Kultur

Der Atem Schuberts in zwei Stimmen

01.09.2025 • 11:40 Uhr
Christoph Prégardien, Julius Drake
Pianist Julius Drake und Tenor Christoph Prégardien lassen Schuberts Goethe-Lieder erklingen. Schubertiade

Die Sänger Christoph Prégardien und Konstantin Krimmel führen das Publikum der Schubertiade mit großer Authentizität durch dichte Liedwelten.

Mehrere Generationen von Künstlerinnen und Künstlern treffen bei der Schubertiade aufeinander: Am zweiten Wochenende waren das Christoph Prégardien mit einem reinen Goethe-Abend und dem britischen Liedpianisten Julius Drake an der Seite und tags darauf der Bariton Konstantin Krimmel, wieder gemeinsam mit Ammiel Bushakevitz am Klavier und Schuberts „Schwanengesang“.

Gespenstisches Minidrama

Beide haben im Januar Geburtstag, der eine wird 70, der andere 33.  Prégardien geht mit seiner Stimme mittlerweile etwas vorsichtiger um, indem er manche Lieder in der tieferen Lage singt, sich in der zweiten Zugabe aber doch mit einem seiner liebsten Lieder, dem „Musensohn“ in silbriger leichter Tenorlage verabschiedet. Er schöpft aus der jahrzehntelangen Erfahrung, die vieles vertraut und immer wieder berührend wirken lässt – etwa den sehnenden Ruf in „An die Entfernte“, die Pianissimo-Bögen in den „Gesängen des Harfners“, denen der silberne Spiegel von „Auf dem See“ folgt. Die beiden kraftraubenden Lieder „Prometheus“ in zornig deklamierter Verachtung und „Erlkönig“ als gespenstisches Minidrama umrahmen „Wanderers Nachtlied“ in vollendeter Pianokultur und Atemtechnik.

Christoph Prégardien, Julius Drake
Schubertiade

Rastlose Liebe

Der zweite Programmteil vereint die vielleicht schönsten Goethe-Vertonungen Schuberts, die der Sänger wunderbar verinnerlicht hat und man muss sich wieder einmal fragen, warum der Dichter die Lieder des jungen Komponisten aus Wien zurückgewiesen hat. Prégardien und der kontrastreich akzentuierende, dann wieder sanft säuselnde Julius Drake sind intensiv miteinander verbunden, sei es in der wahrlich „rastlosen“ Liebe, im Sprechgesangs-Staccatissimo von „An Schwager Kronos“, im Gewühl der Haare von „Versunken“ oder im schwärmerischen „Willkommen und Abschied“. Mit der ersten Zugabe bleiben sie zwar bei Goethe, wenden sich aber der dichteren Tonsprache von Edvard Grieg zu. Übrigens war Christoph Prégardien am Samstagvormittag zu Gast beim Ö1 Klassik-Treffpunkt im Kleinen Dorfsaal, das sympathische Gespräch, das manchen vielleicht bisher unbekannte Einblicke in ein Künstlerleben gewährt, lässt sich in Ö1 nachhören.

Konstantin Krimmel, Ammiel Bushakevitz
Pianist Ammiel Bushakevitz und Konstantin Krimmel.Schubertiade

Licht und Rätsel

Bei Konstantin Krimmel erlebt man die Entwicklung der Stimme, er ist auf der Höhe seiner Kraft, kann mit ihr spielen, sich hineinstemmen, sich aber auch ganz fein zurücknehmen. Auch beim dritten Liederabend in dieser Woche nach den beiden großen Zyklen – allein schon die Gedächtnisleistung, alle drei Programme auswendig zu präsentieren, ist zu bewundern! – taucht er zusammen mit dem so sensibel nachspürenden Ammiel Bushakevitz in die manchmal abgründigen und rätselhaften Texte von Rellstab und Heine, die einen lichteren Teil nach Texten von Seidl umschließen. Durch die Reihung der Lieder und die Kunst des Pianisten, die Heinelieder direkt aneinander zu ketten, wird Krimmel auch hier zum Geschichtenerzähler, der die Texte mehr als andere durchleuchtet. So ziehen die Künstler auch hier hinein in Heines und Schuberts auf zwei Seiten verdichtete Seelendramen, erzeugen eine ungeheure Spannung, die sich im Gewicht der Akkorde von „Der Atlas“ entlädt. Sänger und Pianist durchleben diese Lieder, ziehen auch das gebannte Publikum in die Abgründe und verabschieden sich mit dem 1822 vertonten „Schwanengesang“, zu dem Schuberts Freund Johann Chrisostomos Senn die Worte geschrieben hat. Nach den drei großen Abenden dieser beiden Künstler wirkt das wie ein Ausatmen…

Katharina von Glasenapp