Besser leben

„Heute bin ich stolzer Papa eines Sohnes“

19.10.2024 • 12:00 Uhr
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Der Schicksalsschlag machte ihn zu einer anderen Person. Paulitsch (2)/scheidbach (3)/Sams

Bernhard Ölz war 47 Jahre alt, als eine schwere Hirnblutung ihn am 4. September 2017 aus dem Leben riss. Von einem auf den anderen Tag war nichts mehr, wie gewohnt. Anlässlich des Tomorrow Mind Festivals in Bregenz traf die NEUE ihn zum Gespräch.

Was wissen Sie von dem Tag, als es passierte, noch?

Bernhard Ölz: Es war ein ganz normaler Tag. Ich war morgens im Büro und mittags beim Sport. Während des Sports wurde mir plötzlich total schwindlig. Ich fragte meinen Freund, ob ich einen Schluck Wasser haben könnte, da mit meinem Kreislauf etwas nicht in Ordnung sei. Das war die erste Fehldiagnose.
Ich stellte relativ schnell fest, dass meine linke Seite komplett gelähmt war. Ich schaffte es noch bis zur Rezeption des Fitnessstudios und bat darum, die Rettung zu rufen. Ich kam nach Feldkirch und wurde in die Röhre geschoben. Die Ärztin hat dann gesagt: “Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Sie haben keinen Gehirntumor. Sie haben eine Hirnblutung. Sie werden sehr lange hierbleiben.”

Zur Person

Bernhard Ölz: Bernhard Ölz gehört zur dritten Generation der Eigentümerfamilie des bekannten österreichischen Unternehmens Ölz der Meisterbäcker. Er war viele Jahre als Geschäftsführer tätig, zog sich aber 2024 mit seinem Bruder Florian aus der aktiven Geschäftsführung zurück.

Interview Bernhard Ölz
Bernhard Ölz spicht heute mit einer neuen Sicht auf die Dinge über seinen Schicksalsschlag.

Wie hat der Schicksalsschlag Ihre mentale Gesundheit beeinflusst?

Ölz: Darüber habe ich selbst noch gar nie wirklich nachgedacht. Retroperspektivisch betrachtet würde ich sagen, dass sie heute besser geworden ist als vor dem Schicksalsschlag. Meine Krise war ein Wendepunkt, ich musste mich komplett neu sortieren. Sogar im Haushalt. Früher habe ich total gerne gekocht, heute koche ich mit meiner Partnerin zusammen. Früher war ich der Koch.
Wenn du es schaffst, dich in deinem neuen Leben wiederzufinden, dann hast du es so weit geschafft, dass du glücklicher bist als zuvor. Aber während der Krise hatte ich eine post-suizidale Phase. Diesen Zustand gilt es dann erst einmal zu bewältigen. Irgendwann habe ich festgestellt, dass ein Suizid auch keine gute Lösung ist. Dann stellt sich die Frage: Wie komme ich hier raus?

Interview Bernhard Ölz
Die NEUE traf Bernhard Ölz zum Gespräch in Bregenz.

Sie sprechen davon, dass sich Ihr Leben grundsätzlich verändert hat. Zu welchem Zeitpunkt hat sich das zum ersten Mal bemerkbar gemacht?

Ölz: Als ich aus der Narkose aufgewacht bin. Meine Hirnblutung musste operativ gestoppt und ein Teil der Schädeldecke entfernt werden. Nach dem Aufwachen war mir klar: Jetzt wird alles ganz anders.
Die Phase der Reha war bestimmt sehr mühsam. Gab es kleine Siege, oder Meilensteine, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Ölz: Der erste Meilenstein war, als ich nach drei, vier Monaten das erste Mal mit dem Fuß gegen die Bettkante gedrückt habe. Das war der Moment, in dem ich festgestellt habe, ‚Ab jetzt liegt es an mir.‘
Bei so einem Vorfall braucht man zuerst einmal Glück. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, wie es funktioniert. Gehen ist anfangs wichtiger, als beide Hände zu haben.

Welches ist die größte Lehre, die Sie aus Ihrem Schicksalsschlag ziehen?

Ölz: Dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist. Das Leben ist trotz der Einschränkungen, die ich jetzt habe, extrem lebenswert.

