Ein profanes Thema – Die Fingernägel

In Zeiten des weltweit andauernden Wahnsinns scheint es mir fast zu kleinlich, mich textlich mit meinen Fingernägeln zu befassen. Aber es ist, wie es ist – auch wenn Trump Zölle erhöht und andere eher verhaltensauffällige politische Dinge in unserem Dunstkreis passieren, meine Fingernägel bleiben immer die gleichen.
Es ändert sich nichts an ihnen, auch wenn weltweit zornig „gewirtschaftet“ wird, sie wachsen und verlangen nach Pflege, ziemlich unbeeindruckt vom Weltgeschehen.
Also gut: Täglich feile und male ich, versuche, sie in einer annehmbaren Länge zu halten und sie gestalterisch gesellschaftstauglich zu machen. Rund um mich herum sind frauliche wie männliche Vorbilder, die gepflegt und gestriegelt immer aussehen, als ob sie eben frisch von der Maniküre kommen und ihr Geld als Handmodels verdienen.
Da ich es mir weder zeitlich noch finanziell leisten kann, mich wöchentlich von anderen feilen und lackieren zu lassen, versuche ich mich selbst in der bildnerischen Gestaltung meiner Nägel. In der ersten halben Stunde nach dem Tun stehen sie einem Besuch bei einem Nagelstudio um nichts nach. Nach einer Dreiviertelstunde sehen sie aber aus, als hätte ich einen Betonziegel mit bloßen Händen zu einer Mauer gestapelt. Der Lack ist ab, ein Nagel gebrochen und der Glanz hat sich klammheimlich verabschiedet.
Ernsthaft, was mache ich falsch? Bewege ich mich zu viel? Sollte ich die ersten Stunden nach der Selbstmaniküre mein Dasein lediglich auf Einatmen und Ausatmen reduzieren? Irgendwie erscheint mir das nicht zielführend. Also lackiere ich über die Schwachstellen drüber und erfreue mich eine weitere halbe Stunde an meinem schönen Nagelwerk.
So geht das, Tag für Tag, bis es mir zu doof wird – die Schere wird geholt und zack: Ein verkorkstes Kunstwerk nach dem anderen muss dran glauben. Kurz und unkompliziert soll es sein. Bevor ich meine Nerven wegschmeiße. Ahhh!
Und während irgendwo auf der Welt wieder ein Handelsabkommen platzt, sich Staatschefs gegenseitig die Frisuren kritisieren und die globale Lage schwankt wie mein Zeigefingernagel nach dem dritten Kaffee, sitze ich hier und schneide, feile, lackiere. Nicht, weil es Sinn ergibt oder gar die Welt verändert. Sondern, weil es eine meiner letzten Bastionen gegen das völlige Chaos ist.
Vielleicht ist das ja der wahre Zustand der Menschheit: Wir alle pinseln mit zittriger Hand ein bisschen Farbe über die Risse, machen gute Miene zum abblätternden Spiel und hoffen, dass bis zum Abendessen alles hält. Und wenn nicht – na gut, dann eben Schere. Neues Spiel, neues Glück. Weltgeschehen im Kleinen, sozusagen.
