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Migräne: Beziehungsdrama von Körper und Geist

12.02.2023 • 17:28 Uhr
Heidi Salmhofer
Heidi Salmhofer

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Neben einer Darminfektion gehört Migräne bei den herkömmlichen und ungefährlichen Erkrankungen zu den lästigsten. Mich sucht dieses unnötige Ding etwa zwei Mal im Jahr heim (und ich weiß genau, da gehöre ich noch zu den Glücklichen unter den Migräneanfälligen) und zwingt mich zum Stillstand. Nicht in eine „Ich lese gemütlich ein Buch und ziehe mir dann eine Netflix-Serie rein, bis es besser wird“-Ruhestellung, sondern in eine „Bewege nicht einmal den kleinen Zeh, sonst musst du dich vor Schmerz übergeben“-Fötus-Position. Dann liege ich da, ein bis fünf Tabletten intus, und warte den Tag ab. Irgendwann wird er schon vorbeigehen. Und während ich mit geschlossenen Augen daliege und jede einzelne Abzweigung in meinem Gehirn sich kurz vor der Implosion befindet, schaffe ich es tatsächlich noch, mir die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Anfalles zu stellen.

Ich nehme ungern Dinge einfach hin, sondern möchte sie mir unbedingt und zwingend erklären. Grelles Licht oder starker Lärm, aber auch Wettereinflüsse, Saunabesuche, hormonelle Schwankungen, Übermüdung oder Stress können Migräneanfälle fördern, meinte einmal Google. Das ist mir aber viel zu wenig philosophisch. Ich brauche, um emotional zufrieden aus diesem Schmerz aufzuerstehen, etwas Beruhigenderes. Was genau bringt es meinem Körper, sich dermaßen zu quälen?

Mit dem nächs­ten Migräne-Blitzeinschlag direkt in meinen primären somatosensorischen Kortex fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Körper und Geist agieren scheinbar wie ein altes Ehepaar oft gemeinsam, aber ab und an schert einer aus und weiß sich nicht zu benehmen. Dann bekommt er von seinem Partner eines auf den Deckel. Ganz einfach. Mein Geist hat eben wieder einmal gemeint, er könne sich über die Bedürfnisse des Körpers hinwegsetzen und sich eine Zeit lang in Las Vegas vergnügen (bildlich gesprochen). Nix da, sagt der Körper, ich bin auch noch da – und zack, gab’s mit der Bratpfanne eins über (ebenso bildlich gesprochen, fühlt sich aber genauso an).

Gut, denke ich mir, dann mache ich jetzt einen auf Beziehungsberaterin und führe die zwei zusammen. Ich entlocke meinem Geist das Zugeständnis, wieder etwas öfter mit dem Körper ruhige Minuten zu verbringen. Ich habe sie zu gemeinsamen Spaziergängen und gemütlichen Abenden bei Kerzenschein verdonnert. Die zwei werden sich schon wieder finden.

Den Rest des Tages habe ich mit Geist und Körper unter der dunklen Bettdecke verbracht. Das hat auch noch ein wenig geholfen.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.