Kultur

Schubertiade: Reiche Erfahrung und ein strahlendes Debüt

26.08.2024 • 16:26 Uhr
Golda Schultz, Jonathan Ware
Golda Schultz lieferte mit Jonathan Ware ein umjubeltes Schubertiade-Debüt. Schubertiade

Das erste Wochenende der August-Schubertiadewoche in Schwarzenberg brachte hochkarätige Musikerlebnisse mit Elisabeth Leonskaja, Golda Schultz und Jonathan Ware sowie mit Renaud Capuçon und Guillaume Bellom.

Seit fast 40 Jahren konzertiert die 1945 in Georgien geborene russische Pianistin Elisabeth Leonskaja, die längst eine Wienerin ist, bei der Schubertiade. Schuberts Musik hat sie verinnerlicht und bringt sie in einem wunderbar runden und gesättigten Klang, einer selbstverständlich wirkenden und doch sehr persönlichen Gestaltung. Ihr Spiel ist konzentriert, facettenreich, fein artikulierend in einer gelungenen Balance der Stimmen und der Dynamik, sie spürt den Beleuchtungswechseln nach, wägt dunkles Grübeln und helle Verzierungen ab.

All das und noch mehr präsentiert sie mit großer Natürlichkeit, fließend, in einer Haltung der Demut und Hingabe an die besondere Schönheit von Schuberts Musik. Das gilt für die größer angelegten Sonatensätze – am Samstagnachmittag hatte sie die beiden a-Moll-Sonaten D 537 und D 845 ausgewählt – wie für die späten Klavierstücke D 946 aus Schuberts Todesjahr mit ihrem Wechsel von drängender Energie und lyrischer Empfindung. Die Pianistin führt ihr Publikum durch diesen immerwährenden Dialog der Stimmen, es folgt ihr ebenso konzentriert, dankbar und glücklich über solch­ eine zeitlose Kunst der Versenkung.

Elisabeth Leonskaja
Elisabeth Leonskaja überzeugte einmal mehr. Schubertiade

Am Abend hatte die Sopranistin Golda Schultz gemeinsam mit ihrem Klavierpartner Jonathan Ware ihr umjubeltes Schubertiade-Debüt und brachte dem Festival in vielfacher Hinsicht neue Farben. Die Südafrikanerin hat in ihrer Heimat und an der Juillard School in New York studiert und bereicherte für einige Jahre das Opernstudio und das Ensemble der Bayerischen Staatsoper.

Auf ihrer ersten CD „This Be Her Verse“ widmet sie sich zusammen mit Jonathan Ware ausschließlich dem Liedschaffen von Komponistinnen. In Schwarzenberg band sie diese in ein Programm von Schubertliedern ein und ermöglichte spannende Vergleiche. So führt etwa die 1812 geborene, in Berlin wirkende Emilie Mayer den von Schubert und Schumann angeschlagenen Ton fort, mit Texten, die auch von diesen vertont wurden. Durch exponierte Koloraturen wird die Emphase der Schlusszeilen von „Du bist wie eine Blume“ deutlich, der „Erlkönig“ klingt aus der Feder von Emilie Mayer noch ungleich – Verzeihung! – verführerischer und emotionaler als die bekannte Schubert-Fassung.

Golda Schultz, Jonathan Ware
Bei Golda Schultz und Jonathan Ware gab es immer wieder störenden Zwischenapplaus. Schubertiade

In zwei Liedern der Engländerin Rebecca Clarke bezaubert auch Jonathan Ware mit seiner Anschlagskunst, ebenso wie in Liedern von Nadia Boulanger, die in Paris ganze Generationen von Komponisten ausgebildet hatte. Ob in den bekannteren Schubert-Liedern oder bei den Komponistinnen, für deren Werke sie zur Botschafterin wird, Golda Schultz nimmt mit einem warmen, vollen, dunkel timbrierten Stimmklang für sich ein. Indem sie wunderbare große Linien gestaltet, geht die Textverständlichkeit im Deutschen ein wenig verloren, während ihr der englische und der französische Sprachklang sehr entgegenkommt.

Leider wurde das sehr stimmig aufgebaute Programm des sympathischen Liedduos innerhalb der Liedgruppen immer wieder durch Applaus unterbrochen – eine Unart, die man bei der Schubertiade sonst nicht kennt und die die Konzentration der Ausführenden zerreißt. Mit herzerfrischender Natürlichkeit freuten sich die Sängerin und der Pianist aber über ihr strahlendes Debüt bei diesem Liedfestival.

Renaud Capuçon, Guillaume Bellom
Renaud Capuçon und Guillaume Bellom waren am Sonntag zu Gast. Schubertiade

Der Sonntagvormittag war der romantischen Kammermusik für Violine und Klavier gewidmet, in dem Renaud Capuçon den wunderbaren Klang seiner Guarneri-Geige zum Blühen brachte und dabei von seinem Landsmann Guillaume Bellom am Flügel getragen wurde. Die eröffnende Schubert-Sonatine D 408 in g-Moll musizierten die beiden in einem schön abgestimmten Geben und Nehmen, mit dem sehnsüchtigen, ab und an seufzend verschatteten, aber auch leuchtenden Schubert-Ton.

Johannes Brahms schrieb seine beiden späten Sonaten op. 120 für den Klarinettisten Richard Mühlfeld, sah aber auch die Viola als Alternativinstrument vor. Außerdem brachte er eine Fassung für Violine und Klavier heraus, die jetzt erklang, die aber nah am Original mit leichten Änderungen in der Linienführung und im Klaviersatz wirkt. Oft steigt die Geige in die tiefe (Bratschen-)Lage hinab, glüht und lodert, Capuçon und Bellom arbeiteten den üppigen, aufgewühlten Satz ebenso heraus wie die gesanglichen Linien.

Rauschendes Fest

Selten zu hören ist die Violinsonate des 22-jährigen Richard Strauss, der in den rauschenden Klaviersatz ein ganzes Orchester zu packen scheint und in deren weiträumiger Violinstimme sich spätere Opernheldinnen ankündigen. Die beiden Künstler bereiteten ihrem Publikum an diesem regennassen Vormittag ein rauschendes und sich immer wieder dramatisch aufschaukelndes Fest und verabschiedeten sich mit der innigen Sicilienne von Maria Theresa von Paradis.

In den nächsten Tagen gibt es einige Besetzungsänderungen bei der Schubertiade in Schwarzenberg: Heute springt der Cellist Clemens Hagen im Konzert mit dem Modigliani Quartett für seine Tochter Julia ein. Und Katharina Konradi übernimmt an Stelle von Louise Alder die Sopranpartie im Ensemble am Donnerstagabend. Katharina von Glasenapp