt und dabei ein „Ich schwöre“ meiner Mutter entgegen beteuert habe, war mir klar, dass ich auf der Stelle tot umfalle, wenn ich den Schwur breche. Ein Schwur war immer ein wenig mit jener Angst unterfüttert, versehentlich diesen zu brechen. Niemals wurde er unbedacht ausgesprochen.

Auch meine Mädels schwören. Nicht auf Gott, sondern wahlweise „auf die Mutter“, „auf die Eltern“ oder überhaupt auf „alles“. Wenn man „auf alles“ schwört, ist das übrigens – so hat mir meine Tochter in einem redseligen Moment offenbart – der eisernste und strengste Schwur überhaupt. Wird hier ein Wort gebrochen, dann geschieht Unaussprechliches. Ich weiß bis heute noch nicht, was, weil eben – wie erwähnt – unaussprechlich. Aber es muss in die Richtung Universumsvernichtung gehen. Ein Schwur wie eine höhere Macht, die über uns thront, bereit, bei jedem Verstoß die Gewalt der Gerechtigkeit auf uns niederprasseln zu lassen. Ich bin der Meinung, man sollte die herkömmlichen Schwüre in sämtlichen wichtigen Positionen überdenken und Verantwortungsträger und -trägerinnen nicht auf die Bibel, sondern auf „alles“ schwören lassen. Vielleicht funktioniert es dann in Zukunft wieder besser mit dem Worthalten.

Und ganz nebenbei bemerkt: Vielleicht ist es auch das, was wir uns bewahren sollten – die Fähigkeit, an etwas Größeres zu glauben. Sei es ein Schwur, ein Versprechen oder einfach nur die Magie der Weihnachtszeit.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.