Kultur

Die ganz banale Frage nach dem Sinn

14.05.2024 • 22:03 Uhr
Martin Gruber
Regisseur Martin Gruber ANJA KÖHLER

Regisseur Martin Gruber blickt mit dem Aktionstheater Ensemble in der 35-Jahre-Produktion „All about me. Kein Leben nach mir“ zurück in die Vergangenheit.

Das Setting ist die Bühne und die Schauspieler spielen die Schauspieler, denn sie spielen keine „Rolle“ und einfach nur etwas nach, „das interessiert mich nicht“, sagt Martin Gruber im Gespräch. Seine Figuren seien bis zu einem Punkt angebunden an die echten Personen im Ensemble, aber auch an die Menschen auf der Straße und daran, wie jemand auf jemanden reagiert. „Ich möchte einfach nur mit meinen Leuten versuchen, die verschiedenen Aspekte von Gemeinschaft oder Nichtgemeinschaft darzustellen und das ist das, was mich am meisten interessiert“, erklärt der Regisseur.

All about me_Aktionstheater Ensemble
Aktionstheater Ensemble in “All about me” Gerhard Breitwieser

Ein Stück über die Suche

Seit 35 Jahren sucht Gruber mit dem Aktionstheater nach „dem Direkten“, nach einem Zugang im Theater, der alle betrifft und etwas mit unserer Welt zu tun hat. In den unterschiedlichen Lebensrealitäten durchforstet er die verschiedenen Sichtweisen auf der Suche nach Widersprüchen und jenen emotionalen Momenten, die mit Worten nicht zu fassen sind. „Was treibt uns an? Was ist unsere wirkliche Sehnsucht? Abgesehen vom Kuchen…“ Jahrelang habe Gruber „nur an dem Begriff Moment“ gearbeitet und was es heißt, diesen Moment auf der Bühne zu kreieren, in dem die inneren Zustände mit allen möglichen Mitteln von Sprache, Körper und Musik durchlebt werden.
Zum heurigen Jubiläum drückt Gruber die „Reset-Taste“ und geht zurück zum Anfang – zum Nullpunkt, von dem aus die Vergangenheit radikal hinterfragt wird. „Thema ist eine der Urfragen – die ganz banale Frage nach dem Sinn – und was das überhaupt für einen Sinn macht, was wir da machen“, sagt Gruber. Das Ergebnis sei „ein permanenter Mindfuck“ und „ein Stück über die Suche, das eigene Handeln zu greifen.“ Dafür begibt sich das Aktionstheater Ensemble in die Vergangenheit und spiegelt die relevantesten Szenen der letzten Jahre, montiert sie völlig neu, wobei er feststellen muss, dass die früheren Stücke jetzt aktueller sind als zu der Zeit, in der sie gemacht wurden. „Da sind wir erschrocken“, sagt Gruber.

Analyse des Scheiterns

„Es ist ein neues Stück“, betont er, indem es keinen Stillstand gebe, auch wenn es gleichzeitig um einen Stillstand geht, beschreibt Gruber die fehlenden Visionen und die Zukunftsangst, die dem Stück zugrunde liegen. Das Theater diene als Metapher, in der der Regisseur gesellschaftliche Zustände hochpolitisch und philosophisch zerlegt, ohne dass für das Publikum ein Verstehen auf intellektueller Ebene notwendig sei: „Du musst dich nur darauf einlassen und sonst gar nichts“, sagt Gruber. „Das sind Menschen, die kämpfen und denken, scheiße, wie geht‘s weiter? – Wenn man mich fragt, sag ich das.“
Es gehe um den Verlust der Orientierung und gleichzeitig um „die Sehnsucht danach, eine zu finden und die Momente zu greifen, die schön sind, wenn sie da sind.“ Von dieser Not, dem Kampf nach dem Sinn, „der irgendwann auch eine narzisstische Komponente bekommt“ werde das Stück über die Choreografie zusammengehalten. In einer Aneinanderreihung von szenischen Abfolgen sei das Situative dann wichtiger als das Narrativ und die Erzählung selbst finde im Kopf der Zuschauerinnen und Zuschauer statt.

Martin Gruber
Uraufführung: Morgen im Vorarlberger Landestheater ANJA KÖHLER

Die große Herausforderung sei, „dass Dinge nicht nur bebildert oder festgestellt werden, sondern dass stellvertretend für das Publikum die Situationen durchlebt werden“, sagt Gruber, der als Ensemblechef und Künstler versuche, die verschiedenen Sichtweisen unter einen Hut zu bringen.“
Vor vielen Jahren sei der Regisseur auf dem Scheideweg gestanden, an großen Häusern zu inszenieren und die klassische Karriere zu machen. Entschieden hat er sich für die Arbeit mit der eigenen Kompanie. „Für mich war es das Richtige“, sagt Gruber. „Diese Form von Umgang, wie man gemeinsam mit Menschen etwas erarbeitet und das Ensemble auch über längere Zeit kennenlernt ist schon extrem befriedigend und schön. Ich bin da auch sehr dankbar – auch den Leuten, die das Vertrauen schenken.“