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Auf geht´s, heute wird getanzt

07.01.2025 • 15:10 Uhr
Neue Kopfkino Salmhofer Kolumne
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Nachdem meine 20-jährige Heidi sich noch nicht ganz verkrochen hat, kommt es vor, dass ich mich des Nächtens auf den Weg mache. Nicht, um in ruhiger Atmosphäre ein Theaterstück zu besuchen, nicht, um ein hochwertiges Konzert zu besuchen und dabei leicht mit dem Kopf zu wackeln, nein! Heidi will dann tanzen gehen. So ein Tanzen mit DJ-Line, rhythmischer Musik und vielen (aber nicht zu vielen) ausgelassenen Menschen um mich herum, die alle möglichst unkontrolliert ihre Arme und Beine schwingen lassen. Salsa, Tango und Co. sind hier nicht gefragt. Abgesehen davon, dass ich es nie hinbekommen habe, eine festgelegte Schrittabfolge dem Rhythmus der Musik anzupassen, finde ich es wichtig, dass man manchmal ohne tänzerische Vorgaben seinen Körper zu so sinnigen Songs wie „Say Captain, Say Wot“ hüpfen lässt.

Jetzt war es eben wieder einmal so weit, und es ging in eine Bar, in der die verschiedensten Menschen meiner Altersklasse wundervoll unharmonisch in den Liedern ihrer – und jaja, auch meiner – Jugendzeit versunken waren. Da tanzte, hüpfte, kreiste und freute es sich unterhalb einer historischen Kuppel mit riesigen Kronleuchtern, umrankt von Textiltapeten und Samtvorhängen. Ein 70-jähriger Mann mit Anzughose und Gilet schwingt seinen Popo zu „Where the Streets Have No Name“, ein Pärchen um die Fünfzig knutscht passend zu „Kiss“, und drei Freundinnen springen im Takt zu „99 Luftballons“. Mittendrin, wie eh und je, dieser eine Typ, der in großer Verzweiflung und mit unangenehmer Hartnäckigkeit alles, was Frau ist, antanzt und anredet, um diesen Abend vielleicht doch nicht alleine nach Hause zu gehen. Dass genau diese lästige Art aber gerade eben dazu führen wird, dass auch heute daraus nix wird, mag er nicht wahrnehmen. Dafür findet der ruhige, witzige Mann an der Bar mit dem schönen Lächeln heute sein Herzstück; zumindest hat er soeben zwei Aperol Spritz bestellt, statt einem. Alles wie immer, alles wie früher – nur mit ein, zwei Lebensfalten mehr und der Gefahr des Hüftschmerzes am Folgetag des Tanzausflugs in die 90er-Jahre.

Ich lasse meine Sneakers über den Marmorboden zu dem nächsten Hip-Hop-Lied fegen und freue mich, dass mein 20-jähriges Ich noch immer bei mir ist. Genauso wie bei all den Menschen rund um mich herum. Älterwerden ist eine grandiose Kombination aus all den wunderschönen Selbst, die sich in unseren Herzen zu der Person verbunden haben, die wir heute sind. Manchmal braucht aber eines von ihnen den Freiraum, ausbrechen zu dürfen. Dann heißt es: Ab auf die Tanzfläche! Viel Spaß!

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.