Kultur

Was passiert, wenn man einem Sechsjährigen eine E-Gitarre umhängt

21.08.2025 • 19:26 Uhr
Was passiert, wenn man einem Sechsjährigen eine E-Gitarre umhängt
Boschetto in seinem Dornbirner Homestudio.hartinger

Hubert Boschetto wurde 1963 die erste Gitarre umgehängt, seither lebt der Rocker für die Musik. Jetzt nimmt er in seinem Homestudio Songs auf, die als Vermächtnis für seine Tochter Nele gedacht sind.

„Hau einfach rein“ Mit diesen Worten legte man dem sechsjährigen Hubert Boschetto eine Gitarre um. Ein biografischer Urknall, der sich 1963, im Harder Proberaum seiner mehr als zehn Jahre älteren Cousins Kurt und Willi Hämmerle ereignete. „Sie waren wilden Kerle, haben aber immer gut auf mich geschaut“, erinnert sich der nicht minder wilde Rockveteran zurück.

Hubert Boschetto
privat

So lernte er in drei Wochen seinen ersten Song zu spielen, 1964 folgte die erste Gitarre. „Sie war ein Geschenk, hatte aber nur drei Saiten. Auf die Idee, dass man sie besser machen könnte, bin ich als Siebenjähriger nicht gekommen.“

Hubert Boschetto
privat

Autodidakt

Aus dieser kindlichen Begeisterung entwickelte sich eine Lebensader. Während andere das Spiel in Schulen oder Konservatorien lernten, eignete er sich die Musik im Selbststudium bei. „Ich habe hingehört und gespielt. Das war alles.“ Boschetto fand darin ein Ausdrucksmittel, aus dem der Unsteten bis heute Halt und Haltung schöpft.

Hubert Boschetto
Lange Haare trugt er bereits als Zweijähriger. privat

Wie geboren für die Kultur der damals als „Langhaarige“ geschmähten, pflegt der gebürtige Bregenzer schon seit Kindertagen eine lange Mähne. Lang ist auch die Liste der Bands, in denen er wirkte. Mit Glasklar, Standgas, Ohne Filter oder Rock Candy, aber auch solo, etwa mit dem Dialekt-Rock-Projekt Krottahägl, wurde Boschetto zu einem zentralen Akteur und Wegbegleiter der „lauten Musik“ in Vorarlberg.

Hubert Boschetto
Glasklar, 1986. privat

Punks und Polizei

Mit 19 Jahren musste er auf Druck seines Stiefvaters das Elternhaus verlassen. Bei Feinkost Moll in Feldkirch absolvierte der Musiker eine Lehre im kaufmännischen Bereich. In dieser Stadt war es auch, wo er im Graf Hugo 1977 mit Chaos die Anfänge des Punks in Österreich erlebte. „Ich war viel in ihrem Proberaum. Da sie so wenig Lieder hatten, wurden sie bei Konzerten drei bis vier Mal gespielt. Damals habe ich auch gelernt, dass es sehr unterschiedliche Punks gibt. Der Slaughter von Chaos etwa mochte die Sex Pistols nicht, weil sie sich verkaufen würden. Er wollte gegen die Regierung und die Polizei spielen. Als ich ihm erklärte, dass es Momente gibt, in denen man die Hilfe der Polizei braucht, hat er mich entsetzt angeschaut. Der wilde Ausdruck der Band hat mir aber irrsinnig gut gefallen.“

Hubert Boschetto
Boschetto mit Glasklar, 1985 im alten Spielboden, Dornbirn. privat

Mit Nirvana in Hohenems

An den Abend, an dem Nirvana am 24. November 1989 gemeinsam mit Tad im Hohenemser Jugendzentrum Konkret auftraten, kann sich Botschetto noch gut erinnern: „Kurt Cobain ist bei der Ankunft fast aus dem Bus gefallen. Der Soundcheck war ein unglaublicher Krawall. Da hat er seine Wut rausgelassen. Später sind wir dann hinter der Bühne ins Gespräch gekommen. Es ging um die Wut, die er für seinen Vater und ich für meinen Stiefvater empfanden. Es dauerte keine drei Minuten, da lagen wir uns mit tränenden Augen in den Armen.“

Rock Candy 1996 Harley Davidson Super Rally
Diese Aufnahme zeigt ihn bei der Harley Davidson Super Rally in Nenzing, 1996, wo er mit seiner Band Rock Candy zu Mitternach auftrat. privat

Homestudio

Jetzt ist der Rocker selbst ein stolzer Vater. Mit seiner Tochter Nele verbindet ihn nicht nur familiäre Nähe, sondern eine künstlerische Partnerschaft. Sie schreibt und singt, er produziert und begleitet. Dahinter stecken technische Fähigkeiten, die sich der Wahl-Dornbirner erst in den letzten Jahren aneignete.

Hubert Boschetto
Im Studio. privat

„Vor zehn Jahren konnte ich noch keinen Computer bedienen.“ Doch wie schon als Kind mit der Gitarre näherte er sich auch dem Mischen autodidaktisch. Tutorials, erfahrene Freunde aus der Szene, unzählige Stunden des Probierens, – Stück für Stück eignete er sich das Handwerk an. Heute steht in der Wohnung des Pensionierten ein kleines Homestudio, in dem der Rocker Songs aufnimmt, Spuren arrangiert und fertige Mixe erstellt. Dass es dabei auch laut zugehen kann, würde den Nachbar nicht stören. Boschetto versichert: „Er mag meine Musik und was ich spiele.“

Was passiert, wenn man einem Sechsjährigen eine E-Gitarre umhängt
Hartinger

Ein Talisman für Nele

Derzeit arbeitet er an einem Album, dass vielleicht den Titel „Das letzte Mal“ tragen wird. Es wird von der öffentlichen Hand gefördert und planmäßig in den nächsten zwei Jahren fertig sein. Eine Aufführung mit Band würde ihn freuen, wobei das aus finanziellen Gründen scheitern könnte. „Das Album soll ein Talisman für meine Tochter werden. Wenn es mich einmal nicht mehr gibt, kann sie die CD mit unseren Bildern in der Hand halten.“