“Die Jugendlichen brauchen und schätzen ihren Freiraum”

Der Jugendtreff in Langenegg wird von drei Jugendlichen geführt. Ein Wohlfühlort für junge Menschen – das war aber nicht immer so.
Das Klacken des Tischfußball-Tisches ist schon von Weitem zu hören. Auch wenn es draußen schon lange dunkel ist und kein Mensch mehr auf den Straßen Langeneggs unterwegs, scheint irgendwo noch etwas los zu sein. Belinda S. de Mesquita, von der Gemeindeverwaltung Langenegg, führt uns in ein modernes Gebäude. „Die Treppe runter“, sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen.

Sobald die Türe aufgeht, wird die Musik leiser gedreht und wir werden sofort freundlich begrüßt. Der neue Jugendraum der Gemeinde Langenegg hat seine Türen erst seit Juni dieses Jahres wieder geöffnet und doch wirkt es, als sei er schon immer da gewesen.
Grün, grün, grün
Grün ist das Motto des Treffpunktes. Von den Wänden, über den Billardtisch, oder dem Graffiti an der Wand. Auf dem Tisch stehen eine Schale Chips und ein paar Gläser. An der Wand hängt eine Dartsscheibe. Auch ein großer Fernseher und Spielkonsolen finden vor der schwarzen, gemütlichen Couch ihren Platz. Wer diese nicht nutzen möchte, oder keinen Platz mehr hat, kann sich auf einen der Sitzsäcke vor der Bar zurückziehen.

Die Bar ist das Highlight des Raumes: Neben ordentlich angeordneten Chipspackungen und gelben, natürlich alkoholfreien Getränken im Kühlschrank, gibt es auch einen kleinen Herd und ein Backrohr. Die schwarzen Barhocker laden zu ständig wechselnden, lebendigen Gesprächen ein, die dann irgendwann auf die Couch verlagert werden.

Von wegen Erwachsene
Geleitet wird der Jugendraum aber keineswegs von Erwachsenen, wie de Mesquita und Katharina Fuchs, die Vizebürgermeisterin, erklären: „Wir sind nur für Notfälle da. Geführt wird der Jugendtreff von Katrin, Hanna und Ali.“ Das sind drei Jugendliche, die für die Sauberkeit, Ordnung und die Verpflegung des Jugendraums verantwortlich sind. „Sie kaufen Getränke und Essen ein und kümmern sich um alles. Die drei haben auch den Schlüssel und sperren auf und zu, legen die Lieferscheine ab und führen das Kassabuch“, so de Mesquita.

Zu essen gibt es Pizza und Toast, aber auch anderweitige Snacks. Für diejenigen, die kein Geld dabeihaben, gibt es einen Wasserspender und Gratis-Snacks.
„Sie sind uns aufgefallen, weil sie immer zu dritt unterwegs waren. Sie scheinen einen großen Freundeskreis zu haben und sind bei allen beliebt. Sie sind wie eine Verbindung zwischen den Jugendlichen, sprechen alle Gruppen an“, erklären die Beiden. Als de Mesquita und Fuchs, die drei darauf ansprachen, ob sie den Jugendtreff leiten wollen, waren diese sofort begeistert. „Die Meinungen gingen total auseinander, als wir die Idee erstmals angesprochen haben. Auch bei uns brauchte es ein Umdenken“, erklärt Fuchs. Es scheint ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Erwachsenen und den Jugendlichen zu geben.

Viel Freiraum
Geöffnet ist der Raum jeden dritten Freitag im Monat, das Leitungsteam kann bei Festlichkeiten im Dorf aber auch spontan entscheiden, ihn für die Jugendlichen zu öffnen. Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit, den Raum für 40 Euro zu mieten. Dieses Angebot gilt allerdings nur für Jugendliche aus Langenegg. Bei Geburtstagen kann Alkohol nicht verboten werden, erklärt de Mesquita. Im regulären Betrieb gilt allerdings striktes Alkohol- und Rauchverbot. Sperrstunde ist um 22 Uhr.

