Kultur

Mit Jean Sibelius ins 20. Jahrhundert

05.12.2023 • 23:00 Uhr
Symphonieorchester Vorarlberg im Festspielhaus Bregenz. <span class="copyright">Mathis Fotografie (2) </span>
Symphonieorchester Vorarlberg im Festspielhaus Bregenz. Mathis Fotografie (2)

Die französische Flötistin Joséphine Olech feierte am Wochenende ihr Debüt beim dritten Abokonzert des SOV in Bregenz.

Im jüngsten Abo-Konzert führte Dirigent Leo McFall sein Symphonieorchester Vorarlberg und das Publikum in unbekannte Gefilde, geografisch wie musikalisch: Das Eröffnungsstück des 85-jährigen Amerikaners William Bolcom wilderte fröhlich in der Musikgeschichte, mit dem Flötenkonzert von Carl Nielsen widmete sich die französische Solistin Joséphine Olech einem recht spröden Werk, und dass Leo McFall bei seinem Dirigierstudium in Finnland die Musik von Jean Sibelius in sich aufgesogen hat und vermitteln kann, zeigte er mit dessen dritter Symphonie.

Bregenz am 2.12.2023  SOV Symphnieorchester Vorarlberg, Konzert
Bregenz am 2.12.2023 SOV Symphnieorchester Vorarlberg, Konzert

Geistreich

„Commedia for (almost) 18th-century orchestra“ nennt William Balcon sein kurzweilig ironisches Stück, das in kleiner Besetzung, allerdings mit Orchesterklavier und allerlei solistischen Aufgaben mit Kadenzwendungen, Kantilenen, spieltechnischen Tricks, Zitaten und Aktionen spielt und einzelnen Orchestergruppen oder Soloinstrumenten Masken im Geist der italienischen Commedia dell’arte aufsetzt. Das SOV zeigte sich flexibel und geistreich, etwa in den zarten Ländlerfiguren von zwei Geigen und Cello, virtuos dreinfahrenden Horn- und Klarinettensoli, kollektivem Tumult und zuletzt einem verhuschenden Streichermotiv.

Zum relativ überschaubaren Repertoire an Flötenkonzerten hat der Däne Carl Nielsen eines beigesteuert, das mit seinen zahlreichen kleinteiligen Motiven und Stimmungswechseln nicht sehr eingängig wirkt, für das Soloinstrument aber höchst anspruchsvoll ist. Selten darf die Solistin sich in den für das Instrument so typischen blühenden Linien ausspielen, oft wechseln die Charaktere und die Dynamik der Musik. Sauber und präzise artikulierend meistert die Pariserin Joséphine Olech, die Soloflötistin bei den Rotterdamer Philharmonikern ist, diesen etwas undankbaren Part.

Interessant sind zahlreiche Dialoge der Flöte mit anderen Blasinstrumenten wie der Klarinette und dem Fagott, selbst in der Solokadenz des ersten Satzes über einem leisen Paukenwirbel mischen sich einzelne Gegenstimmen ein. Manchmal aber ist die Soloflöte wie ein Teil des Orchesters oder hält sich im Hintergrund. Joséphine Olech und Leo McFall agierten in feiner Harmonie miteinander. Die Zugabe, ein Nocturne von Sibelius, bezog auch das Orchester mit ein, hier konnte die Solistin ihre Flöte mit langem Atem und großen Bögen strömen lassen.

Klare Linie

Auch die dritte Symphonie von Sibelius (übrigens haben der dänische und der finnische Komponist den Geburtsjahrgang 1865 gemeinsam, das Konzert stammt aus dem Jahr 1927, die Symphonie aus dem Jahr 1907) wirkt zunächst so, als müsste sie sich erst finden: dunk­le Farben und viel Bewegung in den Streichern, Klangschichten und pulsierende Energie prägen den ersten Satz. Mit seiner klaren Linie und Körpersprache hält Leo McFall die Fäden zusammen. Im Mittelsatz formt er einen zart melancholischen Reigen im Volksliedton, wieder dürfen die Holzbläser über dem Pizzicato der Celli glänzen.

Überhaupt scheint Sibelius hier den Klang der Celli besonders geschätzt zu haben, auch im Finalsatz bereiten sie gemeinsam mit der Bratschengruppe den Boden, bis breitere Aufwallungen und explosive Steigerungen das gesamte Orchester miteinbeziehen. Als „Weihnachtsgeschenk“ wählte der Engländer, den Orchester und Publikum gleichermaßen ins Herz geschlossen haben, das „Andante festivo“ wiederum von Sibelius, eine Streicherhymne voller Wärme und Sinnlichkeit, in der sich die Musikerinnen und Musiker mit Konzertmeister Pawel Zalejski gemeinsam aufschwangen und in der doch die Pauke von Heiko Kleber das letzte Wort hatte.

SOV Konzert vier:

Nino Rota, Nikolaus Brass und Hector Berlioz, am 10. und 11. Februar.

Von Katharina von Glasenapp