Kultur

Die Leichtigkeit bedrohlicher Papierflieger

29.01.2025 • 14:33 Uhr
ORF Ausstellung "... am Horizont"
Die Papierflieger wurden aus Arbeitsmaterialien der ORF-Redaktion geschaffen.Furxer

Kirsten Helfrich bespielt mit ihrem Werk „… am Horizont“ aktuell das ORF-Landesstudio im Rahmen der Reihe „Kunst im Funkhaus“.

Über tausend Papierflugzeuge schweben im Rondell des ORF-Atriums, bewegen sich im Luftzug hin und her. Bilden durch ihre Kompaktheit einen eigenen Schwarm. Leichtigkeit ist das Erste, was einem in den Sinn kommt. Eine unverbindliche Ziellosigkeit, die, je nach Blickwinkel und Standpunkt, eine neue Perspektive auf das Kunstwerk eröffnet. Und dann doch wieder eine Kompaktheit, die an punktgenaue Überwachungskameras denken lässt.

Sendepläne sind bereit für den Abflug

Erinnerungen an die eigene Kindheit steigen in einem auf, als man selbst noch Papierflieger gebastelt hat, um sie sofort in der freien Natur zu testen. Bei näherem Hinsehen erkennt man, dass der Großteil der Flieger bedruckt ist. Mit Papier aus der ORF-Redaktion. Darauf sind Teile von Sendeplänen, Rechercheinterviews oder Anmoderationen zu lesen. Die Künstlerin hat sozusagen das Altpapier des ORF recycelt und im Kontext des Gebäudes neu definiert. Jetzt fliegen die Schlagzeilen durch die Luft, Informationen kommen und gehen in das Gebäude.

ORF Ausstellung "... am Horizont"
Künstlerin Kirsten Helfrich widmet sich dem Vergänglichen. Furxer

„99 Luftballons“

Düsenjets, denn so sind die Papierflieger gefaltet, sind natürlich etwas Bedrohliches. Sie können auf die mannigfaltigen Krisen dieser Welt hinweisen. Der erste Eindruck des Leichten weicht plötzlich dem Aggressiven und der Zerstörung. Ganz offensichtlich ist auch der Bezug zu Nenas Lied „99 Luftballons“. Für Kirsten Helfrich war dieses Lied eine Inspirationsquelle für ihre Arbeit „… am Horizont“, übrigens ein Zitat aus dem Nena-Song. Durch Luftballons wird in diesem Song ein Weltkrieg mit Düsenjets ausgelöst. Die Luftballons und die Papierflieger zeigen im Wechselspiel ihre ganze Ambivalenz.

ORF Ausstellung "... am Horizont"
Furxer

Ewigkeitsanspruch hinterfragen

Vergängliche Kunst ist eine ihrer Spezialitäten, bemerkt Kirsten Helfrich im Gespräch mit dem Kurator Marbod Fritsch, anlässlich der Vernissage im Funkhaus. Sie erschuf bereits Kunstwerke aus Obst und aus Herbstblättern, mit denen sie den Ewigkeitsanspruch der Kunst bewusst hinterfragt. Jetzt ist es das nachhaltige Papier. Kirsten Helfrich (geb. 1976) leitet die Kunstvermittlung im Kunsthaus Bregenz. Sie hat an der Akademie der Bildenden Künste München und am Royal College of Art in London studiert und ist bekannt für ihre multimedialen Installationen, Videoarbeiten und Zeichnungen. Ihre Kunst thematisiert Gegensätze wie Schönheit und Vergänglichkeit, Kindheit und Krieg, Freiheit und Kontrolle. Mit dieser fragilen Arbeit hat sie es geschafft, ihre verschiedenen inhaltlichen Zielrichtungen in einem Werk zu vereinen.

Die aktuelle Ausstellung ist bis 15. Mai 2025 täglich im ORF-Landesfunkhaus Vorarlberg in Dornbirn zu besichtigen

Daniel Furxer