Wohlstand am dünnen Faden

Heute Abend um 19 Uhr öffnet das Stickerei-Museum S-Mak seine Pforten in Lustenau. Die Institution gewährt Einblick in die Geschichte der einst wichtigsten Industrie des Landes.
“Gute Sticker und Puncher konnten von der Lochkarte ablesen, wie das Stickmuster aussehen wird”, erklärt Manfred Scheffknecht (76) voller Begeisterung. Wie viele Lustenauer widmete auch er sein gesamtes Arbeitsleben der Stickerei. Einer Branche, die wie keine zweite für die frühe Industriegeschichte des Landes steht. Vom späten neunzehnten Jahrhundert ausgehend, bis zu ihrer Krise in den 1980er-Jahren, dominierte sie das Wirtschaftsleben der Marktgemeinde. Wie eine dezentrale Fabrik muss es damals gewirkt haben, wenn das dissonante Maschinenrattern der zahlreichen, oft kleinen Betriebe durch den Ort tönte.

Eine dezentrale Fabrik
Jahrzehnte später steht der Pensionist im S-Mak, dem neuen Stickerei-Museum in Lustenau, und montiert an einer Handstickmaschine aus dem neunzehnten Jahrhundert. Exemplarisch neben ihr befindet sich eine elektrifizierte zehn Yard-Maschine der Firma Saurer, Baujahr 1911. Sie ist fast sechsmal so effizient wie das ältere Modell. Die dritte, aus der Zeit der Jahrtausendwende stammende Maschine, ist weitaus kleiner. Computergesteuert zeigt sie den langen Weg von der unterstützten Handarbeit zur Automatisierung.


Vom Vater des Bischofs gelernt
Während das Museum heute Abend eröffnet wird, erlernte er sein Handwerk vor 60 Jahren in der Textilschule Dornbirn. Heinrich Kräutler, Vater des früheren Bischofs Erwin Kräutler, war einer der letzten Handsticker des Landes und sein Lehrer. “Wir wollen dieses Erbe aufleben lassen und der Nachwelt zeigen, wie unsere Großeltern gearbeitet haben”, bekräftigt Scheffknecht.

Die Händlerinnen aus Afrika faszinierten sie
“Ich bin mit der Stickerei aufgewachsen. Mein Vater war Zöllner. Als Kind nahm er mich oft mit in die Speditionen, wo ich Händlerinnen aus Afrika sah. Sie haben mich fasziniert”, schwärmt Silke Hagen-Jurkowitsch. Die stellvertretende Vereinsobfrau des S-MAK ist stolz, dass das Museum nach sechs Jahren Planung seine Pforten öffnet: “Endlich können wir die Geschichte in die Öffentlichkeit tragen.”
Die Haptik der Vergangenheit
S-Mak steht für “Stickerei – Museum. Archiv. Kommunikation”. Einer Neuinterpretation der Vorarlberger Stickerei-Geschichte gewidmet, sieht es sich einer lebendigen Erinnerungspraxis verpflichtet. Während die Kleider, Stoffe und Maschinen der Vergangenheit Haptik verleihen, vergrößert das Museum laufend seinen Fundus. Um den Erhalt der Geschichte bemüht, digitalisieren sie Stickmuster aus den letzten 140 Jahren und führen Interviews mit Zeitzeugen. Bevor das Museum eine feste Heimat in der alten Stickerei fand, widmeten sie dem baulichen Erbe der Sticker-Häuser eine eigene Ausstellung.
Zukünftig möchte sich das S-Mak als Treffpunkt etablieren, etwa durch Erzähl-Cafés. Diese sollen Besuchenden die Möglichkeit geben, ihre eigene Geschichte mit der Stickerei zu erzählen. Weiters geplant sind altersspezifische Angebote für Jugendliche und Schüler.

“Früher musste ich meinen Körper suchen”
Begleitend zur Dauerausstellung zeigt das Museum eine jährlich wechselnde Sonderschau. Zur Eröffnung präsentieren sie die Arbeiten von Larissa Kramarek. Ihrem Studium der Szenografie an der Akademie der bildenden Künste in Wien ging eine schauspielreiche Kindheit voraus. “Während des Studiums habe ich angefangen, Kostüme für mich selbst zu entwerfen und mit meinem eigenen Körper zu experimentieren. Inwieweit kann ein Kostüm eine Erweiterung meines Körpers sein? Diese Frage hat mich nie losgelassen. Meine Körperstudien sind das Resultat”, skizziert die Künstlerin den Weg zu ihrem Medium. Wegwendend vom eigenen Leib, inszenierte sie Videos mit fremden Körpern in Kleidern und Stoffen aus Vorarlberger Produktion. Starr, beinahe wie Skulpturen, tragen sie die Fabrikationen vor sich. Die in einem Nebenraum von ihr aufgehängte Kleider, wirken dagegen, als hätten sie ein Eigenleben. „Früher habe ich meinen Körper suchen müssen“, steht daneben geschrieben. So wird es manch einem auch Sticker ergangen sein.
Stickerei – Museum. Archiv. Kommunikation. (S-MAK)
Öffnungszeiten:
Donnerstag bis Sonntag,
von 14 – 18 Uhr.
Adresse:
Kneippstraße 6a,
6890 Lustenau