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Sommersonnwende: Eine Feier der Wärme und des Lichts?

23.06.2024 • 16:02 Uhr
Feature. Gestern wurde ein Sonnwendfeuer auf dem Diedamskopf in Schoppernau entzündet. Viele nutzten die Gelegenheit, um auch noch den herrlichen Sonnenuntergang im Gebirge zu erleben.
Ein Sonnwendfeuer am Diedamskopf über Schoppernau – in einer etwas klareren längsten Nacht des Jahres. Ludwig Berchtold

Zur Zeit der Sommersonnwende werden auch heuer wieder zahlreiche Feuer auf den Bergkämmen Vorarlbergs zu sehen sein. Doch woher kommt dieser Brauch eigentlich?

Am 20. Juni um 22:50 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit hat auf der Nordhalbkugel der Sommer begonnen. Die kürzeste Nacht des Jahres wird in Vorarlberg traditionell mit zahlreichen Sonnwendfeuern erhellt. In diesem Jahr finden die Feiern über das gesamte Wochenende verteilt statt, wohl weil die Sonnwende auf einen Wochentag fällt. Oft wird der Feuerbrauch im Privaten hochgehalten, es finden sich aber auch Veranstaltungen analog zum Funken – begleitet von Musik, Speis und Trank. Die Feuer werden gerne an Berghängen und auf Bergspitzen entzündet, damit diese auch weithin zu sehen sind. Natürlich, sofern das Wetter mitspielt.

Gesang und Feuerkunst

Mit dieser Variable hatte der Alberschwender Frauenchor CHÖRIG gerechnet. Am Samstag, dem 22. Juni lädt dieser zum ersten Mal zur Konzertveranstaltung “Klangfeuer” ein. Die Sängerinnen wollen mit modernen und traditionellen Liedern über Sonne, Mond und das Feuer den längsten Tag des Jahres feiern und mit ihrer Musik die Nacht zu erhellen. Ursprünglich geplant war, mit dem Licht einer Feuershow der Künstlerin Mancucéla nachzuhelfen. Der Auftritt wird nun aber aufgrund des unsicheren Wetters in den Hermann-Gmeiner-Saal verlegt.

Auf die Feuershow wird nicht verzichtet – diese werde schlicht indoor-tauglich abgewandelt, so CHÖRIG-Obfrau Stefanie Rinnhofer-Hopfner. Die 33-Jährige erzählt der NEUE Vorarlberger Tageszeitung, dass “Klangfeuer” ein Fest der Freude über die längsten Tage des Jahres darstellen soll. Es wird das Licht, das Leben und die Wärme gefeiert. Außerdem assoziiert die Alberschwenderin das Rinnhofer-Hopfner von Bedeutung, da sie während des Studiums ihr ERASMUS-Semester in Schweden verbracht hat. Selbst ein Sonnwendfeuer gemacht hat sie aber noch nie – “ich fand es aber immer schön, die Feuer am Berg zu sehen”.

Sonnenkräuter

Einer anderen Gewohnheit zur Sonnwende geht Stefanie Rinnhofer-Hopfner aber schon länger aktiv nach: dem Sammeln von “Sonnenkräutern”. Die sogenannten Sonnenkräuter sind Pflanzen, die an den Tagen rund um die Sonnwende gesammelt werden. Hauptsächlich gelb blühend, wie etwa das Johanniskraut, sind diese häufig stimmungsaufhellend. Generell werde den Kräutern, wenn sie zu dieser Jahreszeit gesammelt würden, besondere Wirksamkeit zugesprochen. Damit knüpft die CHÖRIG-Obfrau an die Ursprünge des Sonnwendfestes und des damit einhergehenden Feuerbrauchs an. Das Schauspiel am Berg, das auch Menschen in den Tälern fasziniert, beruft sich ja gerne auf seine vermeintlich uralten, heidnischen und gar mythischen Wurzeln. Doch was hat es mit diesen auf sich?

WG: Bilder Könniginnenbalsam
Johanniskraut und Co. werden am besten zur Zeit der Sommersonnwende gesammelt.NEUE

Die Kelten und das Licht

Zu Beginn unserer Zeitrechnung feierte das in Mitteleuropa ansässige Volk der Kelten zur Sonnwende das Litha-Fest. Dabei wurde der Sonne, dem Licht und dem Feuer gehuldigt, aber auch allem, was die längsten Tage des Jahres mit sich bringen. Dazu gehört das intensive Wachstum von Kräutern und Pflanzen, wie das der Rosen und des Holunders, die jetzt in voller Blüte ihren Duft verströmen. Das ist dem noch frühsommerlichen Wetter und der intensiven Sonneneinstrahlung geschuldet.

