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Von der Freude am Schönen und sich selbst

10.08.2025 • 15:00 Uhr
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Mein 16-jähriges Mädel ist sehr auf ihr Äußeres bedacht. Sie geht nicht außer Haus, ohne sich ihre langen Wimpern in Form gebogen zu haben und ihr ohnehin makelloses Gesicht noch mit etwas Farbe zu unterstreichen. Die Haare werden gestriegelt, gebügelt oder gelockt – je nach Lust und Laune – und die Klamotten nie zweimal hintereinander getragen (und täglich grüßt der Wäschekorb).

Von Heidi Salmhofer
neue-redaktion@neue.at

Eine ganz besondere Obsession sind ihre Fingernägel. Ein paar Mal im Jahr, vorzugsweise wenn keine Schule mit Turnunterricht oder anderen Notwendigkeiten, die Hände als solche auch zu benutzen ansteht, wird das Taschengeld zusammengekratzt und ein Besuch im Nagelstudio eingeplant.

Ich denke mir dann meist: Ich muss nicht alles verstehen – und womöglich ist das sogar die gescheitere Variante, als das Taschengeld in Schokolade oder gar heimlichen Alkoholkonsum zu investieren. Da bevorzuge ich dann doch die Fingernägel.

Jetzt sind Sommerferien – und der Hype um das perfekte Nagelwerk ist wieder voll im Gange. Dann zieren echte Kunstwerke ihre Fingerspitzen. Nur: Die Usability der Hände ist dann stark eingeschränkt. Das Zuknöpfen einer Hose wird zur Herausforderung, genauso wie das Anlegen von Ohrringen.

In solchen Momenten fühle ich mich zurückversetzt in die Zeit, als meine Mädels noch wutzig waren und zum Schuhe binden oder Jacke anziehen Mamas helfende Hand gebraucht haben. Ich werde fast ein bisschen sentimental, wenn meine Tochter dann hilfesuchend aus ihrem Zimmer kommt: „Mama, kannst du bitte…?“ Und ich stehe fingernagelschonend zur Seite.

Wenn dann aber doch mal ein Nagel abbricht, ist das ein echtes Drama. Also noch einmal eine Reise ins Studio für falsche Krallen – denn mit einem Zeigefinger ohne zwei Zentimeter Verlängerung kann man einfach nicht durch den Tag gehen.

Anfangs habe ich mich sehr dagegen gewehrt, ihr vorgerechnet, was sie sich alles hätte leisten können ohne diese Nagelstudiobesuche. Hat nicht gewirkt. Ihr vorgepredigt, dass äußere Schönheit nicht das Wichtigste ist. Hat auch nicht gewirkt – vielleicht auch deshalb, weil sie sowieso auch von innen sehr hübsch ist.

Dann habe ich nachgedacht und bin zu folgender Conclusio gekommen:
Es gibt so viele Möglichkeiten, sich selbst Freude zu bereiten.
Für die einen ist es eine lange, warme Dusche mit Wellnessfaktor.
Die anderen erfreuen sich an einer frisch lackierten Autokarosserie.
Und für mein Mädel sind es eben rosa, mit Blumen verzierte Fingernägel.
Warum nicht?

Heidi Salmhofer Portrait Kopfkino
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.