Dieter Baurenhas rettet mit der Drohne Kitze vor dem Mähtod

Kitze mit abgetrennten Füßen, Krähen als Plage und Marder im Duschraum einer Schule – die Arbeit von Jagdaufseher Dieter Baurenhas ist voll von spannenden und außergewöhnlichen Einsätzen.
Von Katja Grundner
„Es ist ein grauenvolles Bild, wenn ein Kitz mit abgetrennten Füßen da liegt, aber noch lebt. Das muss dann natürlich getötet werden“, erzählt Jäger Dieter Baurenhas. Der 56-Jährige spricht von den möglichen Gefahren der Mäharbeit, vor allem jetzt in der Hauptzeit zwischen Mitte Mai und Mitte Juni. Dabei betont er, dass die Landwirte keine Schuld trifft. „Die können das Kitz aus der Maschine heraus nicht erkennen, weil das Gras so hoch und dicht ist. Für die meisten von ihnen ist es ebenfalls ein sehr schlimmes Bild, ein verstümmeltes Kitz vorzufinden.“ 2019 sei der Dornbirner der erste Jagdaufseher in Vorarlberg gewesen, der Rehkitze mithilfe von Drohnen suchte. Geld bekommt er dafür fast keines. Für ihn ist das eine Herzensangelegenheit.

Ablauf der Kitzsuche
Baurenhas ist hauptberuflich Unternehmer im Holzgewerbe und nebenberuflich als Jagdaufseher in Lustenau und als Jagdpächter im Revier Dornbirn-Nord tätig. Bevor er mit der Drohne arbeitete, musste er jedes Mal über 15 Helfer organisieren, um die Wiesen systematisch abgehen zu können. „Gebraucht hätte ich sogar noch mehr Leute. Eines Tages dachte ich mir, dass ich bei der Sache unabhängiger werden muss und habe mir im Internet eine Drohne für 8500 Euro bestellt“, sagt er. Obwohl er damit bislang keinerlei Erfahrung hatte. „Ich habe die Steuerung mit einem Kollegen und seinem Dackel geübt, der sich im Feld versteckt hat, und schnell viel Erfahrung gesammelt. Dann haben sich immer mehr Jäger in Vorarlberg dafür interessiert und jetzt nutzen es schon einige.“

Sobald der Landwirt weiß, wann er Mähen will, meldet er sich bei Baurenhas, der spontan darauf reagieren muss. Durch den Einsatz der Drohne braucht er nun lediglich ein oder zwei Helfer und auch der Anteil unentdeckter Kitze ist geringer.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Im Gegensatz zu erwachsenen Tieren haben Kitze einen sogenannten Drückinstink, bei dem sie nicht vor Gefahr fliehen, sondern regungslos im Gras verharren. Die Drohne macht die Tiere per Wärmebild sichtbar. Sobald ein Kitz gefunden wird, wird es mit Einweghandschuhen und viel Gras vorsichtig in eine spezielle Tasche gelegt, an einem schattigen, geschützten Ort untergebracht und spätestens nach zwölf Stunden wieder aufs Feld zurückgebracht. Für Landwirte ist dieser Service von Baurenhas kostenlos. Über den Tiroler Jägerverband, der sich für die Rehkitzrettung einsetzt, bekommt er dafür eine geringe Entschädigung. „Hoch genug, um den Treibstoff zu bezahlen“, meint er schmunzelnd.

Arbeit als Leidenschaft
„In meinen Nebenberufen investiere ich eher Geld, als dass ich eines verdiene. Ich kaufe mir quasi Arbeit“, führt Baurenhas aus. Für ihn steckt dahinter pure Leidenschaft. Sein Großvater war bereits Jäger und sein Vater Jagdaufseher. Für Wildunfälle ist der Dornbirner zum Beispiel rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr erreichbar. 2024 zählte er 46 solcher Fälle.

