Fatale Rückkehr in alte Rollenbilder

Coronakrise aus frauenpolitischer Perspektive ernüchternd.
In Krisenzeiten fallen Familien in alte Rollenbilder zurück. Männer bestreiten den Lebensunterhalt. Frauen sind für Kinder, Hausaufgabenbetreuung und den Haushalt zuständig. In manchen Fällen sogar neben dem Teilzeitjob. Das alles ist weit weg von partnerschaftlicher Rollenverteilung. Corona hat gezeigt, wie stabil die alten Rollenbilder trotz aller Frauenförderoffensiven sind. Die Krise hat das bisher Erreichte um zwei bis drei Schritte zurückgeworfen.
Es wird wohl Jahre dauern, um diese neu gefestigten Strukturen wieder aufzuweichen. Davon ist zumindest Landesrätin Katharina Wiesflecker überzeugt. Gemeinsam mit femail-Geschäftsführerin Lea Putz-Erath hob sie bei einem Pressegespräch am Donnerstag hervor, wie die Benachteiligung von Frauen in den vergangenen Wochen in mehrfacher Hinsicht verschärft worden ist. Denn neben Gesundheitsproblemen durch die Mehrfachbelastung ergeben sich auch finanzielle Probleme durch die ungleiche Verteilung von Erwerbsarbeit.

Steigender Beratungsbedarf
Das war allerdings auch schon vor der Pandemie so, wie der Jahresbericht der Anlaufstelle femail zeigt. Das Fraueninformationszentrum besteht mittlerweile seit über 25 Jahren. „Der Bedarf an Beratungen ist seitdem konstant hoch und steigt stetig“, berichtete Putz-Erath. Im vergangenen Jahr gab es Kontakte zu 3545 Frauen. 39 Prozent der Klientinnen sind zwischen 36 und 49 Jahre alt. 44 Prozent sind verheiratet oder leben in einer eingetragenen Partnerschaft. In Beratungsgesprächen ist stets das Ziel, dass die Klientinnen am Ende eine bessere Entscheidungsbasis für ihre Situation haben.
„Normalerweise“ wird das vertrauliche und anonyme Beratungsangebot telefonisch, per E-Mail oder im persönlichen Gespräch genutzt. Die Einrichtung reagierte schnell auf die plötzlich geltenden Corona-Maßnahmen und passten ihr Angebot an. Seit wenigen Wochen ist daher auch eine Videoberatung möglich. In Einzel- oder auch Gruppengesprächen. Und das soll auch künftig so beibehalten werden.
Andere Themen
Die Zeit hat jedoch nicht nur das Format der Beratungen verändert. Es änderten sich nach Aussage von Putz-Erath auch die Fragestellungen. Bisher wendeten sich 31 Prozent der Kundinnen zum Thema Beziehungen an die famail-Fachfrauen. Neu dazu kamen nun Themen wie die Umsetzung der Corona-Regelungen, Stress und Druck wegen der Situation zu Hause oder Auswirkungen von Kurzarbeit des Partners auf das Haushaltsbudget.
Eine Folge der Maßnahmen im Bezug auf die Ausgangsbeschränkung war auch die Zunahme an häuslicher Gewalt. Zeitnah wurden deshalb vorsorglich die Plätze in den Frauenhäusern um 14 erhöht. „Derzeit werden zehn Frauen mit 14 Kindern an allen Standorten betreut“, informierte Wiesflecker.

Arbeitsmarktlage verschärft
Auch die Situation am Arbeitsmarkt hat sich für Frauen durch die Krise verschlechtert. Denn es sind vor allem Frauen (70 Prozent), die in den systemrelevanten Berufen arbeiten und bei meist niedrigen Löhnen die notwendige Versorgung sicherstellen. Darüber hinaus sind viele Frauen gerade auch im Tourismusbereich angestellt, der in den vergangenen Wochen völlig zusammengebrochen war. Umso erleichterter ist Wiesflecker daher über das kürzlich beschlossene Hilfspaket von Seiten des Landes für die Branche.
Entscheidend für die neuerliche Überwindung von klassischen Rollenbildern sehen Wiesflecker und Putz-Eratz seien auch die Männer. Die gelte es mit ins Boot zu holen, damit es gelingt eine partnerschaftliche Rollenaufteilung zu entwickeln. Genau diesem Thema widmet das Fraueninformationszentrum seinen Jahresschwerpunkt mit Veranstaltungen. Neben Workshops für Paare ist am 11. November ein Event zum Thema „Partnerschaftliche Rollenteilung aus soziologischer-und ökonomischer Sicht“ geplant.
Finanzierung gesichert.
Auch von Seiten des Landes werden die Bemühungen in Sachen Gleichstellung weitergeführt, versprach Wiesflecker. Die Projektfinanzierung und Strukturförderung sei gesichert. „Für das Frauennetzwerk, welches sich mit 40 Regionen- und Frauensprecherinnen im Land für die Anliegen von Frauen einsetzt, werden in den Jahren 2020 bis 2025 in Summe 126.500 Euro zur Verfügung gestellt“, kündigte die Landesrätin an.
Neuer Bericht
Für das Jahr 2021 ist darüber hinaus ein neuer Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Vorarlberg geplant. Dieser soll um einen Schwerpunkt erweitert werden. Gleichzeitig sollen die gewonnenen Erfahrungen aus der Corona-Krise grundsätzlich mit einfließen. Das Thema „Existenzsicherung in Verbindung mit bezahlter und unbezahlter Arbeit“ wird dabei in den Fokus gerückt werden.