Kultur

Gemeinsam in der Kunst verbunden

13.06.2024 • 23:00 Uhr
Perfect Moment
Jeanne Devos und Luzian Hirzel in der Inszenierung „The Perfect Moment“ am Vorarlberger Landestheater. Anja köhler

Tobias Fend hat ein Stück über Patti Smith und Robert Mapplethorpe geschrieben. Am Samstag ist die Uraufführung im Landestheater.

Das Stück beginnt mit ihrer ersten Begegnung und endet mit seinem Tod. Dazwischen wird die spezielle Liebesgeschichte zwischen Patti Smith und Robert Mapplethorpe erzählt, die auf einem „so ganz tiefen inneren Interesse“ gründet, dass die Verbindung dann auch stärker sei, als die sexuelle Orientierung. „Das finde ich interessant und das geht auch über die Zeit hinaus. Das macht für uns jetzt Sinn“, sagt der Autor Tobias Fend, der das Stück im Auftrag des Vorarlberger Landestheaters geschrieben hat.

Songs von Patti Smith

Luzian Hirzel und Jeanne Devos spielen die Hauptfiguren in dem musikalischen Theaterstück, die anderen „wechseln wie der Rausch durch und machen das ganze New York und das Leben drumherum“, so Fend. Auch mit den Songs sei das Ensemble sehr beschäftigt. Es gibt eine fünfköpfige Band und die Musik sei nicht Soundtrack oder Hintergrund, sondern die Lieder führen die Handlung weiter und spiegeln etwa die innere Zerrissenheit von Robert Mapplethorpe: „Seine Suche, seine Verzweiflung, seine Verwirrung – das geht natürlich super in der Musik, die manchmal stärker ist als Worte.“

„The perfect moment“ ist eine Geschichte über die Beziehung von zwei jungen Menschen, die nach New York kamen, nichts hatten und beide in ihrem Wesenscharakter sehr mit der Kunst verbunden waren: Er ist bildender Künstler und Fotograf, sie ist Dichterin und schreibt Songs. „Sie haben sich erkannt, wie sie wirklich sind von vornherein“ und sich in ihrem Künstlerdasein gegenseitig unterstützt. „Ob die beiden das geworden wären, was sie jetzt sind, wenn sie sich damals nicht getroffen hätten, kann man sich kaum vorstellen“, sagt Fend.
Bis sie ihre Kunst – und damit auch sich selbst – gefunden haben, habe es lange gedauert. Und auch wenn Mapplethorpe am Ende an Aids stirbt, sei es ein „hoffnungsvolles Stück“, beschreibt Fend: „Die hauen sich mit einer solchen Hingabe in die Kunst und in das Leben hinein, machen dabei schreckliche Erfahrungen, aber auch wunderschöne und haben eine super intensive Zeit.“ Die Verbindung zwischen den beiden habe gehalten. „Sie waren zuerst ein Liebespaar und auch nach seinem Coming Out ist es nicht abgebrochen, sondern sie haben dann eine neue Art von Beziehung gefunden, in der sie noch als Paar weitergelebt haben, obwohl jeder andere Sexualpartner hatte. Später ist es in eine tiefe Freundschaft übergegangen.“

New York der 1960er-Jahre

Perfect Moment
Das Stück bringt mit Patti Smith eine lebendige Figur auf die Bühne. Es stellt sich die Frage, wie man die Darstellung respektvoll gestalten kann.anja köhler

Entstanden ist die Inszenierung durch einen Stückauftrag von Stephanie Gräve an Tobias Fend als Autor und Dramaturg und Danielle Fend-Strahm als Regisseurin. „Da hat sie eine gute Nase dafür. Es ist eine tolle Geschichte zwischen zwei Künstlerfiguren, über die es sich lohnt zu sprechen. Und es war eine super spannende Zeit damals.“

Im Hintergrund dieser Liebesgeschichte ist das New York der 68er-Generation: „Die Aufbruchsstimmung, die alle hatten – jetzt kommt was Neues. In New York war damals alles superbillig und alle Leute aus den USA, die irgendwie nicht dazu gepasst haben und komisch oder seltsam waren, die gingen nach New York und hatten da Platz. Es gab Raum, niedrige Mieten, leere Häuser und die Möglichkeit, etwas zu entwickeln.“, beschreibt Fend diesen kreativen Hotspot der Stadt, in der sich die beiden Künstler aus dem Nichts in eine Weltkarriere katapultierten.

Eine Liebesbeziehung. Mit dem von Gräve vorgegebenen Stoff „könnte man auch ein Stück über die Aids-Epidemie in New York machen, über die ganze Künstlerszene da oder alleine nur über das Chelsea-Hotel. Man könnte was machen nur über Patti Smith, ihre Poesie oder ihr Schaffen als Songschreiberin. Man könnte so vieles machen“, sagt Fend. Zwei Jahre hat er dann an dem Stück über die Verbindung der beiden gearbeitet, die letzte Szene habe er vor drei Tagen noch dazugeschrieben. „Wenn man so ein aufregendes Künstlerleben und so eine Beziehung in einen Abend bringen will, muss man da eine Dramaturgie reinbringen, die viel enger und viel stringenter ist, als man das in einem Roman kann. Da einen Weg zu finden, dass man nichts falsch macht, das ist eine schwierige Aufgabe.“

Die Handlung beruht nicht nur auf der wahren Geschichte, sondern bringt mit Patti Smith auch eine lebendige Figur auf die Bühne. „Wie geht man respektvoll damit um, wenn man das darstellt?“, habe sich Fend gefragt. Eine Lösung waren eingebaute Brüche zwischen Erzählperspektiven.

Neben dem direkten Einstieg in Szenen, erzählen Patti Smith und Robert Mapplethorpe von früher, „als ob sie sich im Himmel oder in einer seltsamen Zukunft treffen würden. Sie erinnern sich manchmal gemeinsam. Und dann finden Szenen statt, das fließt dauernd ineinander über, sodass wir uns und das Publikum sich immer wieder daran erinnern, dass wir uns in einer Erinnerung befinden. Und das Erinnern selbst wird zum Thema, wenn wir das nicht vergessen, dann weiß man, eine Erinnerung erhebt keinen Wahrheitsanspruch“, sagt Fend.

„Wir können Mapplethorpe nicht mehr fragen, aber vielleicht würde er sie auch anders erzählen“. Robert Mapplethorpe hat nie eine Biografie veröffentlicht und in Interviews und öffentlichen Auftritten nur über die Kunst gesprochen. Smith „spricht dauernd über sich selbst und über ihn“, erklärt Fend, warum viele der Erinnerungen an die Beziehung hauptsächlich aus der Perspektive von Smith geschildert werden. „Ich glaube schon, dass wir dem Geist von Patti Smiths Erzählung folgen. Es wäre toll, wenn sie käme, aber sie hat irgendwie schon was anderes vor.“

Karten und Termine unter: landestheater.org

Tobias Fend_Danielle Fend-Strahm
Autor und Dramaturg Tobias Fend und Regisseurin Danielle Fend-Strahm.
Ronja Svaneborg