Das Leben formen und sich formen lassen

Barbara Schröder legt mit 68 Jahren nochmal richtig los. Gerade hat sie fünf schmale Bände über Gefühle, mit Gedichten und veganen Kochrezepten vorgelegt. Das könnte erst der Anfang sein.
Stellen Sie sich eine Frau vor, die mit 68 Jahren Bücher schreibt und selbst verlegt. Aber nicht nur eines, sondern gleich fünf: „Freude – Essenz für ein glückliches Leben“, „Stolz – Die edle Selbstbestimmung“, „Saudade – Die bittersüße Sehnsucht“, „Wabi Sabi – Die tiefe Schönheit der Unvollkommenheit“ sowie „Meraki – Hingabe an die Seele“.
Barbara Schröder ist Deutsche, lebt aber bereits seit 37 Jahren in Österreich und lange schon in Dornbirn. Sie schreibt über Gefühle, die ihr wichtig sind. Gefühle, die für sie das Leben bedeuten.
Asymmetrie der Natur
In „Die tiefe Schönheit der Unvollkommenheit“ geht es um eine Einstellung, die die Asymmetrie der Natur feiert – unsere eigenen Fehler, das Suchen und sich Irren, das Genießen dessen, wie es ist. Schröder schreibt Sätze wie „Schönheit kann perfekt-irritierend statt authentisch-nahbar, ehrlich sein.

Wabi Sabi ist die große Kunst, in die tieferen Zusammenhänge zu gehen und die höheren Bedeutungen zu erkennen. Diese emotionale Intensität verdrängt keinesfalls den Schmerz oder den Verlust. Es sind Neugierde und Akzeptanz, die den nächsten Schritt ermöglichen, um dem inneren Wachstum die Tür zu öffnen. Die Autorin fragt die Leserin, denn für sie ist das Büchlein gemacht: „Welchen Mut musst du für Wabi Sabi fassen?“
Frauen als Zielpublikum
Stellen Sie sich also eine Frau vor, die fünf Bücher für Frauen gemacht hat. Nicht, weil die Männer ausgeschlossen wären, sondern weil explizit Frauen zum Schmökern, Lächeln, Nachdenken und Genießen aufgefordert werden. So unkompliziert die Rezepte in der Zubereitung daherkommen, die neben den kurzen Texten in „Wabi Sabi“ versammelt sind, so raffiniert und frech kitzeln sie den Gaumen. Vegane Gerichte, das ist hier nicht als Einschränkung zu verstehen, sondern als Herausforderung für viele, auch in der Küche Neues zu wagen. Passend zu dem japanischen Lebensmotto des Wabi Sabi feiert sie Shiitake- und Pak-Choy-Suppe, lädt zu Tofu mit Zwetschken oder Rote-Beete-Orangen ein.
Neben den Rezepten lässt uns Barbara Schröder an Gedichten teilhaben, die sie über Jahrzehnte gesammelt hat. Das ist kein Hinweis auf die Quantität, sondern auf die Qualität. Es ist eine breit gestreute Mischung. Von Naomi Shihab Nye heißt es da etwa: „Das Alte, das Abgenutzte/die Spuren der Zeit in jedem Stück/sind das, was wir wirklich schätzen/in ihren liegt der wahre Glücksblick“.
Ein bunter Lebenslauf
Stellen Sie sich also eine Frau vor, die mit ihren 68 Jahren sprüht vor Lebenslust, Ideen, Vitalität, Witz und Klugheit. Stellen Sie sich dann noch vor, diese Frau trägt gelb-fliederfarbene Schuhe aus England, einen fliederfarbenen Pulli und selbstgemachte Ohrringe – natürlich in lila. Sie hatte nämlich einst ein Business mit selbst gemachten Taschen und Schmuck. Außerdem hat sie im Lauf ihrer Berufslaufbahn Tagesmütter und Spielgruppenleiterinnen ausgebildet, Literaturabende gegeben, eine Kinder- und Jugendbuchhandlung geführt und als Coachess und im Bereich Sexualpädagogik gearbeitet. Sie liebt Literatur und Kinderbücher. Für ihre eigenen Kinder, aber auch für sich selbst, hat sie Kinder- und Jugendbücher gesammelt.
Kinder hat sie auch großgezogen, alleine und ohne Unterhaltszahlungen. So musste sie sich, als sie bei den öffentlichen Stellen wegen Spielgruppen angefragt hat, anhören, hier in Österreich sei es nicht wie in Deutschland, hier bleibe das Kind bis zum Alter von fünf Jahren bei seiner Mutter. Weil Schröder ein Organisationstalent ist und nicht leicht aufgibt, weil sie gut vernetzt ist und gute Freundinnen mit ähnlichen Problemen hatte, schaffte sie es trotzdem. Sie hat die Kinderbetreuung privat organisiert und somit die erste private Kinderbetreuung in Lauterach eröffnet.
Überzeugte Feministin
Mit ihren Kindern hat sie viel gelernt, sagt sie, aber dass der Staat die Frauen für ihre Care-Arbeit bestraft, findet sie nicht in Ordnung. Sie ist glühende Feministin, seit sie im Alter von sieben Jahren verstand, dass ihr Vater nichts gewesen wäre ohne die Unterstützung und Selbstaufgabe ihrer Mutter. So früh sie konnte, zog sie aus, um es besser zu machen.
Inzwischen ist Barbara Schröder zum zweiten Mal verheiratet, zunächst wohnten sie und ihr Mann getrennt. Das, was im Alltag anfällt, wird nun im gemeinsamen Leben ausdiskutiert. Sie ist diejenige, die kocht. Aber nur, weil sie das leidenschaftlich gerne tut, ihr Mann es nicht kann und dieser daher lieber aufräumt. Schröder hat kein Problem damit, Schwächen zuzugeben. Zum Beispiel, dass sie einen sehr preußischen Perfektionismus aus ihrem Elternhaus ins Leben mitgenommen hat, nur um ihn sich, etwa durch ihre Kinder, stückchenweise abzugewöhnen. Inzwischen ist Disziplin eine Sache, die sie aus dem Schrank holt, wenn sie sie brauchen kann, und drinlässt, wenn sie lieber mit allen Sinnen den Moment kosten will.
Roman in Arbeit
Stellen Sie sich eine Frau vor, die jetzt, da sie pensioniert ist, endlich die Projekte auf die Beine stellt, zu denen sie ihr Leben lang nicht gekommen ist. Das ist jetzt zunächst das Schreiben. Einen Roman hat Barbara Schröder schon angefangen, acht Kapitel sind bereits fertig geschrieben. Was sie sich vornimmt, das zieht sie durch – so viel zu den preußischen Tugenden. Außerdem wird sie schon sehr bald einen feministischen Verein gründen. Frau darf gespannt sein.
ZU DEN BÜCHERN
Werke von Barbara Schröder
Freude, Meraki, Stolz, Saudade je 14,99 Euro, Wabi Sabi 15,99 Euro, direkt erhältlich unter plaisir@soulsalon.at oder im Buchhandel, auf Amazon und anderen Online-Plattformen.