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Aufschieberitis hat die Farbe Rot

08.06.2025 • 14:00 Uhr
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Meine Zeit für Alltägliches ist mitunter sehr knapp bemessen. Aufgrund meiner – sagen wir einmal – liebevoll chaotischen Gedankenstruktur (ich benötige diese Wortwahl für mein Ego, man möge mir verzeihen), ist es eine Herausforderung, in diesem kleinen Zeitfenster meine Hausarbeitsaufgaben strukturiert unterzubringen, geschweige denn zu finalisieren. Letzteres gelingt übrigens in den seltensten aller Fälle.

Von Heidi Salmhofer
neue-redaktion@neue.at

Dafür müsste ich mir wahrscheinlich einen minutiösen Zeitplan in einer Excel-Tabelle erstellen und diesen an den Kühlschrank pinnen – oder besser noch: mit meiner interaktiven Hausfreundin verbinden. Die könnte mir dann zuraunen: „Du hast noch 3 Minuten und 24 Sekunden, um das Badezimmer fertig zu putzen. Gehe im Anschluss zum WC und beginne dort mit deinem Reinigungsvorhaben. Dafür stehen dir 15 Minuten und 30 Sekunden zur Verfügung.“ Noch wehre ich mich dagegen. Standhaft. Mein Kopf muss im Training bleiben und derartige Extremsituationen eigenständig meistern.

Wenn ich dann tatsächlich alles geschafft habe, was ich mir vorgenommen habe, kann es schon mal vorkommen, dass ich mir gorillamäßig auf die Brust trommle und brülle: „Ich habe sauber gemacht!“ Die Freude darüber währt jedoch nur kurz – denn kaum bin ich mit dem letzten Zimmer fertig, haben die Teens das Bad schon wieder „verhaart“ und den Wäschekorb befüllt.

Wenn dann – neben all dem alltäglichen Norm-Haushalt – plötzlich eine Küchenschranktür locker wird, eine Steckdose sich löst oder ein Badezimmerkästchen zerbricht (weil es von Teengirl als Körpervergrößerungsbehelf benutzt wurde, um an höhere Regale zu gelangen – sie hatte schlichtweg vergessen, dass sich ihr Körpergewicht seit dem fünften Lebensjahr etwas verändert hat), wird es richtig schwierig.

Dann nämlich beginnt mein Gehirn mit einer Art Haushalts-Triage und klebt gedanklich auf jeden Arbeitsprozess ein farbiges Post-it: Grün für „nicht lebensnotwendig“, Gelb für „spätestens zu erledigen, wenn Besuch kommt“, und Rot für „jetzt! Sofort! Bevor sich Subuniversen bilden“. So wird dann abgearbeitet.

Allerdings bekommen die Kästchen immer einen grünen Zettel verpasst. Mein Vorzimmerschrank sitzt schon seit einem halben Jahr im Wartezimmer und harrt einer Reparatur. Jedes Mal, wenn ich ihn öffne und mir seine Tür auf die Zehen fällt, denke ich: Morgen! Morgen wird das erledigt – weil… das Badezimmer hat heute einen roten Zettel an der Tür kleben.

Tut mir leid, Flurschränkchen, Notfallpatienten werden vorgereiht.

Heidi Salmhofer Portrait Kopfkino
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.