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Chaotische Buchhaltung – eine Parabel

15.03.2025 • 17:00 Uhr
Neue Kopfkino Salmhofer Kolumne

Chaotismus begleitet mich, seit ich denken kann. Sämtliche Versuche, in meinem Leben eine Art Struktur zu kultivieren, blieben in der süßen Klebrigkeit des hehren Wunsches picken und somit erfolglos.

Ich komme damit gut zurecht. Nun lebe ich aber nicht auf einer einsamen Insel, auf der ich mein Chaos ohne Auswirkungen auf andere zelebrieren kann, sondern halt unter Menschen. Ich arbeite auch mit ihnen und bin Teil einer Gesellschaft, die gewisse Regeln hat und von mir ein Mindestmaß an Strukturiertheit verlangt – sei es bei Arbeitsprozessen oder der Bekanntgabe meiner Einkünfte und Ausgaben beim – ahhhhhh – Finanzamt – sprich, vorweg bei meinem Steuerberater.

Abgesehen davon, dass ich das Belege-Sortieren und Excel-Listen-Tippen hinauszögere bis zum St. Nimmerleinstag, ist es auch eine wunderbare Parabel für meine Existenz auf Erden. Einmal im Jahr zumindest für ein bisserl Ordnung zu sorgen. Wobei ich sagen muss, ich kenne mich extrem gut aus mit meinem – für andere kaum nachvollziehbaren – buchhalterischen „Ordnungssystem“. Tankbelege werden mehr oder weniger sorgsam im Fach der Fahrertüre gesammelt. Ein Jahr lang! Alles andere würde mich durcheinanderbringen. Telefon- und Internetrechnungen bleiben als ungelesen im Mailordner und werden auf keinen Fall sofort ausgedruckt oder gescannt. Das wäre komisch. Belege von Onlinekäufen verbleiben online, nur damit ich beim Sammeln meiner Ausgaben mein Gehirn trainieren kann. Sämtliche angelegte Passwörter für diverse Einmal-Käufe muss ich mir angestrengt in Erinnerung rufen. Dennoch schaffe ich es jedes Mal, eine ordentliche Mappe mit einer durchdachten Liste aller Einnahmen und Ausgaben samt Belegnummer zu gestalten. Und es sei gesagt, im Durchschnitt gehen mir nur drei bis vier Belege verloren! Ich halte das (mein Steuerberater möge mich verbessern, falls nicht) für einen durchaus akzeptablen Outcome.

Es stimmt, ohne mein Chaos wäre ich vielleicht effizienter, schneller und fokussierter, aber ich hätte wesentlich weniger Geschichten zu erzählen.

Aber dennoch gebe ich zu: Auch ich brauche hin und wieder ein Mindestmaß an Struktur, um mir in meiner Verträumtheit nicht selbst ein Bein zu stellen. Es ist die feine Balance zwischen Unordnung und System, zwischen Spontaneität und Verlässlichkeit, die das Leben  spannend macht.

Und genau deshalb überreiche ich meinem Steuerberater Jahr für Jahr eine wohlgeordnete Mappe – und freue mich auf ein weiteres Jahr kreatives Chaos. Jipiiiiii.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.