„Wir haben ihnen ziemlich viel Freiraum gelassen. Genau das ist aber das Erfolgskonzept, des Jugendraumes. Wir geben ihnen das Vertrauen, damit aber auch die Verantwortung“, so Fuchs. „Sie wollen niemanden, der sie ständig begleitet und ihnen auf die Finger schaut. Sie wollen sich selbst organisieren“, fügt de Mesquita hinzu. „Das ist genau, was sie schätzen. Dieser Freiraum ist, was sie wollen. Sie brauchen auch kein Angebot, sie wollen einfach unter sich sein“, so Fuchs.
„Sie bringen sich auch sehr toll in die Dorfgemeinschaft ein. Im November wird es ein Schnupperangebot für 11-Jährige geben, welches das Leitungsteam selbst organisiert hat. Es klappt wirklich hervorragend.“ Die beiden Frauen scheinen sichtlich stolz auf ihre Schützlinge zu sein. „Es sind sehr selbstständige, vernünftige junge Menschen.“
Kein neues Konzept
Doch der Jugendraum in Langenegg ist kein gänzlich neues Konzept: Auch davor gab es ihn schon, lediglich unter anderer Besetzung. „Ich glaube, es hat die Jugendlichen einfach nicht mehr angesprochen. Sie waren ständig unter Beobachtung. Sie brauchen keinen Aufpasser, das entwickelt sich irgendwann zur Barriere“, so de Mesquita. „Sie hatten große Vorbehalte, herzukommen. Der Raum hatte ein verruchtes Image. Die Jugendlichen trauten sich nicht hierher. Es war eine Barriere da.“ Jetzt ist er wie ein zweites Wohnzimmer.

„Viele haben uns vor Alkoholexzessen gewarnt, das war zum Glück nie ein Thema. Es ist wie ein Wohnraum, den sie sich geschaffen haben.“ „Unsere Hoffnung ist, dass der Treff weiterhin von Jugendlichen geführt wird. Ich habe überhaupt keine Angst, dass sie unser Vertrauen missbrauchen. Wenn man Vertrauen gibt, bekommt man es auch“, so Fuchs. „Natürlich wird es irgendwann auch Probleme geben, aber so wie sich die Situation momentan gestaltet, wird man darüber reden können“, sind sie sich einig. „Als Gemeinde wünscht man sich natürlich, dass die Jugendlichen ein Teil des Dorflebens sind und die Angebote annehmen.“ Dadurch, dass einige der Jugendlichen in höhere Schulen gewechselt haben, kommen jetzt auch vermehrt Besucher und Besucherinnen von anderen Gemeinden, erklären sie. „Es war uns wichtig, dass der Jugendraum nicht nur eine gewisse Gruppe anzieht.“
Wir sind unter uns
„Hanna aus dem Leitungsteam ist meine Cousine. Durch den Jugendraum habe ich viele neue Freunde kennengelernt. Ich bin aus Dornbirn und der Raum bietet mir die Möglichkeit, mich länger mit ihnen zu treffen“, erzählt Luis Ottacher. Der 14-Jährige schätzt die Freiheit, die die Gemeinde dem Jugendtreff lässt: „Es ist lockerer.“ Auch Pascal Fink sieht das ähnlich: „Ich komme oft hier her. Es ist immer ruhig und wir sind unter uns.“

„Zuerst waren wir etwas unsicher“, erzählt Hanna (r.), eine der drei Jugendlichen aus dem Führungsteam. „Wir teilen uns die Aufgaben gut ein, bisher hat alles gut geklappt“, finden Ali (oben) und Katrin (l.). „Bei uns funktioniert das super, weil wir uns untereinander gut kennen und verstehen. Ich würde es super finden, wenn andere Jugendräume unser Konzept übernehmen würden“, findet Katrin. „Wir würden es immer wieder so machen“, sind sich die drei einig.