Das Glück des Miteinanders festhalten

Daniela Rusch fotografiert in der Natur oder bei ihren Kunden zu Hause.
Da steht Daniela Rusch im Höchster Ried, eine Kamera in der Hand. Am Himmel kreisen große Vögel, kleinere Gefiederte zwitschern von den Birken im Hintergrund. Links und rechts des Feldwegs wiegen sich Gräser, Sonnenflecken tüpfeln die Szenerie. Vor den Augen der Fotografin entstehen Familienbilder: Drei Kinder laufen den Feldweg entlang, der Fotografin spitzbübisch lachend davon. Die Eltern schauen sich über den Weg hinweg an, halten sich an den Händen, stolz. Der Vater sitzt mit seinem Sohn auf dem überwachsenen Weg, hält ihn auf dem Oberschenkel, beide lachen. Zwei Geschwister sitzen zwischen Grashalmen, herzen das Nesthäkchen in ihrer Mitte. Diese Bilder entstehen gleichzeitig auf dem Sensor der Kamera, die Fotografin wird am Ende zigfach das Glück vor der Kamera gebannt haben.
Keine Studio-Person
Es ist ein Glück, das da ist und das sie einfach festhält. Es ist aber auch ein Glück, das aus dem Moment heraus entsteht. Wenn Rusch hinter der Kamera breit lacht. Wenn der Wind im hohen Gras rauscht. Wenn die Sonne das anstrahlt, was allen hier wichtig ist: die eigene Familie. „Es gibt Familien, die lieber ins Fotostudio gehen. Aber ich und das Fotostudio, das funktioniert nicht gut. Besonders Kindern fällt ein ,braves‘ Stillhalten schwer. Das muss bei mir niemand, es ist mir zu unnatürlich. Ich habe auch mal im Porträtstudio gearbeitet. Da waren die Familien gestresst, und ich dachte mir: ,Das muss auch einfacher gehen.‘“
Heute, 20 Jahre später, fotografiert die 39-Jährige in der freien Natur. Vorzugsweise an den Lieblingsorten ihrer Kunden oder wahlweise auch an ihren eigenen. Zum Beispiel im Höchster Ried. Von März bis Juli dürfen hier die Bodenbrüter nicht gestört werden. Danach bittet Rusch die Abzulichtenden schon mal einen Schritt vom Weg weg ins Grüne. Dabei zaubert sie immer wieder Kleinigkeiten aus ihren Taschen – Seifenblasen, Luftballons, Fingerpuppen –, um die Kinder spielerisch mit der Situation vertraut zu machen. Doch ihre Erfahrung ist ohnehin: „Kinder fühlen sich in der Natur pudelwohl.“ Das ist dem Ergebnis des Shootings, den Bildern, anzusehen. Die Lieblingsorte der Familie sind überall da, wo ihre Mitglieder vor Ruschs Linse im Handumdrehen tiefenentspannt werden: auf der Sofalandschaft im eigenen Wohnzimmer. Im Garten hinterm Haus oder im Wald. „Auf diese Weise komme ich im ganzen Land umher, lerne tolle Plätze und tolle Leute kennen.“

Richtigen Moment ermöglichen
Hat die Familie ein Baby, bringt die 39-Jährige Körbe mit und ein, zwei handgehäkelte Decken, um das Kleine in Farbe zu wickeln. Aber sie schöpft auch aus dem, was ist: den Farben und Formen vor Ort, den Intermezzi zwischen den Familienmitgliedern, dem spontanen Purzelbaum des Dreijährigen im Elternbett. Fotografie bedeutet nicht nur Technik, Licht und im richtigen Moment am richtigen Fleck sein. Porträtfotografie, wie Rusch sie betreibt, bedeutet auch, den richtigen Moment ermöglichen. Durch die richtige Nähe und Distanz, durch die passenden Rahmenbedingungen, durch ein liebevolles Miteinander, durch ein ergebnisoffenes „Alles-für-möglich-Halten.“
Eine Stunde dauert ein gewöhnliches Shooting. Porträts von Einzelpersonen oder Familien oder auch Hochzeitspaaren entstehen häufig im sogenannten Goldenen Licht, also kurz nach Sonnenaufgang oder kurz vor Sonnenuntergang. Wer auf das Licht der Sonne angewiesen ist, muss ein Quäntchen Flexibilität mitbringen.
Natürlichkeit ist auch das Gebot der Stunde beim Nachbearbeiten der Bilder. Rusch retuschiert Krümel aus Kindermundwinkeln oder rote Flecken von den Wangen. Einmal musste sie sogar einem offensichtlich birkenallergiegeplagten kleinen Mädchen die tränenden Augen wegretuschieren. Das blieb aber zum Glück die Ausnahme.

Weg in die Selbstständigkeit
Gelernt hat die Unternehmerin ihr Handwerk vor 20 Jahren im Fotostudio Roth in Rankweil. Kurze Zeit arbeitete sie im Werbestudio. Dann bewarb sie sich als Fotografin eines Kreuzfahrtschiffs und fuhr vier Jahre mit unfassbar vielen verschiedenen Menschen an unfassbar viele Orte rund um die Welt. Begleitete fotografisch jeden Landgang, bevor es sie 2007 nach Vorarlberg zurückzog.
Die darauf folgende Kalkulation ergab: Die Fixkosten sollten möglichst gering sein. Der Blick in die fotografische Seele ergab: Es sollte möglichst einfach und natürlich sein. Also schied ein Fotostudio aus, und Rusch kam auf ihr heutiges Modell. Inzwischen wohnt sie mit ihrer Familie in Höchst und hat drei Kinder – da kommt die Flexibilität ihrer Selbstständigkeit wie gerufen.
Wovon Daniela Rusch träumt? „Ich würde gerne mal ein Bild von der Milchstraße machen, mit dem ich zufrieden bin.“ Während sie daran arbeitet, ihren Wunsch zu erfüllen, erfüllt sie den anderer: das eigene Glück und das Glück des Augenblicks zu bannen und für immer festzuhalten.
Weitere Infos unter:
www.epu.wko.at