Lokal

Vom Hausbau und vom Mangel an Fachkräften

06.07.2023 • 23:00 Uhr
Manuela Auer von der SPÖ war passend gekleidet. <span class="copyright">Hartinger</span>
Manuela Auer von der SPÖ war passend gekleidet. Hartinger

In der Aktuellen Stunde ging es um die Personalsituation in Gesundheit, Pflege, Sicherheit, Schule und Kinderbetreuung.

Weder um die Verkehrsinfrastruktur noch um den Wohnbau ging es am Donnerstag in der Aktuellen Stunde des Landtags.

Dennoch wurde intensiv über Baustellen diskutiert – Baustellen in der Pflege und Gesundheit, der Sicherheit, der Elementarpädagogik und der Bildung. Denn in all diesen Bereichen herrscht Personalmangel. Die Sozialdemokraten hatten das Thema gewählt und wollten „die unzähligen Baustellen der Landesregierung“ diskutieren, wie es in ihrer schriftlichen Begründung für die Auswahl heißt. Regierung und Opposition waren sich wie zu erwarten nicht einig.

Halb voll oder halb leer

Der Dissens war wohl vor allem auf die unterschiedlichen Perspektiven, die beide Seiten einnahmen, zurückzuführen. Während die schwarz-grünen Rednerinnen und Redner das Glas halb voll sahen, sahen es die Vertreterinnen und Vertreter von SPÖ, FPÖ und Neos halb leer. Die Sozialdemokratin Manuela Auer – dem Anlass entsprechend mit einem Bauhelm bekleidet – machte den Anfang und zählte auf, wo aus ihrer Sicht die Probleme liegen. Die Regierung handle erst, wenn es brenne, meinte die SPÖ-Abgeordnete. Und wenn dann etwas getan werde, passiere viel zu wenig: „Als würde man einen Großbrand mit einer Spritzpistole löschen wollen.“ Es brauche attraktivere Arbeitsbedingungen in den betroffenen Bereichen und mehr Ausbildungsplätze. „Handeln Sie jetzt, es ist schon viel zu spät“, meinte Auer abschließend in Richtung Landesregierung.

Der Freiheitliche Hubert Kinz. <span class="copyright">Hartinger</span>
Der Freiheitliche Hubert Kinz. Hartinger

FPÖ-Gesundheits- und Pflegesprecher Hubert Kinz unterstütze seine Oppositionskollegin: „Die Landesregierung macht zu wenig.“ Zudem dürften die Probleme nicht schöngeredet werden. Für die Beschäftigten in den betroffenen Bereichen brauche es eine bessere Bezahlung und vor allem „ein zeitgemäßes Wertschätzungssystem“. Auch der designierte Neos-Klubobmann Johannes Gasser stimmte in den Chor mit ein. Gefragt seien jedoch Vorschläge, wie die Situation verbessert werden könne. Vor allem die ÖVP habe im Bund in den vergangenen Jahrzehnten dafür gesorgt, dass es „ein Steuersystem gibt, in dem Leistung nicht zählt“, kritisierte Gasser. Dies müsse wieder geändert werden. Ebenso müsse es für Pensionierte attraktiv sein, wenn sie im Ruhestand weiter arbeiten möchten. Auch die ­Kinderbetreuung müsse weiter ausgebaut und verbessert werden, um Müttern den Wiedereinstieg in den Beruf zu ermöglichen. Nicht zuletzt brauche es auch „intelligente Zuwanderung“. Hier gelte es, diese zuzulassen und vor allem zu vereinfachen.

Konstruktiv

Gasser war es auch, der von der ÖVP-Abgeordneten Christina Metzler gelobt wurde. Sein Redebeitrag sei konstruktiv gewesen. Die anderen Redner der Opposition hätten dagegen ein Bild von einem System gezeichnet, das sich „mitten im Kollaps“ befinde. Dies sei wenig hilfreich, wenn man Menschen dazu motivieren wolle, in einem dieser Berufsfelder aktiv zu werden. Es gelte, „die Situation differenzierter zu betrachten“, denn es werde daran gearbeitet, die Herausforderungen zu bewältigen. „Die Baustelle ist am Laufen“, sagte Metzler. Zudem sei nicht das ganze Haus eine Baustelle, sondern in manchen Bereichen müsse nur ein Zimmer saniert werden.

