Besser leben

Front für Tunnelbau: Bahn unten – Leben oben!

09.10.2024 • 06:00 Uhr
ÖBB investiert in Bahninfrastruktur
In Lochau stellte sich die Politik den Fragen des Publikums. Einigkeit herrschte bei allen, wenn es um die Frage ging, ob die Gleise unterirdisch verlaufen sollen. Die Durchführbarkeit bleibt aber weiterhin visionär. Mittelberger/ÖBB Skyview

Podiumsdiskussion mit Vertretern aus der Politik zum unterirdischen Bahnausbau im Großraum Bregenz im Lochauer Mehrzwecksaal.

Von Kurt Bereuter

Von einer (ur)enkelfitten Vision zu einem mittelfristigen Plan B spannte sich der Bogen gestern Abend bei einer Podiumsdiskussion mit den Vertretern der im Landtag vertretenen Parteien. Gestartet wurde der Abend mit einer Animation, wie es wäre, wenn die Bahn von Wolfurt bis Lochau zur Leiblach unterirdisch fah–ren würde. Dass das zumindest teilweise machbar ist, wurde von Referenten der Stadt Zürich präsentiert: „Wie unterirdische ­Mobilität gelingen kann“ am Beispiel Zürich – als ­Blaupause für den Großraum Bregenz?

Streitobjekt “Bregenz-Hafen”

Es kamen zur Podiumsdiskussion alle Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien zur Diskussion nach Lochau und stellten sich den über 300 Besuchern, bis auf den Landeshauptmann. Der ließ sich vom Verkehrssprecher der ÖVP, Patrick Wiedl, vertreten, der dann auch seine eingeschränkte Kompetenz gleich zu Beginn der Diskussion festhielt: Er sei weder Landeshauptmann noch Klubobmann, der saß nämlich fußfrei in der ersten Reihe. Als sich dieser für den Ausbau der Haltestelle „Bregenz-Hafen“ stark machte, erntete er Missfallen im Publikum. Zu groß sei die Gefahr, dass dieser Ausbau „der Anfang vom Übel sei“, bemerkte Bertram Grass aus dem Publikum und bekam viel Applaus. Vor allem die Opposition tat sich dafür leicht, für eine Vision einzustehen, „gegen die es keine vernünftigen Argumente“ gebe, wie Bitschi betonte.

Ausbau mit Fragezeichen

Dieser Bahnhof – er ist einer der zehn meist frequentierten in ganz Vorarlberg, wie Landesrat Zadra bemerkte – soll nämlich von den ÖBB unabhängig von einer weiteren Planung ausgebaut und verlängert werden, was nicht nur bestehende Flächen beanspruche, sondern auch einen ersten Schritt in Richtung eines weiteren oberirdischen Ausbaus bedeuten könne. Rechtsanwalt Bertram Grass warnte aus dem Publikum heraus vor einem geplanten Stadtvertretungsbeschluss am 17. Oktober 2024, in dem mit den ÖBB dieser Ausbau beschlossen werden soll.

Klang die Nachfrage der Moderatorin Raphaela Stefandl an die Parteienvertreter, ob nur die neuen Gleise unter den Boden sollen oder alle, zuerst überflüssig, verwiesen sowohl Wiedl als auch Bitschi auf den einstimmigen Beschluss, dass es in diesem tatsächlich nur um neue Gleise ging und nicht auch um die bestehenden. Ob das technisch überhaupt machbar ist, nicht nur aufgrund der Kosten – es wurde von zwei Milliarden gesprochen und einer Bauzeit von zehn Jahren, während der Bahnverkehr aufrechterhalten werden soll – quittierte Bitschi mit dem Hinweis, dass Politiker die technischen Lösungen den Experten überlassen sollten, und erntete Applaus. Dass solche unterirdischen Infrastrukturprojekte auch problematisch sein können, gerade angesichts des Klimawandels, wurde von Landesrat Zadra mit dem Hinweis auf die Tullnerfeld-Bahnstrecke, die wegen des letzten Hochwassers jetzt teilweise neu gebaut werden muss, erläutert. Das konnte die Befürworter einer unterirdischen Bahn nicht überzeugen. Aber, dass Lochau nicht zu einem „Rampendorf“ werden dürfe und für diese Lösung die „Zeche zahlen müsse“, dafür trete er ein und es werde eine andere Lösung geben müssen, was für Applaus sorgte.

Personen- und Güterverkehr

Längst sei der Güterbahnhof Wolfurt an seine Grenzen gestoßen und werde umgebaut und dann müsste dort eine zukunftsfähige Lösung für den Güterverkehr gefunden werden: Vielleicht durch den Pfänder eine dritte Röhre, was im Publikum für Begeisterung sorgte. Streckenführung, technische Machbarkeit und Kosten vorerst unbekannt.