Tomorrow Mind Festival im Festspielhaus
Auch auf der Bühne sprach Ölz über sein Leben.

Inwiefern?

Ölz: Beispielsweise beim Krebs ist es blöd, dass man sich aktiv auf das Ableben vorbereiten kann. Bei der Gehirnblutung hat man das Glück, dass man in eine Situation kommt, in der man keine Entscheidungsgewalt mehr hat. Die Stammganghirnblutung, die ich hatte, hat eine Todesrate von 75 Prozent. Ich habe das Riesen-Glück, dass ich das überlebt habe.
Ich konnte mich entscheiden: Sitze ich mit Selbstmitleid irgendwo herum, oder kämpfe ich dafür, wieder zurückzukommen? Natürlich ist das ein naiver Gedanke, sogar die Fachleute haben mir gesagt: „Das wird nichts mehr.“
Ich hatte keine Alternative, außer die Möglichkeit, es zu probieren. Ein bisschen Glück braucht man dazu, dann geht es vorwärts.

Wer sind für Sie die wichtigsten Personen im Leben?

Ölz: Grundsätzlich muss das jeder für sich selbst abschätzen können. Irgendwann muss man die Entscheidung treffen und jemandem vertrauen.
Die große Aufgabe ist es, die Menschen herauszufiltern, denen man vertrauen kann. Die Frage jemandem nicht zu vertrauen stellte sich mir gar nicht. Ich musste mich fragen, wer kennt mich und mein Lebenswerk am besten und wer geht den weiteren Weg mit mir? Für mich sind das meine Familie und die Geschäftsleitung von Ölz.

Tomorrow Mind Festival im Festspielhaus

Hatten Sie jemals Zweifel, auf dem richtigen Weg zu sein?

Ölz: Jeden Tag. Aber diese Zweifel kann dir niemand nehmen. Solang man Herr seiner Sinne ist, zweifelt man in solch einer Situation, wenn man so ausgeknockt ist, immer. Diese Zweifel gilt es auszuräumen.

Glauben Sie an das Schicksal?

Ölz: Ich glaube ganz fest daran, dass ich diese Aufgabe bekommen habe, weil das Medium, das mir dieses Schicksal zugefügt hat, mir zugetraut hat, dass ich es bewältigen kann.

Wenn Sie mit Ihrem jetzigen Erfahrungswert ihrem Ich am Anfang der Rehabilitation einen Rat geben könnten, welcher wäre das?

Ölz: Never give up. Was ich vielleicht tun würde, die Betonung liegt auf vielleicht, ich würde mir mehr Zeit im Heilungsprozess geben.
Ich würde versuchen, verstehen zu lernen, nichts zu überstürzen. Das würde ich aber natürlich nur tun, wenn ich danach ein neues Wissen hätte.

Tomorrow Mind Festival im Festspielhaus
Alle im Saal lauschten gespannt dem Vortrag von Bernhard Ölz.

Der Begriff Resilienz wird oft als Fähigkeit beschrieben, sich von Rückschlägen zu erholen. Was bedeutet er für Sie?

Ölz: Die Resilienz besteht aus ganz vielen Teilfaktoren. Der Glaube an sich selbst ist auch ein Stück weit eine Liebe zu sich selbst. Der wichtigste Faktor ist das Vertrauen in den Prozess.
Ich hatte wahnsinnig viele Rückschläge, aber trotzdem dachte ich mir: Ich schaffe das. Ich betrachte dieses Thema immer wie wunderbares Brot, das ganz viele Zutaten hat. Mehl und Wasser alleine ist es nicht.

Tomorrow Mind Festival im Festspielhaus

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen in Krisensituationen geben?

Ölz: Wenn du nicht mehr weiterweißt, vertraue darauf, dass es jemanden gibt, der dir helfen kann.

Was war der schönste Moment Ihres Lebens?

Ölz: Ich glaube, diesen einen schönsten Moment gibt es nicht.
Allerdings bin ich heute stolzer Papa eines Sohnes. Dass ich das sein darf, ist für mich eine Erfüllung. Aber auch das Kennenlernen meiner Partnerin Beatrix zählt zu diesen Momenten dazu.