Hubert Lampert: Ein Künstlerleben

Hubert Lampert zeigt in der Villa Falkenhorst in Thüringen vier Werkreihen in der Austellung „Das letzte Mal“.
In der Villa Falkenhorst ist zurzeit das Künstlerleben von Hubert Lampert zu besichtigen. Ein Querschnitt von A-Z wird ergänzt durch ganz neue Arbeiten im Außenraum, die diese Ausstellung in der jüngeren Kunstgeschichte Vorarlbergs unvergesslich machen wird.
Am Zenit seines Schaffens
Unmöglich, eine so bilanzierende Schau in der Villa Falkenhorst zu besuchen, ohne an die letzte große Ausstellung von Herbert Albrecht hier im Jahr 2014 zu denken. Was damals für den großen alten Mann der Bildhauerkunst in Vorarlberg galt, dass er nämlich am Zenit seines Schaffens stand, das gilt heute für den Konzeptkünstler Hubert Lampert, der ebenfalls eine Schau zusammengestellt hat, die den heute 70-jährigen an einem Gipfelpunkt seines kreativen Schaffens zeigt.
Die Land-Art-Arbeit „Vestigia Petere“ führt ausgehend von einer permanenten Skulptur von Herbert Albrecht über den Rasen des Gartens bis zu einem Zaun. Tausend betongegossene Schuhsohlen führen den Weg der Tausenden Flüchtlinge vor – auf ihrem gefährlichen, wackeligen Weg ins Ungewisse, wenn sie sich zu uns Europa-Menschen aufmachen. Es könnte aber auch der Weg der blinden Massen gleichgeschalteter Durchschnittsmenschen sein, die an der Grenze des Gartens endet, während im davon abseits gelegenen Pavillon sich 23 kleine Jesus-Körper an der Decke im Raum zum Wind leicht drehen. 23 Metaphern für die vielen Tode, die jeder täglich sterben muss. Dieses Kunstwerk ist so unaufdringlich, dass es im Park gesucht werden muss. Kein barocker Pomp mehr. Schlichte Konzeptkunst. Eine wunderbare Arbeit. Es zeigt den Blick des Künstlers für das Unscheinbare. Eine Haltung, die für das Lebenswerk von Hubert Lampert konstitutiv ist.

Kunst mit Vergangenheit
Hubert Lampert ist ein Künstler, dessen Werke oft eine lange Geschichte haben. Die Jesusfiguren gehen auf einen Umstand zurück, den Stephan Alfare, ein Lebensfreund von Hubert Lampert, vor Kunst mit Vergangenheit.Jahren als Lehrling der größten Buchhandelskette Vorarlbergs erlebte. Damals hatte er die Aufgabe, eben solche Korpusse, die Hubert Lampert für seine Installation verwendet hat, auf Holzkreuze zu nageln. Es handelte sich um billige Erstkommunionskreuze, die bis zu sechs Euro kosteten. Hubert Lampert hat dann später auf Secondhand-Märkten solche Kreuze erstanden und umgekehrt die Korpusse von ihren Kreuzen gelöst. Für ihn hat die Arbeit etwas Ambivalentes. Er schreibt: „Ich befreite die Figuren von ihren Hölzern und lasse sie nun als Freizeitaktivisten vom Himmel schweben.“ Ganz neu ist auch eine Linie, die sich im Kellergewölbe der Villa atemberaubend durch den Raum schwingt.
In einer Zeit, wo Kinder mit Behinderung noch weggesperrt wurden und Art Brut in Vorarlberg ein völlig unverständliches Fremdwort war, in den späten 1950er-Jahren und den 1960er- Jahren, verbrachte Hubert Lampert viel Zeit mit seiner autistischen und stummen Schwester Herma. Der junge Künstler entdeckte das große kreative Potentzial seiner Schwester, so sehr, dass er in der Widmung seines Buches „Nachmittage mit Herma“ schreiben konnte: „Für Herma, ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen.“ Auch heute noch ist er sich sicher, dass sein Weg als freier Künstler durch seine Schwester Herma erst möglich geworden ist.

Denken und Tun
Hubert Lampert hat nie den Umweg über eine Akademie gebraucht, deren Schulweisheiten jede Künstlerin und jeder Künstler als erstes wieder verlernen muss, um seinen Weg zu gehen. Als gelernter Werkzeugmacher und Autodidakt hat er seine Kunst immer zwischen den Polen Denken und Tun geschaffen. Die Ausstellung in Thüringen zeigt einen mustergültigen Querschnitt seines Schaffens. Angefangen von den Klangskulpturen über die vielgestaltigen konzeptionellen Werke bis hin zu ganz neuen Arbeiten, die die kulturelle Aneignung auf die Schippe nehmen. Hubert Lampert hat sich immer dafür interessiert, wie etwas funktioniert, warum die Widersprüchlichkeiten der Zeitgenossen Quelle des Humors sein können, wie geistige Konstellationen auf intellektuell höchstem Niveau anhand von Kunstwerken veranschaulicht werden können. Dabei ist er nie in eine der 18 Mausefallen getreten, die er in der Arbeit „Eine Künstlerin sucht den Volltrottel“ mit einem gefälschten Stück Gold als Speck aufgespannt hat.

Gier war ihm immer fremd. Auch wenn seine Arbeitsweise, ganz verschiedene Werkgruppen zu schaffen, für den Kunstmarkt nur bedingt interessant sein kann, ist er sich immer treu geblieben. Das letzte Mal eine konzeptionelle Ausstellung zu machen, ist Hubert Lampert angetreten. Diese Haltung zeugt von einer Weisheit, die in einer Zeit der gefakten Ewigkeitsfantasien, wie ein erratischer Block im digitalen Sog steht.
Wolfgang Ölz