Zu seinen weiteren Hauptaufgaben zählen die Wildtierfütterung im Winter und das Hasenzählen im Frühjahr, was als Indikator für den Prädatorendruck herangezogen wird. Außerdem sollte nach dem Fachmann auch die Krähenbejagung eine größere Rolle spielen. „Für Landwirte sind die Rabenkrähen ein sehr großes Ärgernis, weil es durch sie einen starken Ernteverlust gibt. Aber sie sind durch die EU-Vogelschutzrichtlinie geschützt. Deshalb müssen Landwirte quasi darum betteln, Krähen erlegen zu dürfen“, erklärt der Experte. Im Frühjahr seien Baurenhas in beiden Revieren jeweils 20 Krähen zum Abschuss behördlich freigegeben worden. „Damit es einen Nutzen hätte, sollte die Abschusszahl aber viel eher 200 sein. Es gibt Unmengen von Krähen, bei manchen Bauernhöfen ist zu bestimmten Zeiten der Himmel schwarz“, berichtet er.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Im Gegensatz dazu steht die Raubwildjagd. Denn im Rahmen von Wiesenbrüterprojekten in Natura-2000-Gebieten sollen seltene, geschützte Vogelarten vor Fressfeinden wie Fuchs, Marder und Hermelin bewahrt werden, indem die Prädatorendichte so gering wie möglich gehalten wird. „Diese Tiere bejagen wir sehr intensiv. Bei denen gibt es keine Abschussobergrenze, denn egal, was wir tun, wir können sie nicht ausrotten. Wir können nur die Dichte senken. Und das ist eine Aufgabe, die uns sehr fordert“, erklärt Baurenhas.
Außerdem gibt es Situationen, in denen sich der Jagdaufseher und -pächter um kuriosere Fälle kümmern muss: zum Beispiel einen Marder im Duschraum einer Schule, oder einen Dachs im WC einer Fabrik des Dornbirner Industriegebiets. Der klassische Fuchs im Hühnerstall kommt jedes Jahr vor. Aber hier wird eine klare Grenze beim Jäger sichtbar: „Einen Mutterfuchs mit Jungen schieße ich nicht, auch wenn er 20 Hühner reißt. In solchen Fällen müssen die Hühner so eingesperrt werden, dass der Fuchs nicht dazukommt.“
Gefühlsinnenschau eines Jägers
„Das Alter, in dem ich zum ersten Mal ein Wild erlegt habe, war nicht legal“, sagt Baurenhas lachend und demonstriert damit seine langjährige Verbundenheit mit der Jagd. Trotzdem empfindet er eine innere Zerrissenheit beim Töten eines Tieres: Einerseits verspürt er Freude darüber, das Wild überlistet zu haben – ein innerer Trieb, den er mit einer Katze vergleicht. Andererseits begleitet ihn dabei stets eine tiefe Wehmut. „Ich weiß, dass das für Außenstehende nur schwer zu verstehen ist. Aber wir Jäger haben vor dem erlegten Tier enormen Respekt, auch im toten Zustand“, äußert er.

Als eines seiner schönsten Erlebnisse beschreibt Baurenhas nicht das Töten, sondern das Retten eines Tieres: „Vor circa zwei Wochen hat sich ein Reh bei einer Autobahnauffahrt verlaufen und konnte wegen des Zaunes nicht mehr raus. Ich habe mithilfe eines Polizisten und eines Mitarbeiters der Straßenmeisterei das Tier gefangen und wieder in die Natur freigelassen. Das war richtig ergreifend“, erzählt Baurenhas mit einem emotionalen Ausdruck im Gesicht. „Je älter wir werden, desto sentimentaler werden wir“, fügt er schmunzelnd hinzu. Was er an seinen Nebenberufen besonders schätzt, ist die Ruhe in der Natur als Ausgleich zur Kopfarbeit und Anspannung als Unternehmer. „Wenn ich auf dem Hochsitz sitze, die Vögel pfeifen höre, Rehe aus dem Gras hervorschauen, ein Fuchs vorbeischleicht und ich nicht denke, ‚Jetzt erschieße ich ihn‘, sondern einfach, was für ein schönes Tier es ist – wenn ich solche Dinge beobachte, fahre ich komplett herunter“, beschreibt Baurenhas seine Arbeit in philosophischem Ton. Er erlebt solche Momente wie eine eindrucksvolle Bühne – getragen von einer beruhigenden Stille, die in Wahrheit gar keine ist.
(NEUE)