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Mein Körper, mein Territorium: Wie indigene Frauen kämpfen

08.03.2023 • 14:17 Uhr
Mein Körper, mein Territorium: Wie indigene Frauen kämpfen
(c) AP (Rodrigo Abd)

Indigene Frauen im Kampf gegen Raubbau-Kapitalismus wappnen sich mit Schwesternschaft und alternativen Führungsmethoden.

Als ich ein fünfjähriges Mädchen war, fand mich meine Großmutter mit dem Ohr am Küchenboden klebend: “Pass auf, du wirst die Geister der Guaca (in der Kultur der Anden die Bezeichnung für “lokale Gottheit”, Anmerkung) hören und sie werden dich in die Tiefe der Erde ziehen”, warf sie mir vor. Das war ihre Art, mich davon abzuhalten, am Boden zu kriechen und mich schmutzig zu machen. Es hat mir große Angst gemacht. Ich hielt dann mein Ohr an den Boden, um dem Klang der Erde zu lauschen, dieser Pachamama (Deutsch: “Mutter Erde”), von der Großmutter sprach.

Mein Körper, mein Territorium: Wie indigene Frauen kämpfen
Sonstiges

"Global Female Future"

Dieser Text stammt aus dem Buch “Global Female Future”, herausgegeben von Andrea Ernst, Ulrike Lunacek, Gerda Neyer, Rosa Zechner und Andreea Zelinka. Das Buch versammelt feministische Stimmen aus der ganzen Welt im Kampf um Gerechtigkeit. Zechner und Lunacek diskutieren heute um 19 Uhr im Weltladen Graz.

Tiefgreifendes Umdenken ist notwendig

Obwohl ich selbst eine Städterin aus Lima, Mestizin und Asthmatikerin bin, lebt der einzigartige und mystische Sinn, den wir Lateinamerikanerinnen für unsere Erde haben, in mir auf eine angestammte Weise weiter. Es ist eine Empfindung, die wir vor der Vernunft verbergen und in der Erinnerung bewahren. Schon seit Langem erfordern die interkulturellen Beziehungen zwischen der urbanen Welt und den Amazonas- und Andenvölkern in Peru ein tiefgreifendes Umdenken: Wenn wir von den “Wesen der Natur” sprechen, dann tun wir dies von einer anderen ontologischen Grundlage aus als in der westlichen Welt. Das ist der radikale Unterschied der Erwartungen an “Entwicklung” – mit allen dazugehörigen Adjektiven – zwischen der ländlichen Bevölkerung und großen Bergbauprojekten, Banken, Beamten, Bergleuten und politischen Eliten. Es sind die indigenen Frauen, die dies am deutlichsten verstanden haben und die mit ihrem Körper für das kämpfen, woran sie glauben.

Rocío Silva Santisteban ist ehemaliges Mitglied des Kongresses der Republik Peru und Menschenrechtsaktivistin
Rocío Silva Santisteban ist ehemaliges Mitglied des Kongresses der Republik Peru und MenschenrechtsaktivistinSonstiges

Neue Bündnisse zwischen Frauen

Auch das Bündnis zwischen Frauen vom Land und jenen aus der Stadt ist eine wirksame Strategie, die allerdings zu wenig genutzt wird. Die Schwesternschaft, wie im Fall von Máxima Acuña de Chaupe und ihrer Anwältin Mirtha Vásquez, der späteren kurzzeitigen Parlamentspräsidentin und Premierministerin, stärkt sowohl rechtliche als auch symbolische Strategien und bekräftigt die Sichtbarkeit der Frauenkultur. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es notwendig ist, mit den Männern selbst über Machismo und das abhängige Patriarchat zu sprechen und hervorzuheben, dass die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen der gesamten Gemeinschaft zugutekommt. Je mehr Frauen sich frei und erfüllt und anerkannt fühlen und in Organisationen, Kommunen oder anderen regionalen Räumen mitwirken, desto besser wird es für die Gemeinschaft sein, insbesondere für die Kinder.

Wenn die Frauen ihr Potenzial leben können, wird es besser gelingen, die Ernährungssouveränität zu schützen und die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Die Anerkennung der Frauenkultur als Friedenskultur, als ein auf Fürsorge ausgerichtetes Leben, ist etwas, das wir als zivilisatorischen Paradigmenwechsel in Betracht ziehen müssen: Es ist ein konkretes Handeln, das wir Frauen uns – vereint und auf der ganzen Welt – auf unsere Fahnen schreiben müssen.