Im Traum von Leonora Carrington

Schauspielerin Nanette Waidmann gibt Einblicke in die groteske Komödie „Das Fest des Lamms“, die am Mittwoch im Vorarlberger Landestheater Premiere feiert.
Auf einem britischen Landsitz lebt die Hausherrin, Mrs. Carnes, mit ihrem Hund, ihrem Sohn und dessen zweiter Frau. Doch was relativ normal beginnt, verläuft in einer surrealen Welt nach ganz anderen Konventionen, in der Grenzen zwischen Tier und Mensch verschwimmen und die moralische Einteilung in Gut und Böse nicht mehr funktioniert. Weil Mrs. Carnes eine Affäre mit ihrem Hund hatte, treibt sich ein werfolfartiges Wesen herum, außerdem gibt es Geister und menschlich wirkende Schafe. „Als würde man in einen Kopf und einen Traum einsteigen“, beschreibt die Schauspielerin Nanette Waidmann im Interview diese schräge britische Komödie der surrealistischen Künstlerin Leonora Carrington (1917–2011), die ab Mittwoch im Vorarlberger Landestheater zu erleben ist.

Vorstellungskraft
„Es wird ganz offengelegt, dass es nur eine Geschichte ist – und alles nicht echt“, sagt Waidmann. Denn für seine Interpretation „Das Fest des Lamms“ nähere sich Regisseur Johannes Lepper dem Stück mit einem „völlig leeren Raum“, ohne Bühnenbild und Kostüme, sodass gar nicht versucht wird, ein realistisches Bild abzugeben. Das Stück baut auf die Vorstellungskraft des Publikums, mit der „diese Unfassbarkeit und dieses Fantastische in den Köpfen“ an Kraft gewinne. „Wie in einem guten Horrorfilm ist der Moment, bevor man etwas sieht, viel aufgeladener, als dann eine gruselige Maske jemals sein kann“, erklärt die Schauspielerin das Konzept.
Die Schauspielerin
Nanette Waidmann
war zuletzt in „Atlas streikt“ und „The Black Rider“ in Bregenz zu sehen. Sie studierte Schauspiel an der Zürcher Hochschule der Künste. 2012 wurde sie als „beste Nachwuchsschauspielerin“ für den Nestroy Theaterpreis nominiert und 2013 mit dem Dorothea-Neff-Preis in der selben Kategorie ausgezeichnet. Von 2009 bis 2013 war sie am Volkstheater Wien und von 2013 bis 2017 beim Theater und Orchester Heidelberg engagiert. Seit 2017 ist sie als freischaffende Schauspielerin tätig.
Die Handlung funktioniere über das Benennen und Behaupten, aber auch über Andeutungen und Zeichen, wodurch sich eine eigene Sprache entwickle. „Die Kraft von Fantasie, von Worten und Körpern wird sehr greifbar.“ Wie in einem kindlichen Rollenspiel reiche allein die Behauptung. „Man muss nichts verändern und trotzdem verändert sich alles.“ Somit sei „alles Denkbare“ auch darstellbar – unter der Voraussetzung, dass das Publikum sich darauf einlasse.
Macht und Sehnsucht
Die Regeln in dem Haus der Familie Carnes seien andere: „Das, was scheint, ist nicht das, was ist.“ Das Tierische komme im Menschen vor und das Menschliche im Tier und trotzdem drehe sich das Stück auch um den Umgang miteinander und mit dem Bewusstsein. In dem Makabren und dem Wahnsinn stecke auch die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmtheit und die Liebe zur Natur. Gleichzeitig gehe es „um die Gesellschaft und immer um Macht: was Konventionen sind und wer welche Regeln aufstellt“, so Waidmann.
In der abweichenden Logik von „Das Fest des Lamms“ handeln die Figuren bis zu einem gewissen Punkt, wie in jedem Stück, nach ihren (Grund)bedürfnissen. Nur seien diese in konventionellen Situationen betrachtet einfach abstrus, sagt Waidmann. „Es ist ja völlig verständlich, dass eine Mutter sagt: Mein Sohn geht mir über alles, und wer ihm ein Haar krümmt, der kriegt es mit mir zu tun“ – bis zu dem Moment, wo der Sohn ein Werwolf ist …
„Die Vehemenz, mit der jede Figur ihre Sichtweise oder ihre Art und Weise zu leben vertritt, finde ich einfach sehr spannend“, sagt die Schauspielerin. Um dieses wertfreie und ernsthafte Vertreten der Figuren und nicht um eine bestimmte Darstellungsweise gehe es auch dem Regisseur: „Was ich an Johannes Lepper sehr mag, ist, dass er sehr assoziativ und bildhaft arbeitet und auch keine Angst vor profanen Dingen hat.“
Premiere, Mittwoch 19.30 Uhr; www.landestheater.org