Saisonauftakt mit Seelenton und Temperament

Begeisterter Saisonstart für Bregenzer Meisterkonzerte im Festspielhaus.
Beim ersten Bregenzer Meisterkonzert der Saison wurden das Antwerp Symphony Orchestra mit der südkoreanischen Dirigentin Shiyeon Sung und ihrer Landsfrau, der Geigerin Bomsori Kim, im Festspielhaus begeistert gefeiert.
Am Puls der Pauke und der Celli
Zum Einstieg hatten die Gäste aus Flandern ein effektvoll farbiges und fröhliches Stück des belgischen Komponisten August de Boeck gewählt: Die Rhapsodie Dahoméenne wurde angeregt vom Gastspiel eines Orchesters aus Dahomey, dem heutigen Benin, das der Komponist in einem Varietétheater gehört hatte. Lebhafte Rhythmen, Orchestergruppen, die einander zuspielen, breite Kantilenen und ein spielerisch musikantischer Geist boten dem Orchester beim letzten Konzert seiner Tournee durch Slowenien, Österreich und Deutschland Gelegenheit, sich und seine Gastdirigentin zu präsentieren.

Im bekannten ersten Violinkonzert von Max Bruch mit seinen tief romantischen Aufschwüngen im ersten Satz, seinem wunderbar süßen Adagio und dem brillanten Finale verschmolzen die Solistin Bomsori Kim, die Dirigentin Shiyeon Sung und das Orchester zu einer facettenreichen Einheit: Die zierliche Geigerin balancierte auf hohen silbernen Absätzen zum Puls der Pauke und der Celli, ließ sich vom Orchester im engen Kontakt mit der Dirigentin tragen und belebte das doch sehr abgespielte Konzert mit frischem Ansatz und großer Intensität. Das Adagio ließen die solistischen Holzbläser und die Geigerin aus dem Nichts entstehen, große Linien und schmelzende Melodien entwickelten sich mit langem Atem und Seelenton, wenn auch etwas schwerfällig im Orchester. Das Finale führte Bomsori Kim (der Vorname der so vielfach ausgezeichneten Künstlerin bedeutet übrigens passenderweise „Klang des Frühlings“) mit Spielfreude und federleicht wirkender Virtuosität an, mit brillanten Steigerungen im Tempo führte Shiyeon Sung das Orchester zu einem knackigen Schluss. Für den Applaus bedankte sich die Geigerin mit einem ebenso filigranen wie virtuosen Solostück des belgischen Meistergeigers Eugène Ysaye, der seine sechs Solosonaten berühmten Kollegen gewidmet hatte.
Straff und energisch
Die sechste Symphonie von Antonín Dvořák steht etwas im Schatten der folgenden drei Symphonien, ist hörbar von seinem Förderer Johannes Brahms geprägt und wartet doch ebenso mit den blühenden böhmischen Melodien auf. Entsprechend gestaltete Shiyeon Sung besonders die Außensätze ziemlich straff und energisch, manchmal mit viel Überdruck in den markanten Themen. Im langsamen Satz überzeugten die warmen und sprechenden Holzbläsersoli, die emphatischen Streicherkantilenen führte sie nach intensivem Aufschwung zurück zu einem feinen Gewebe der Celli und der Hörner. Slawisch tönte natürlich der Furiant im Scherzo mit den charakteristischen Taktwechseln im peitschenden Tempo und den sanfteren Melodien im Mittelteil. Lebensfreude und Schwung mit schönen Solostimmen der Bläser bestimmten den Finalsatz, bevor sich die Streichergruppen in einem brausenden Fugato in immer mehr hochschaukelnden Umdrehungen fanden und das gesamte Orchester mit großer Schlusswirkung vereint war.

Klingender Abschied ohne Worte
Shiyeon Sung und das Antwerp Symphony Orchestra verabschiedeten sich mit dem „Abendsegen“ aus Humperdincks „Hänsel und Gretel“, ohne Worte, aber mit feiner Streicherkultur und einem schwebenden Orchesterklang.
Von Katharina von Glasenapp