Kostbare Entdeckungen

Mit ausgewählter Barockmusik aus dem Umfeld der Leipziger Thomas-Kirche gestaltete das Concerto Stella Matutina Ambach ein ganz besonderes Weihnachtskonzert.
Auf einer schlicht mit Kerzen in hölzernen Kisten dekorierten Kulturbühne leitete Johannes Hämmerle vom Orgelpositiv aus in bester „Capellmeister-Manier“ das kleine, aber feine Ensemble. Die Musiker, alle stehend, folgten seinen knappen und auf das nötigste reduzierten Avisos konzentriert und akkurat. Auf diese Weise glückte eine ruhige, gesammelte Atmosphäre. Der feine Klang der Originalinstrumente verlieh diesem schönen Ambiente große Feierlichkeit und tauchte das Geschehen in einen zarten vorweihnachtlichen Schimmer.
Seltene Raritäten
Aus dem mit profunder Sachkenntnis von Johannes Hämmerle zusammengestellten Programmheft war zu entnehmen, welcher Idee der Abend folgte: Bachs unmittelbarer Vorgänger als Thomaskantor, Johann Kuhnau, sollte mit drei ausgewählten Weihnachtskantaten einem größeren Publikum vorgestellt werden. Diese Werke, allesamt ausgesprochen gekonnt komponiert, verfehlten ihre Wirkung nicht: klangschön, bestens für die Instrumente und die Stimmen gesetzt, sanglich, aber hoch virtuos, dabei atmosphärisch und mit duftiger Leichtigkeit – alle drei fanden beim Publikum ungeteilt große Zustimmung, obwohl sie doch sehr verschieden voneinander waren. Jede Kantate folgte einem anderen Bild, einer anderen Intention, wie der Capellmeister dem Publikum eloquent erklärte. Der ersten, der Feier des Christus-Kindes gewidmet, folgte eine zweite als intime Krippen-Betrachtung, der sich die dritte als komprimiertes, aber in seiner Thematik weit ausladendes Evangelium des Erlösungsgeschehens anschloss.
Feines Sängerensemble
Ein ausgesuchtes Sängerquartett übernahm in den Kantaten die Solopartien und stellte auch den Chor. Anna Gschwend mit ihrem zarten Sopran traf sich im Duett mit dem für den erkrankten Franz Vitzthum eingesprungenen Yosemeh Adjei, der einen wendigen, aber feinen Altus gab. In klaren und schön gesetzten Rezitativen führte Jakob Pilgram mit seiner hellen Tenorstimme hin zu seinen Arien, wo ihm lange Koloraturen und fein angelegte Sequenzen bestens gelangen, und mit einer warmen und schön geführten Bass-Stimme konnte Maximilian Schnabel in den Arien wie auch in den Recitativi accompagnati Virtuosität und Sonorität von sehr feiner Art zeigen.

Ergänzt hat Hämmerle seine Kantaten-Folge durch Werke aus der Kollegenschaft des großen Kuhnau. Er wählte die „Pastorale per la Notte die Natale“ von Johann David Heinichen als kleines, auflockerndes Zwischenspiel. Schön zu sehen und zu hören, wie der pulsierende Siciliano-Rhythmus des zauberhaften Werkes seine Wirkung und ein zartes Schwingen entfachte. Passend dazu waren von Hämmerle zwei Oboi d’Amore ausgewählt, die mit ihrem dunklen Ton die Ankunft der Hirten bei der Krippe zum Ausdruck brachten. Beste barocke Affekten-Tradition war hier erfahrbar. Weil aber Heinichen ein großer Meister der Tonarten war (hatte er in seinen theoretischen Werken doch als erster einen Quintenzirkel beschrieben und für die musikalische Welt nutzbar gemacht), reiste er nun mit Genuss durch die verquertesten Tonarten und erfreute sich an unbegangenen harmonischen Wegen – dies alles sehr zur Freude des Herrn Domorganisten zu Feldkirch, der diese harmonischen Wendungen und tonalen Überraschungen sichtlich genoss.
Silbriges Leuchten
Auch Georg Phillip Telemann, großer Konkurrent Kuhnaus in Leipzig, wurde von Hämmerle – quasi als Kontrapunkt – ins Konzert eingeflochten. Telemanns „Sonata à A“ stellte einen „Kontrapunkt“ im besten Sinne dar. Bei diesem Werk für Streicher und Basso continuo waren die Stimmen derartig kunstvoll ineinander verflochten, dass es eine Freude war, dem Feuerwerk an Ideen und deren Ausblühungen zu folgen. Trotz aller „Gelahrtheit“ (wie man damals sagte) hatten die beiden Fugen der Sonata nie etwas Schweres, nie etwas Steifes, sondern gelangen elegant und spielerisch. Abgelöst von zwei Adagio-Sätzen, wo ein schönes „cantabile“ herrschte, wurde auch dieses Interludium zum Erlebnis.
Um dem groß applaudierenden Publikum noch etwas unter den Christbaum zu legen, erklärte sich das Ensemble am Ende bereit, als Zugabe noch einen Weihnachtschoral zu schenken. „In dulci jubilo,“ wundervoll schlicht und klangschön gesetzt von Hieronimus Praetorius, gelang zu einem stimmigen und feierlichen Abschluss eines lohnenden Konzertes, das selten zu hörende Raritäten in feinster Klangkultur anbot, geschmackvoll zusammengestellt und hervorragend musiziert. Schön, dass – neben den vielen immer wiederkehrenden Weihnachtsmusiken – solche kleinen Preziosen auch Platz haben.
Von Thomas Thurnher