Wie ein 3D-Plan von Gemeinden entsteht

Zwei Montafoner Gemeinden wurden im Juli 2022 durch eine neue Methode vermessen, um 3D- und 2D-Pläne zu erstellen. Nun sind alle 96 Gemeinden erschlossen.
Am Computerbildschirm ist ein kleines Dörfchen mit Häusern mit roten Spitzdächern, grünen Wiesen und Straßen zu sehen. Rainer Krammer zoomt näher an ein Häuschen heran, dreht das 3D-Bild, damit das Gebäude aus einer anderen Perspektive zu sehen ist. Er blendet mit einem Mausklick eine Simulation ein, die zeigt, wie weit vom Balkon der Blick in die Umgebung reichen würde. Der 34-Jährige ist kein Gamer und das Dargestellte an seinem Bildschirm ist kein Computerspiel. Stattdessen ist er Projektleiter und im Bereich Sales bei einer Tiroler Vermessungsfirma tätig. Das Häuschen an seinem PC-Bildschirm bildet ein reales Haus in Silbertal ab.

Entstanden ist die 3D-Darstellung durch Luftaufnahmen. Das Unternehmen AVT Vermessung hat im Juli vergangenes Jahres Barthomlomäberg und Silbertal mit dem Flugzeug als Pilotprojekt mit einer neuen Messmethode vermessen. Aus diesen Grunddaten wurde dann seither ein sogenanntes Orthofoto erstellt, das ist eine verzerrungsfreie und maßstabsgetreue Abbildung, die etwa für Simulationen, Pläne der Gemeindegestaltung oder Vermessungen verwendet werden kann. Es können beispielsweise einfach Fotos von neuen imaginären Häuschen zwischen die bestehenden Gebäude hineingesetzt werden – der besseren Vorstellung wegen bei Gestaltungsvorhaben wie einem neuen Dorfplatz etwa.

Auftraggeber des Projekts sind sowohl die Montafonerbahn und das Land Vorarlberg. Das Land will die Daten etwa als Basis für die Planung verwenden, etwa für Raumplanungen und Leitungsauskünfte, Lärmkataster und Lärmschutz oder der 3D-Visualisierung von geplanten Objekten. Auch soll damit die Erhebung von Solarpotential oder der Anteile von Gründächer durchgeführt werden. Die Daten seien „multifunktional einsetzbar.“ „Ein vollständiger und aktueller Gebäudedatenbestand und aktuelle Luftbilder und Höhenmodelle sind in Kombination mit den amtlichen Adressen ein wichtiger Geobasisdatensatz für alle Verwaltungsebenen“, begründet das Land die Notwendigkeit solcher Datenerhebungen. Ob die neue Messmethode auch in Zukunft für Aktualisierungen eingesetzt wird, steht noch nicht fest. Der Projektabschluss ist bis Ende August geplant. Dann liegt in allen Vorarlberger Gemeinden die Naturbestandsdaten vor. „Jetzt sind alle 96 Gemeinden erschlossen“, heißt es von Seiten des Land Vorarlberg.
12500 Fotos
Doch wie funktioniert die besagte Messmethode und wie entsteht so ein Plan? Sobald die Flugroute feststeht, der Flug genehmigt wurde und der Himmel wolkenlos ist, fliegt das Flugzeug vom Flughafen Münster Osnabrück los. Neben dem Piloten ist ein Operator mit an Board, der in diesem Fall 12500 Fotos mit einer großen Schrägbildkamera geschossen hat, die durch ein Loch aus der Unterseite des Flugzeuges fotografiert. Dabei hält er ständig Ausschau nach Wolken und notiert womöglich. Denn dann müsste an einem anderen Tag nochmals für ein wolkenfreies Bild geflogen werden.
Vier Stunden lang überflogen die zwei in Silbertal und Bartholomäberg eine Fläche von 34 Quadratkilometer. Mit Drohne oder Auto wäre eine derart große Fläche in dieser Zeit nicht möglich zu vermessen, erklärt Krammer. „Mit dem Flugzeug halbiert sich die Zeit, die gebraucht wird im Gegensatz zum Vermessen mit dem Auto.“

Anders als bei Linienflügen gleitet das Leichtflugzeug, eine zweimotorige Cessna, ziemlich niedrig über dem Boden durch die Luft. Gesichter sind dabei auf Bilder aber trotzdem keine zu erkennen, weil die Auflösung durch die Entfernung trotzdem zu gering dafür ist. „Du fliegst dabei deutlich niedriger als die Gipfel teilweise“, so der Pilot Ingo Spengler, der das Flugzeug über das Montafon gesteuert hat. Das ist nicht die einzige Besonderheit in seinem Job: die Fluglinie sind für ihn konkret im Vorhinein vorgegeben, von diesen Flugstreifen darf er nicht mehr als 30 Meter abweichen. Die Geschwindigkeit muss gleichmäßig sein. Herausforderungen sind bei solchen Flügen vor allem die Berge und die schmalen Talstreifen, bei denen er nicht sofort am Ende sondern erst in einem nahegelegenen Tal umgedreht werden kann. Zudem sind Kenntnisse des Auf- und Abwindes Voraussetzung für einen sicheren Flug in den Bergen.

Für den Alpenfluglehrer und Pilot Ingo Spengler ist das kein Problem, er fliegt schon seit 33 Jahren. Er sitzt sogar öfters und lieber im Cockpit als vor dem Autolenkrad – denn das sei stressfreier und es gibt es „keine rote Ampeln“ oder jemanden, der rechts überholt.“ Das Fliegen in den Bergen gefällt dem Deutschen aus der Stadt Witten in Nordrhein-Westfalen besonders – der Aussicht wegen. Für ihn war Fliegen schon seit der Kindheit ein Traum. Pilot wurde er auf Umwegen. Erst eröffnete er einen Optikerladen und machte privat den Flugschein. Mittlerweile kombiniert er beides und kann beim Vermessen mit dem Flugzeug sein Wissen über Optik und Fliegen einbringen.
Vom Foto zum Modell
Doch wie werden aus den Fotos ein Plan? Die Daten werden nach dem Flug zurück im Büro aufbereitet, der Kontrast bearbeitet und verschönert – etwa die Unterschiede der Belichtung durch verschiedene Tageszeiten bei der Aufnahme angeglichen. Die aus diversen Winkeln aufgenommenen überlappenden Fotos werden verknüpft und korrigiert, damit sie maßstabgetreu sind. Dann werden die Bilder in der photogrammetrischen Auswertung mit 3D-Brillle visualisiert und es wird manuell entlang der Gebäudekanten gezeichnet. So entsteht ein geometrischer 2D-Plan und ein 3D-Modell.
