Kultur

Auf der Suche nach großen Talenten

29.12.2023 • 23:00 Uhr
Leonie Hirn und Calvin Mechora im Atelier von Mihael Milunovic in Paris<br><span class="copyright">Jovana Ilic</span>
Leonie Hirn und Calvin Mechora im Atelier von Mihael Milunovic in Paris
Jovana Ilic

Nach einem weiteren Jahr als junge Galeristen sprechen
Leonie Hirn (26) und Calvin Mechora (33) über ihre Motivation und auch den Stolz, mit dem sie die Galerie Sechzig in Feldkirch weiterentwickeln

Im Jahr 2018 haben Sie gemeinsam die Galerie Sechzig in Feldkirch wiedereröffnet. Davor hatten Leonie Hirns Eltern die Galerie 25 Jahre lang geführt. Wie hat sich die Galerie in den letzten Jahren entwickelt oder verändert?
Leonie Hirn: Die Galerie hat eine lange und große Tradition, darauf sind wir sehr stolz. Auch wenn sie bereits Renommee hatte, haben wir sozusagen wieder bei Null angefangen. Es gab einige Änderungen, vor allem inhaltlich. Den Fokus haben wir explizit auf zeitgenössische, insbesondere junge Künstlerinnen und Künstler gelegt.
Calvin Mechora: Wir sehen es als unsere Pflicht, als junge Galeristinnen und Galeristen neben etablierten auch junge aufstrebende Kunstschaffende zu präsentieren, zu fördern und auf ihrem Weg zu begleiten. Beispielsweise haben wir eine enge Zusammenarbeit mit dem japanischen Künstler Masatsugu Okada (geboren 1984) oder der deutschen interdisziplinär schaffenden Künstlerin Marianne Thoermer (geboren 1987). Thoermers aktuelle Ausstellung „What remains“ wird aufgrund großer Nachfrage auch bis 27. Jänner verlängert.

War Ihnen immer schon klar, dass Sie die Galerie weiterführen wollen?
Hirn: Es war natürlich immer eine Option. Dass der Fall dann aber tatsächlich so früh eintreten würde, hätte ich nicht gedacht. Meine Eltern haben mir immer freigestellt, was ich mache. Mir war früh klar, dass ich Kunstgeschichte studieren möchte. Beim Studium in Innsbruck habe ich dann Calvin kennengelernt, er hatte zuvor eine große Ausstellung im Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke in München mit slowenischen Künstlern organisiert und somit bereits Erfahrungen im Ausstellungswesen.

Wie war das für Sie?
Mechora: Nachdem wir ein paar Ausstellungen in Kooperation mit dem Kunst Palais Liechtenstein kuratierten, wurde uns relativ schnell klar, dass die Galerie Sechzig wieder als eigenständige Galerie eröffnet werden muss. Das hat anfänglich natürlich einige Zweifel ausgelöst, vor allem auch wegen des neuen programmatischen Schwerpunkts. Aber wir leben beide für die Kunst und sind auch privat ein starkes Team, deswegen scheint es seither irgendwie zu klappen.

Die Künstlerin Marianne Thoermer bei ihrer Ausstellung „What remains“ in der Galerie Sechzig.          <span class="copyright">Sieglinde Wöhrer</span>
Die Künstlerin Marianne Thoermer bei ihrer Ausstellung „What remains“ in der Galerie Sechzig. Sieglinde Wöhrer

Sind Sie sich immer einig darüber, welche Ausstellungen Sie realisieren wollen?
Hirn: Wir sind sehr froh darüber, gleiche Ziele zu verfolgen und einen sehr ähnlichen Geschmack zu teilen. Wir wissen, was dem anderen gefällt, was die Zusammenarbeit in vielen Fällen natürlich sehr erleichtert.

Was hat sich das letzte Jahr in der Galerie getan? Gibt es besondere Erfolge?
Hirn: Neben schönen und aufwendigen Ausstellungen blicken wir gerne auf die Teilnahme an der „Positions Berlin Art Fair“ zurück. Letztes Wochenende durften wir Mihael Milunovic bei der Eröffnung seiner großen Einzelausstellung im Museum of Contemporary Art in Belgrade Serbien begleiten. Unvergesslich bleibt auch die letzte Biennale di Venezia von 2021, bei der Marko Jakše das Land Slowenien repräsentieren durfte. Es hat uns mit Freude und Stolz erfüllt, die eigene Jakše-Ausstellung parallel zur Biennale zu eröffnen.

Die Galeristen mit dem japanischen Künstler Masatsugu Okada. <span class="copyright">Privat</span>
Die Galeristen mit dem japanischen Künstler Masatsugu Okada. Privat

Für Vorarlberger Verhältnisse ist der Fokus auf internationale Kunst eher ungewöhnlich. Gibt es genug Interesse dafür?
Mechora: Es gibt klarerweise interessante künstlerische Positionen in und aus Vorarlberg, jedoch fokussieren wir uns auf den internationalen Kunstmarkt und besonders auf jene Kunstschaffende, die man hierzulande bisher noch nicht kennt. Das scheint für manche wenig nachvollziehbar, hält uns aber trotzdem nicht davon ab, uns auf die Suche nach hier größtenteils noch namenlosen, jedoch anderswo bereits etablierten oder aufstrebenden Talenten zu begeben.

Gibt es Konflikte oder Gegenwind?
Hirn: Anfänglich hatten wir tatsächlich den Eindruck, auf relativ viel Gegenwind zu stoßen. Gleichzeitig merken wir, wie die Akzeptanz und das Interesse stetig wachsen.

Skulptur von Samuel Salcedo vor der Galerie.         <span class="copyright">Sieglinde Wöhrer</span>
Skulptur von Samuel Salcedo vor der Galerie. Sieglinde Wöhrer

Wie hat sich die Galerie an die Veränderungen auf dem Kunstmarkt angepasst?
Mechora: Das Internet entwickelt sich seit Jahren zu einem der bedeutendsten Handelsplätze für Kunst, was sicherlich nochmals durch die Corona-pandemie und den damit zusammenhängenden Digitalisierungsschub beschleunigt wurde. Wir versuchen unsere Onlinepräsenz ständig auszuweiten, sind sehr aktiv auf Instagram und auch auf „Artsy“, einer auf Kunst spezialisierten Verkaufsplattform vertreten. Dadurch entsteht auch für eine kleine Galerie aus Feldkirch die Möglichkeit, weltweit Kundinnen und Kunden zu gewinnen oder einfach nur Aufmerksamkeit zu erregen. Dieses Jahr konnten wir einige internationale Sales, unter anderem nach Hongkong oder auch in die USA machen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass es stets einen großen Unterschied machen wird, ein Kunstwerk in natura oder lediglich über einen Bildschirm zu betrachten. Neben wechselnden Ausstellungen ist deswegen die Teilnahme an Kunstmessen von enormer Bedeutung.

Was haben Sie fürs neue Jahr geplant?
Mechora:

Wir merken ständig, dass noch viel Potenzial vorhanden ist und versuchen, uns mit jedem Projekt und jeder Ausstellung weiterzuentwickeln.
Hirn: Wir planen einige Atelierbesuche und möchten vermehrt an Kunstmessen im Ausland teilnehmen. Ein weiteres großes Anliegen ist es, verstärkt mit Kindern und Jugendlichen zusammenzuarbeiten. Wir sind beide in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Kunst stets einen hohen Stellenwert hatte. Das ist keinesfalls selbstverständlich, sondern ein großes Geschenk unserer Eltern. Kunst bereitet uns große Freude, die wir noch mehr mit anderen teilen möchten.