Euro-Stars

Der Überflieger

19.06.2024 • 14:29 Uhr
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Yann Sommer hält einen Elfmeter von Kylian Mbappe bei der Euro 2020. AP

Yann Sommer (35) gilt als hervorragender Torhüter, ist derzeit in bestechender Form. Der Überflieger aus der Schweiz war und ist für die „Nati“ extrem wichtig.

In die Riege der Stars der kommenden Europameisterschaft in Deutschland reiht sich nun erstmals ein Torhüter ein. Der Schweizer Yann Sommer besticht seit Jahren mit sehr guten Leistungen für die „Nati“, ist deren unumstrittene Nummer eins. Obwohl mit Dortmunds Gregor Kobel ein ebenbürtiger Ersatzmann bereitstünde. Was dem um neun Jahre jüngeren BVB-Schlussmann noch fehlt? Titel. Vielleicht ein Kriterium, warum der Schweizer Nationaltrainer Murat Yakin auf den erfahrenen Sommer setzt. Denn seit kurzem steht fest: Sein Stammgoalie hat in drei verschiedenen Ländern in Europa den Meistertitel mit seinem jeweiligen Team geholt. Zuletzt in Italien mit Inter Mailand. Manche Stimmen behaupten, Sommer habe 2023/24 seine beste Saison überhaupt gespielt.
Tatsächlich sprechen die nackten Zahlen für den 35-Jährigen. Nur 19 Gegentreffer musste er in der gesamten Saison hinnehmen, die Marke von zehn Spielen ohne Gegentor erreichte er bereits nach 15 Spielen. Zum Vergleich: Italiens Torhüterlegende Gigi Buffon benötigte dafür 22 Partien. Rekord in der Premierensaison aufgestellt, ein Start nach Maß.

Der Start in Yann Sommers Karriere verlief ähnlich erfolgreich als das vergangene Jahr. Nachdem er mit neun Jahren vom Ortsverein FC Herrliberg zu Concordia Basel übergetreten war, wechselte er im Jahr 2003 innerhalb der Stadtgrenze zum Großklub FC Basel. Dort erhielt er zwei Jahre später, mit 18 Jahren, seinen ersten Profivertrag. Als Stammgoalie der U21 wurde er ein Jahr später zur Saison 2006/07 in die erste Mannschaft übernommen, musste sich aber mit der Rolle als Nummer drei in der Torwarthierarchie begnügen. Um Spielpraxis zu sammeln, folgte Leihe Nummer eins: Liechtenstein, FC Vaduz. Mit dem Zweitligisten gewann der junge Torhüter in seiner ersten Saison den Cup im Fürstentum, in seiner zweiten Saison wurde er Meister. Danach wurde Sommer zum FC Basel zurückbeordert, da sich Stammkraft Franco Costanzo verletzt hatte. In sechs Spielen mit Sommer im Tor gewann Basel viermal in Folge. Constanzo kehrte zurück, Yann Sommer musste auf die Ersatzbank.

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Yann Sommer nach dem Gewinn der “Suppercoppa Italiana”. Reuters

Leihe Nummer zwei: Grasshopper Club Zürich, Saison 2009/10. In der einwohnerreichsten Stadt der Schweiz lief es für den 20-Jährigen nach schleppendem Start ebenfalls nach Wunsch. Am Ende bekleideten die Zürcher Platz drei in der Tabelle. Das Besondere: Mit seinem Leihverein besiegte Yann Sommer den FC Basel während der Saison drei Mal in vier Partien. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Mit einem Fünfjahresvertrag ausgestattet kehrte der junge Torhüter zurück nach Basel, wo er in der Spielzeit 2011/12 schluss­endlich zum Stammtorhüter wurde. Der Rest ist Geschichte. Es folgten vier Meistertitel in Folge. In seiner letzten Saison schaffte es Basel unter großer Mithilfe von Sommer ins Viertelfinale der Europa League, wo man sich in der Verlängerung dem FC Valencia geschlagen geben musste. Zuvor blieb man fünf Partien in Folge ungeschlagen, kassierte nur ein Gegentor.