Landtags-Splitter

Verbotener Traktor. Schlagfertig zeigte sich SPÖ-Abgeordnete Manuela Auer in der Aktuellen Stunde. Die Bemühungen der Landesregierung bei der Lösung des Personalmangels seien so „wie wenn ein Traktor auf der Autobahn unterwegs ist“. Landesrat und Landwirt Christian Gantner (ÖVP) warf dazu ein: „Das ist verboten.“ Woraufhin Auer meinte: „Ja, es ist wirklich verboten. Sie haben recht, Herr Landesrat. Es ist verboten, so langsam unterwegs zu sein.“

Frau Hartmann. Für kurze Verwirrung im Plenum sorgte Landtagspräsident Harald Sonderegger (ÖVP) am Donnerstagvormittag. Zur Berichterstattung über eine Ausschusssitzung rief er „die Frau Abgeordnete Hartmann“ auf. Eine solche gibt es jedoch im Landtag gar nicht. Gemeint war die ÖVP-Abgeordnete Andrea Schwarzmann. Sonderegger konnte seinen Fauxpas erst gar nicht glauben, entschuldigte sich dann aber bei seiner Parteikollegin. Einen „Herrn Abgeordneten Hartmann“ gab es allerdings in der vorherigen Legislaturperiode: den Dünserberger Vizebürgermeister Markus Hartmann (ÖVP).

Auf dem Rad. Eine Anfrage der Grünen zum Thema Radfahren wurde in der Landtagssitzung am Donnerstag besprochen. Dabei machte der FPÖ-Abgeordnete Daniel Allgäuer gleich zu Beginn seiner Rede reinen Tisch: „Ich besitze ein Fahrrad, und ich kann auch Fahrradfahren. Damit wäre die erste Hürde geschafft.“ Gelächter folgte.

Klubobfrau Eva Hammerer von den Grünen. <span class="copyright">Hartinger</span>
Klubobfrau Eva Hammerer von den Grünen. Hartinger

Auch Grünen-Klubobfrau Eva Hammerer griff das Bild von der Baustelle auf und versuchte es ins Positive zu drehen. Denn sie habe gerade selbst Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt. Schließlich sei ihr familieneigenes etwa 100 Jahre alte Haus gerade generalsaniert worden. Natürlich sei dies anstrengend gewesen „und zeitweise ist mir auch der Geduldsfaden gerissen“, erzählte Hammerer. Doch schlussendlich habe es sich gelohnt, denn nun sei das altehrwürdige Haus wieder fit für die Zukunft. Genau das gleiche werde derzeit in der Politik gemacht, sagte die Klubobfrau mit einem Verweis auf die Pflegereform des Bundes.

Qualifizierung

Auch Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sah im Bild der Baustelle etwas Positives. Immerhin bedeute dies, „dass hier gearbeitet wird“. Der Fachkräftemangel betreffe bei Weitem nicht nur den öffentlichen Bereich und nicht nur Vorarlberg. Bei den Bemühungen, Personal zu finden, ortete Wallner vor allem bei Jugendlichen und Quereinsteigern Potenzial. Es gehe also um Qualifizierung.

Landeshauptmann Markus Wallner. <span class="copyright">Paulitsch</span>
Landeshauptmann Markus Wallner. Paulitsch

Allerdings sei es das eine, Ausbildungsplätze zu schaffen. Das andere sei es jedoch, diese auch zu besetzen. Dies sei alles andere als einfach und die SPÖ müsse sich auch selbst an der Nase nehmen. Denn in Ausbildungsfragen komme der meiste Widerstand immer von den Sozialdemokraten und deren Gewerkschaft. Als Beispiel nannte der Landeshauptmann die Pflegelehre, welche seitens der SPÖ skeptisch gesehen wird. Auch der Idee einer 32-Stunden-Woche erteilte er eine Absage. Dies verstärke den Druck auf das Personal noch.

Die Aktivisten hatten sich aneinander festgeklebt. <span class="copyright">Hartinger</span>
Die Aktivisten hatten sich aneinander festgeklebt. Hartinger

Extinction Rebellion protestierte erneut

Auch am zweiten Tag des Landtagssitzung vor der Sommerpause haben am Donnerstag Aktivistinnen und Aktivisten von Extinction Rebellion vor dem Bregenzer Landhaus protestiert. Etwa ein dutzend Personen bildete sitzend eine Menschenkette vor dem Eingang. Zudem klebten sich die Betroffenen an den Händen aneinander fest. „Wir sind hier, um die Regierung an ihre Verantwortung zu erinnern, unser aller Überleben zu sichern“, sagte Sprecherin Marina Hagen-Canaval gegenüber der APA. Die Klimaaktivisten forderten erneut das Aus für den Feldkircher Stadttunnel.

Die Demonstration wurde schließlich von der Polizei aufgelöst. Denn bei Landtagssitzungen gilt rund um das Landhaus eine Bannmeile von 300 Metern. Es gab zwölf Festnahmen.

Auer war mit den Reden der Regierungsvertreter nicht zufrieden. Den Betroffenen helfe es nicht, Optimismus versprühen zu wollen, sondern sie bräuchten Entlastung. Auch der Vorwurf, dass es seitens der SPÖ keine Lösungsvorschläge gebe, ließ sie nicht gelten: „Sie liegen in Form von massenhaft Anträgen vor.“