Vier Hände geben eine Zugabe

Beglückendes Klavier-Duo und inspiriertes Orchester beim Meisterkonzert im Dialog.
Beim jüngsten Meisterkonzert im Bregenzer Festspielhaus waren das sehr präsent aufspielende Kölner Kammerorchester und das wunderbar symbiotisch miteinander verbundene Klavierduo Sivan Silver und Gil Garburg mit Musik von Mozart und Haydn zu Gast, auch das Werk der zeitgenössischen Komponistin Betty Oliveiro bezog sich auf Mozart. Die Frische des Orchesters, die musikantische Interpretation von Dirigent Christoph Poppen und das gesamte Programm haben das Publikum begeistert.
Die völkerverbindende Kraft der Musik
Wieder einmal hatte sich das politische Weltgeschehen in die Planung eingemischt: Das ursprünglich vorgesehene Israel Chamber Orchestra konnte nicht reisen, dafür erarbeitete Dir, der Chefdirigent des Kölner und erster Gastdirigent des israelischen Kammerorchesters ist, das fast identische Programm mit dem Kölner Kammerorchester. Doch war es ihm ein Anliegen, dem Publikum Grüße des verhinderten Orchesters aus Israel zu übermitteln und auf die völkerverbindende Kraft der Musik zu hoffen. Christoph Poppen war ja früher als Geiger mit seinem Cherubini-Quartett regelmäßig bei der Schubertiade zu Gast, ist aber auch ein erfahrener Pädagoge, Festivalleiter und Dirigent. Die wirbelnde Ouvertüre zu Mozarts „Figaros Hochzeit“ mit ihren kernigen Akzenten und den schnurrenden Figuren, die an das einzigartige Finale des zweiten Aktes erinnern, eröffnete das Konzert.

Flirrende Schwebungen
Die 1954 geborene israelische Komponistin Betty Oliveiro greift in ihrem „Adagio für Kammerorchester“ den seinerzeit verstörend modernen Beginn von Mozarts „Dissonanzenquartett“ KV 456 auf: sie weitet den Streicherklang dezent aus mit der Hinzunahme einer Harfe (für die wenigen zarten Töne lieh sich das Orchester die Harfenistin Ulrike Neubacher aus dem SOV aus), eines dezent sirrenden Schlagzeugs und von Holzbläsern. Mozarts Dissonanzen bekommen ein paar flirrende Schwebungen dazu, der Klang bleibt dabei durchsichtig in seiner Struktur, der Gesamteindruck ist der einer atmosphärischen Verdichtung.

Ein Feuerwerk sprühender Figuren
Für Mozarts Konzert für zwei Klaviere Es-Dur KV 365 werden zwei warm klingende Bösendorfer-Flügel vor das Orchester gerollt und eines der weltbesten Klavierduos entzündet an ihnen ein Feuerwerk sprühender Figuren: Die Pianistin Sivan Silver und der Pianist Gil Garburg haben sich im Studium bei ihrem israelischen Landsmann Arie Vardi in Hannover kennengelernt und sind auch im Leben ein attraktives Paar. In Mozarts Doppelkonzert, das er für sich und seine Schwester Maria Anna, genannt Nannerl, komponiert hatte, entspinnt sich ein unentwegter Dialog, einerseits im Miteinander der Solistin und des Solisten, andererseits mit dem Orchester und besonders mit dessen Holzbläsern. Das Duo Silver Garburg bezaubert im Gleichklang von Atem, Puls und Artikulation, sie geben einander Raum, harmonieren perfekt und verlieren dabei keineswegs ihre jeweils individuelle Stimme. Im langsamen Mittelsatz umschlingen sich die Stimmen in aufsteigenden Figuren, fein artikulierten Verzierungen und ebenmäßig perlenden Trillern. Das brillante Finale gipfelt in einer atemberaubend synchronen Doppelkadenz, das Duo ist immer im schönsten Austausch mit dem Orchester und seinem Dirigenten. In ihrer vierhändigen Zugabe entführen sie mit der Malagueña des kubanischen Komponisten Ernesto Lecuona nach Andalusien: helles Glitzern von ihr im oberen Register und die Romanze eines Baritons von ihm in der unteren Region entzünden die Phantasie und die Sehnsucht nach sonnigen Gefilden. Die Körpersprache der beiden führt noch einmal vor Augen, dass Klavierduos meist von einander sehr vertrauten Geschwistern oder Paaren gebildet werden.

Kernig und frisch
Nach der Pause hat der Paukist seinen großen Auftritt, denn Joseph Haydn schenkt ihm in seiner vorletzten Symphonie Nr. 103 einen Paukenwirbel, den er mit feiner Dynamik an- und abschwellen lässt, bevor die Holzbläser mit einer erstaunlich dunklen Einleitung folgen. Kernig und frisch, auch ein bisschen widerborstig arbeitet Christoph Poppen dann die plastischen Motive des Allegro con spirito heraus. Fließend und elegant gestaltet er die Farben und Charaktere des Variationensatzes, der Konzertmeister brilliert gemeinsam mit anderen Solostimmen, bevor die letzte Variation mit Fanfaren und Akzenten auftrumpft. Charaktervoll und kammermusikalisch zugleich lässt Poppen das Menuett mit sanfterem Trioteil tanzen, das Finale beeindruckt mit seinen sorgfältig gearbeiteten kontrapunktischen Themen zum Ende eines erfrischenden Abends.
Katharina von Glasenapp