Die ausgestreckte Hand

Was Gesten mit der Politik zu tun haben könnten.
Von Lea Putz-Erath
neue-redaktion@neue.at
Seit zwei Wochen haben wir eine neue Bundesregierung. Erste Beschlüsse hat der Ministerrat bereits getroffen. Die neuen Verantwortlichen beginnen sich gemeinsam mit ihren Kabinetten, Stäben und der Verwaltung zu kalibrieren. Für eine Bilanz ist es viel zu früh. Ich lade Sie daher zu einem kurzen Blick auf ein Detail der letzten Monate ein: In den unterschiedlichen Phasen der Regierungsverhandlungen richteten sich die Parteichefs gerne über die Medien aus, dass ihre Hand ausgestreckt sei oder bleibe. Zunächst, und das ist wohl der ursprünglichste Gedanke der ausgestreckten Hand im deutschsprachigen Europa können wir die Hand zum Handschlag ausstrecken.
Wir begrüßen einander verbindlich per Handschlag. Dabei gehen wir üblicherweise einen Schritt auf unser Gegenüber zu. Der Handschlag stellt darüber hinaus ein Mittel dar, um Vereinbarungen zu besiegeln. Wer über „Handschlagqualität“ verfügt, ist eine verlässliche Gesprächspartnerin. Das Verhandeln eines Regierungsprogramms ist ein sehr komplexer Prozess. Wir sehen bereits in den ersten Tagen der Regierung, wo hinter den knapp formulierten Vorhaben klare Vereinbarungen stehen und wo es noch Auslegungsspielräume gibt.
Die ausgestreckte Hand sorgt zunächst auch für eine gesunde Distanz. Ich kann damit meine Grenze markieren. Näher, als bis zu meiner Hand kommt mir mein Gegenüber nicht. Vom Handschlag bis zur Umarmung ist je nach Wohlbefinden, Vertrauen und Situation alles möglich. Die Regierungsparteien legen Wert darauf, dass ihr gemeinsames Programm erkennbare Ziele und Positionen der unterschiedlichen politischen Schwerpunkte umfasst. Damit bleiben die Parteien distanziert, aber dennoch im gleichen Boot unterwegs. Eine offene, ausgestreckte Hand ist in vielen Kulturen das Zeichen des Bittens oder des Empfangens einer Gabe. Die Fähigkeit gegenseitig zu Bitten und zu Geben wäre theoretisch auch im politischen Feld vermutlich die beste Voraussetzung für eine langfristige nachhaltige Ausrichtung und einen Ausgleich der Interessen. Eine romantische Vorstellung, ich weiß. Vielleicht wird eher die flache Hand für ein Stopp eingesetzt werden? Lea Putz-Erath ist Geschäftsführerin des Fraueninformationszentrums femail. Sie studierte Tourismusmanagement und Soziale Arbeit. Promotion in Erziehungswissenschaften. neue-redaktion@neue.at