Unterirdischer Bahnausbau

Alle wollen den weiteren Bahnausbau, alle wollen die Gleise unter dem Boden für mehr Lebensraum darüber und alle wollen diese Variante zumindest in die Sondierungsverhandlungen einer möglichen Koalition einbringen. Es wurde immer wieder betont, wie wichtig es sei, dass alle – Gemeinden und Land Vorarlberg – am selben Strick ziehen müssen, um bei den ÖBB Erfolg zu haben. Aus dem Publikum kam von einer jungen Frau die Frage, ob es im Falle einer gescheiterten Finanzierung auch Alternativen gäbe. Darüber müssen sich die Parteien wohl erst einig werden, ob es den Plan „B“ überhaupt geben soll. Wahlkampfzeiten sind wohl nicht der ideale Zeitpunkt, um zweitbeste Lösungen zu diskutieren. Das wird wohl harte Alltagspolitik des neu gewählten Landtages und der neuen Landesregierung bleiben. Einige, so Bürgermeister Matt, würden es wohl nicht mehr erleben, oder nur mit dem Rollator. Aber eine Vision darf generationenübergreifend gedacht werden, wie sie im letzten Bild visualisiert wurde. Einzig die vier Windräder am Pfänderrücken auf der Visualisierung wurden vom Publikum beeinsprucht.

„Der dreigleisige Ausbau der Bahn zwischen Wolfurt und Bregenz, und ein zweigleisiger Ausbau der Bahn von Bregenz in Richtung Lochau und der Schweiz wird kommen.“

Christoph Gasser-Mair, ÖBB

Und die ÖBB?

Auf alle Fälle soll laut ÖBB-Sprecher Christoph Gasser-Mair ein dreigleisiger Ausbau der Bahn zwischen Wolfurt und Bregenz, und ein zweigleisiger Ausbau der Bahn von Bregenz in Richtung Lochau und der Schweiz kommen. Damit soll dem zukünftigen Personen- und Güterverkehr die Schiene gelegt werden. Das ist nicht nur den bestehenden Kapazitäten geschuldet, sondern auch den Klimazielen auf nationaler und internationaler Ebene. Der Ausbau ist also unumstritten. Die ÖBB müssen hier aber mit dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, sowie dem Land Vorarlberg, den Nachbarländern und den Gemeinden eine Lösung finden, die dann im „Zielnetz 2040“ Eingang finden kann.

Start für Trassenentwicklung

Bereits für 2025 ist der Start für eine Trassenentwicklung vorgesehen, falls die strategische Verkehrsprüfung und die Alternativenprüfung bis dahin abgeschlossen sind. Die Entscheidung liege aber bei den politischen Akteuren: der Bundesregierung mit Noch-Ministerin Leonore Gewessler, dem Land Vorarlberg mit der neuen Landesregierung und den Gemeinden, deren Bürgermeister zumindest noch bis Frühjahr 2025 im Amt sind. Die Bahnhöfe Bregenz und Bregenz-Hafen befinden sich inzwischen in der Projektphase und es werde mit Hochdruck daran gearbeitet. Der Prozess zu einer ­Trassenführung der ÖBB im unteren Rheintal werde Mitte nächsten Jahres gestartet und in Einklang mit allen Beteiligten gestaltet. Dass es hier auch einen Einklang geben wird, schien bei der ­Diskussion gestern klar, ob das in Folge auch die konkreten Planungen hergeben, bleibt abzuwarten. Die Vision bleibt bestehen.

„Bregenz-Hafen: Die Gefahr ist groß, dass dieser Ausbau der Anfang allen Übels ist.“

Bertram Grass, Rechtsanwalt

Initiativen: Vereint im Kampf für eine Unterflur-Lösung

Die Initiative „Igub“ – Interessensgemeinschaft Unterirdische Bahntrasse Großraum Bregenz – mit der Stadt Bregenz und den Gemeinden Wolfurt, Lauterach, Lochau und Hörbranz, nützte zusammen mit der Regio Bodensee, der Stadt Bregenz sowie allen Gemeinden im Leiblachtal (Eichenberg, Hörbranz, Hohenweiler, Lochau und Möggers), Hofsteig (Bildstein, Buch, Hard, Lauterach, Schwarzach und Wolfurt sowie den Nachbargemeinden Kennelbach und Langen) als auch das Rheindelta mit den Gemeinden Fußach, Gaißau und Höchst den Wahlkampf für ihr Anliegen.

Sie alle wollen, genauso wie die Initiative „mehramsee“ mit Pius Schlachter an der Spitze, eine zukunftsfähige Bahninfrastruktur. „Aber die „muss im Einklang mit unserem Lebensraum stattfinden und darf nicht die Lebensqualität sowie die gesamte Stadt- und Gemeindeplanung beeinträchtigen. Einen oberirdischen Ausbau wird es daher mit den Gemeinden nicht geben“, sind sich der Lauteracher, der Lochauer und der Bregenzer Bürgermeister am Podium einig.