Nicht nur die Pflanzen würden zum Litha-Fest ihr volles Potenzial entfalten, wie Stefanie Rinnhofer-Hopfner bereits erklärt hat, auch den Menschen täten die langen Tage gut. Die Kelten glaubten sogar, dass diese zur Sommersonnwende ihre Talente und Gaben vollends entfalten könnten und diese deshalb für das Gute zur Verfügung stellen sollten.

Ein Johannisfeuer zur Sommerweihnacht

Mit der Christianisierung Europas wurde das heidnische Sonnwendfest erst bekämpft und schließlich im Zuge des Johannistages in den christlichen Jahreskreis aufgenommen. So konnte das Fest zum längsten Tag des Jahres weiterhin gefeiert werden. So wird der Johannistag am 24. Juni zu Ehren Johannes’ des Täufers begangen – also genau sechs Monate vor dem Weihnachtsfest am 25. Dezember. Im Mittelalter wurden die Johannisfeste sogar als “Sommerweihnacht” bezeichnet. Seit dem 14. Jahrhundert ist außerdem das Abbrennen des sogenannten Johannis- oder Würzfeuer ein häufig belegter Brauch in vielen Regionen Europas.

ABD0071_20160620 – ARCHIV – Besucher rennen am 23.06.2012 auf dem Mundenhof in Freiburg im Breisgau um das Sonnenwendfeuer. Foto: Patrick Seeger/dpa (zu dpa: ÇAm 21. Juni: MittsommernachtÈ vom 20.06.2016) +++(c) dpa – Bildfunk+++
Der Tanz um das Johannisfeuer. APA/DPA/Patrick Seeger

Auch einige Aberglauben haben sich bis heute gehalten: Wer über das Johannisfeuer springt, ist gereinigt und wird mit guter Gesundheit gesegnet. Das Feuer an sich galt als Symbol für die Sonne und somit für Christus – ein Verweis auf die keltischen Wurzeln des Festes.

Im Jahr 1765 wurde jedoch ein generelles Verbot von Johannis- und Sonnwendfeuern für einen Großteil des Habsburgerreich erlassen – wohl eine der zahlreichen Reformen des damaligen Kaisers Joseph II. Was Vorarlberg betrifft, gibt es zu dieser Zeit kaum Aufzeichnungen, was Feuerbräuche anlässlich der Sommersonnwende betreffen.

Völkische Umdeutung

Im Bregenzerwald galten Johannisfeuer jedoch als üblich und zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbreitete sich auch das Sonnwendfeuer in Vorarlberg. Deutschnationale Kreise verleibten sich den Brauch jedoch rasch ein: Die Feuerpraxis galt als Symbol “deutscher Gesinnung”. Die Nationalsozialisten brannten sogar Feuer in Form von Hakenkreuzen ab. Es wurde jedoch nie auf alte germanische oder keltische Wurzeln des Brauchs verwiesen. Da nationalsozialistische Praktiken jedoch zwischen 1934 und 1938 verboten waren, wurden das Sonnwend- oder Johannisfeuer lediglich austrofaschistisch umgedeutet.

Alpsegnung

Eine andere Art des Bergfeuers sind die sogenannten Alpfeuer. Es war üblich, diese nach der Auffahrt auf die Alpe zum Zweck der Alpsegnung abzubrennen. Die Segnung hatte bis ins 20. Jahrhundert hinein einen hohen Stellenwert und das Alpfeuer somit Priorität. Auch aufgrund des Umstandes der Brennholzbeschaffung. Für das Alpfeuer war das Alppersonal zuständig. Für Sonnwend- und Johannisfeuer gab es diese Zuständigkeiten nicht und es mussten Leute gefunden werden, die das Brennholz sowohl zur Verfügung stellten, als auch den Berg hinauf trugen. Dieses Problem wurde vom Umstand getragen, dass in den Sommermonaten des frühen 20. Jahrhunderts ein großer Teil der Bevölkerung als Saisonarbeitskräfte im Ausland angestellt war.

Ein Fest auf dem Berg

Nach dem Zweiten Weltkrieg soll es vorerst keine Sonnwendfeuer mehr gegeben haben. In den 1960er-Jahren wurde der Brauch wieder vereinzelt abgehalten, war nun aber im Sinne des Johannisfeuer, stärker religiös konnotiert. Der Brauch wurde aber schließlich von zahlreichen Privatpersonen und Vereinen wiederbelebt. Mittlerweile hat sich die “Bergsonnwend”, besonders in touristisch geprägten Regionen, auch kommerziell verfestigt. Gleichwohl sind Bräuche, egal wie alt und mythologisch verwurzelt diese sein mögen oder auch nicht, Spiegel dessen, was die Teilnehmenden in der Gegenwart bewegt. Ob das nun gemeinsame Zeit, ein Ritual zum Sommeranfang, oder das Erlebnis einer vom Sonnwendfeuer erleuchteten Nacht ist – sofern der Regen kurz Pause macht.