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Gegen die Sprache der Ausgrenzung

19.07.2023 • 23:00 Uhr
Am Mittwoch fand die große Eröffnung der 77. Bregenzer Festspiele statt. <span class="copyright">HARTINGER</span>
Am Mittwoch fand die große Eröffnung der 77. Bregenzer Festspiele statt. HARTINGER

Bundespräsident ­Alexander Van der Bellen eröffnete die 77. Bregenzer Festspiele.

Um die Moral von „Gut und Böse“, die Gefahren des Populismus und um die „Wokeness“ auch in Bezug auf die Opern drehte sich die Eröffnung der 77. Bregenzer Festspiele. Humorvoll führte wieder Moderator und Puppenspieler Nikolaus Habjan durchs Programm, der Wunsch seiner Handpuppe, „das Politische müsse bei solchen Veranstaltungen draußenbleiben“, erfüllte sich jedoch nicht, denn auch gestern nutzte Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Anlass, Dinge anzusprechen, die sich im Land „in die falsche Richtung entwickeln“.

Zerstörung durch Sprache

Für seine Rede im Festspielhaus ist der Bundespräsident nicht ohne Zwischenfälle mit dem Zug angereist. Neben Stromausfällen und dem vermissten Kaffee spricht er weniger von Kunst und dafür mehr über zerbrochene Fensterscheiben, die metaphorisch auf die ausgrenzende Sprache seiner Politikerkollegen gerichtet ist. Ohne Namen zu nennen, deutet er auf die Gefährlichkeit von Begriffen, die im politischen Alltag „schnell gedankenlos“ verwendet werden, wie beispielsweise „die normalen“, „unsere Leute“, oder „die anderen“. Damit reagiert er auf Sager von Parteimitgliedern der ÖVP, FPÖ und SPÖ, die mit dieser Sprache zum „Zerbrechen unserer Gemeinschaft“ beitragen würden.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen kritisierte das populistische Denken und appellierte an die Politik für Lösungen zu kämpfen. <span class="copyright">HARTINGER</span>
Bundespräsident Alexander Van der Bellen kritisierte das populistische Denken und appellierte an die Politik für Lösungen zu kämpfen. HARTINGER

„Wer sind ‚unsere Leut‘? Bin ich dabei? Sind uns ‚die anderen‘ dann egal? Wer sagt, wer dazu gehört und wer nicht? Wer bestimmt, wer ‚normal‘ ist und wer nicht?“, fragte Van der Bellen. Nach seinem Verständnis seien beispielsweise auch Mozart, die Malerin Maria Lassnig oder der Nobelpreisträger für Physik Anton Zeilinger angesichts ihrer außergewöhnlichen Begabungen „nicht normal“.
Van der Bellen kritisiert das populistische Denken und appelliert an die Politik, für Lösungen zu kämpfen, die in der liberalen Demokratie zu finden sind. Zudem thematisiert er Probleme wie Klimawandel, Fachkräftemangel und Armut und hebt die positiven Aspekte der Migration hervor. „Populismus holt nicht das Beste aus den Menschen hervor, sondern das Niedrigste. Das Trennende, Ausgrenzende. Populismus richtet den Schweinwerfer darauf, was nicht funktioniert. Wir müssen auf die liberale Demokratie achten und in ihr die konstruktive Kritik und den konstruktiven Streit pflegen, sonst steuern wir auf eine Autokratie zu, in der es nur denen gut geht, die zum ‚Wir‘ gehören, und es denen schlechtgeht, die zu ‚den anderen‘ gehören“, sagte der Bundespräsident.

Zuversicht in Krisen

Anders als im Vorjahr war gestern auch die Regierungsspitze mit Vizekanzler Werner Kogler und Bundeskanzler Karl Nehammer wieder bei den Eröffnungsfeierlichkeiten im Festspielhaus anwesend. Kogler sprach in seiner Rede von „Zuversicht“ und „Mut“ trotz der „gegenwärtigen Situation“, die von mehreren Krisen geprägt ist, und erinnert mit dem Pressebericht über die erste „Bregenzer Festwoche“ von 1946 an die Anfänge der Festspiele, nur ein Jahr nachdem in der „dunkelsten Zeit der Menschheitsgeschichte“ Millionen Menschen im Krieg ermordet, verfolgt und vertrieben wurden. Im Fokus auf die gro­ßen auch ökologischen Probleme unserer Zeit und den Ängsten vor einer ungewissen Zukunft fordert er „Verantwortungsträger“ auf, mehr „Mut“ für Entscheidungen aufzubringen.

Bei der Eröffnung begeisterten diverse Musik-Acts die Gäste. <span class="copyright">HARTINGER</span>
Bei der Eröffnung begeisterten diverse Musik-Acts die Gäste. HARTINGER

Der Kulturminister propagiert „Stärke durch Zusammenhalt statt Schwäche durch Spaltung“, das gelte besonders für die Verteidigung der Errungenschaften Europas und der liberalen Demokratien auf dem Kontinent. „Die europäische Einigung ist eine zivilisatorische Höchstleis­tung“, und doch sei alles, was Europa und Österreich groß gemacht habe, nicht mehr selbstverständlich.

Zwischen den Reden gaben die Musiker und Künstler Einblicke in das heurige Festspielprogramm zum Besten – unter anderem wurden Auszüge aus den Opern „Werther“ und „Ernani“ dargeboten, und beim „Blumenduett“ aus dem zweiten Akt von Giacomo Puccinis „Butterfly“ regnete es Papierschnipsel ins Publikum.
Außerdem beeindruckte Niko­laus Habjan mit seinem Handpuppen-Ehepaar Grete und Robert Windberg bei einer Rezitation von Bertold Brechts „Die Judith von Shimoda“.

Kunst darf herausfordern

Festspielpräsident Hans-Peter Metzler verweist mit Sinnsprüchen an die Träume im Leben, deren Rahmenbedingungen „heute“ geschaffen werden müssen, um „morgen“ ein lebenswertes Umfeld vorzufinden. Nach dem Lob für den „internationalen Ruf“ thematisiert er auch die heuer „gesellschaftspolitischen Stoffe in den Inszenierungen und spricht über das Potenzial von „Störfaktoren in der Kunst“. „Kunst muss nicht, darf aber sehr wohl aufrütteln, sie darf uns berühren und muss uns mitunter auch bedrängen, sie darf uns umschmeicheln und auch herausfordern!“

Moderator Nikolaus Habjan mit seinen Handpuppen. <span class="copyright">Philipp Steurer</span>
Moderator Nikolaus Habjan mit seinen Handpuppen. Philipp Steurer

Den künstlerischen Auftakt bildete die Premiere der Haus­oper „Ernani“ von Giuseppe Verdis. Heute steht die Wiederaufnahme von „Madame Butterfly“ als Spiel auf dem See auf dem Programm. Mit den Opernwerken „The Faggots and Their Friends Between Revolutions“ sowie „Die Judith von Shimoda“ stehen auch eine österreichische Erstaufführung und eine Uraufführung auf dem Programm. Aufgrund einer Erkrankung des Hauptdarstellers Ulrich Matthes, musste das für Freitag (Premiere) geplante Gastspiel „Der zerbrochene Krug“ abgesagt werden.

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