Der logische nächste Schritt

Die Leistungen des Basler Torhüters blieben natürlich nicht unbeachtet, und so unterschrieb Sommer einen Vertrag bei Borussia Mönchengladbach. Es ist hinlänglich bekannt, dass er den Fohlen über Jahre hinweg die Treue hielt. Neun um genau zu sein – ohne je einen Titel mit ihnen zu holen. Doch es wäre nicht Yann Sommer, hätte er nicht auch am Niederrhein Rekorde gebrochen. Einer davon: In seiner letzten Saison 2022/23 parierte er am vierten Spieltag 19 Torschüsse in einem Spiel. So viele wie noch kein Bundesligatorhüter zuvor. Der damalige Gegner? Der FC Bayern München. Der Verein, zu dem er im Januar 2023 wechseln sollte. Das Intermezzo an der Säbener Straße endete nach einer durchwachsenen Saison inklusive Meistertitel schon im August desselben Jahres. Nächste Station: Inter Mailand.

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Sommer im Elfmeterschießen gegen Atletico Madrid in der Champions League. Reuters

Der Rekordnationaltorhüter

Yann Sommer spielte in der Schweiz unter anderem für die U16-, U17- und U19-Nationalmannschaften. Sein erstes Länderspiel bestritt er am 26. August 2003. Mit der U21 gelang ihm sein bisher größter Erfolg als Nationalspieler. Bei der Europameisterschaft 2011 schaffte er es mit seinem Team als Kapitän bis ins Finale. Dort musste man sich den Spaniern mit 0:2 geschlagen geben.
Sein Debüt in der „Nati“ gab Sommer am 30. Mai 2012 bei einem Freundschaftsspiel gegen Rumänien. Seit dem Rücktritt der früheren Schweizer Nummer eins, Diego Benaglio, im Sommer 2014 ist der gebürtige Waadter Stammtorhüter. So stand er bei den Europameisterschaften 2016 und 2021 sowie den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 zwischen den Pfosten. Bis auf das Jahr 2022 wurde er jeweils zum Nationalspieler des Jahres gewählt. In seiner bisherigen Karriere strafte er seine Kritiker immer wieder Lügen. Viele hatten ihm aufgrund seiner Körpergröße von „nur“ 1,83 Meter eine ganz große Karriere nicht zugetraut. Zum Vergleich: Sein (höchstwahrscheinlich) designierter Nachfolger Gregor Kobel misst 1,96 Meter. Seine „Defizite“ macht Sommer mit seiner Reaktionsschnelligkeit und Sprungkraft wieder wett. Er soll sogar für seine Augenmuskeln ein Trainingsprogramm haben, um möglichst schnell reagieren zu können.

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Sommer ist nicht der Größte, was er aber mit Reaktionsschnelligkeit wett macht. AFP

In bestechender Form

Yann Sommer ist derzeit in bestechender Form, ist für die Schweizer Nationalmannschaft und Trainer Murat Yakin unverzichtbar. Er kann den Unterschied in einem Spiel ausmachen. Sollte die Schweiz die Gruppenphase überstehen und es weiterführend zu einem Elfmeterschießen kommen, ist Sommer eine wichtige Stütze. Er gilt als Elfmeterspezialist, hat schon viele Strafstöße entschärft. Wenn der Überflieger zum Sprung ansetzt, stimmt die Richtung in den meisten Fällen.

Yann Sommer

Geburtsdatum: 17. Dezember 1988
Nationalität: Schweiz
Position: Torwart
Verein: Inter Mailand
Marktwert: 5 Millionen Euro
Leistungsdaten Verein:
Super League : 163 Spiele, 174 Gegentore, 59 Spiele ohne Gegentor; Bundesliga: 291 Spiele, 398 Gegentore, 77 Spiele ohne Gegentor; Serie A: 34 Spiele, 19 Gegentore, 19 Spiele ohne Gegentor
Leistungsdaten Nationalteam:
88 Spiele, 87 Gegentore, 34 Spiele ohne Gegentor
EM-Historie: 2016 (Achtelfinale), 2021 (Viertelfinale)
Größte Erfolge: Schweizer Meister (2011, 2012, 2013, 2014); Deutscher Meister (2023); Ital. Meister (2024)