„Es ist der schönste Beruf, den es gibt“

Privat
Hanno Dönz ist Obmann des Vorarlberger Bergführerverbands. Er spricht über die aktuelle Situation und die Herausforderungen seiner Branche.
Herr Dönz, warum sind Sie Bergführer geworden?
Hanno Dönz: Es ist bei uns fast ein bisschen Familientradition, schon vom Urururgroßvater her. Auf der anderen Seite war ich schon immer gern am Bergsteigen, schon als Jugendlicher. Ich habe dann während meines Studiums die Bergführerausbildung nebenbei ohne irgendwelche Absichten gemacht. Anschließend war ich Lehrer und nur im Nebenjob Bergführer. Vor über 20 Jahren habe ich mich dann entschlossen, das Ganze hauptberuflich zu machen und den Lehrerberuf an den Nagel zu hängen.
Sie klagen derzeit, so wie Berufskollegen in anderen Bundesländern, über mangelnden Nachwuchs. Warum wollen die Jungen nicht mehr?
Dönz: Dass wenig Junge nachkommen, ist nicht neu. Aber derzeit sind sehr viele Bergführer schon älter, und daher bräuchte es junge. Auf der anderen Seite steigt derzeit auch die Nachfrage wieder, weil Bergsteigen mehr in Mode ist. Warum Junge nicht wollen, kann man nicht einmal sagen. Die Ausbildung ist schwierig, und dann muss man sich im Klaren sein, ob man den Job wirklich machen will. Es ist der schönste Beruf, den es gibt. Wir haben das tollste Büro, das es gibt, nämlich die Berge der Welt, den schönsten Arbeitsplatz, aber es ist gleichzeitig auch ein Arbeitsplatz, der seine Schattenseiten hat.

Die wären?
Dönz: Man ist als selbstständiger Bergführer eigentlich immer ohne Netz und ohne doppelten Boden unterwegs. Krankheit, Verletzung, schlechtes Wetter heißt, es gibt einfach nichts. Das ist ein Risiko, das man sich, grad mit Familie, auch trauen muss einzugehen. Unter denen, die es machen, kenne ich aber nicht viele, die es jemals bereut haben. Und dann gibt es noch etwas.
Was?
Dönz: Was für viele von uns demotivierend ist, ist der Umstand, dass es auch in Vorarlberg nicht wenige gibt, die nicht Bergführer sind, sich aber als solche betätigen. Die nehmen Leute mit auf die Berge, obwohl sie weder Ausbildung noch Konzession und natürlich auch keine Versicherung haben. Das ist geschäfts- und imageschädigend. Da fragen sich Junge natürlich, wieso sie sich die ganze Ausbildung antun sollen, wenn andere einfach so auch führen.
Das ist aber illegal, oder?
Dönz: Klar ist es ungesetzlich, aber die Polizei steht selten irgendwo am Gletscher zum Kontrollieren. Das Problem ist, wenn was passiert, dann ist derjenige nicht versichert. Eigentlich müsste man jedem, der einen Bergführer engagiert, raten, den Ausweis zu kontrollieren. Das ist vielen nicht bewusst.
Wie viele ausgebildete Bergführer gibt es in Vorarlberg?
Dönz: Ziemlich genau 100, von denen aber ziemlich genau die Hälfte 55 Jahre oder älter ist. Die ältesten sind schon 80, aber immer noch teilweise „in Betrieb“, zumindest zwischendurch.

Sie haben vorher von gestiegener Nachfrage gesprochen?
Dönz: Ja, Bergsteigen ist wieder in. Das sieht man auch an den Hüttenbelegungszahlen und Posts auf Instagram. Eine Zeitlang hat es einen etwas verstaubten Charakter gehabt, und jetzt ist es wieder absolut in.
Haben sich die Kunden geändert, etwa in Hinblick auf bergsteigerisches Können oder Ansprüche?
Dönz: Eigentlich nicht. Was sich ändert, aber das ist vor allem im Tourismus überall so: Die Engagements erfolgen kurzfristiger und kürzer. Aber es gibt immer noch Stammkunden, mit denen man um die halbe Welt reist, um Touren zu machen.
Wer sind Ihre Gäste?
Dönz: Quer durch. Ich bin letzte Woche mit zwei 21-Jährigen auf ein paar Hochtouren auf Viertausendern unterwegs gewesen. Dann habe ich wieder solche, die schon relativ alt sind und mit denen ich schon seit über 20 Jahren unterwegs bin.
Zur Person
Hanno Dönz
Geboren 1966 in Bludenz, aufgewachsen in Schruns. Staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, Hauptschullehrer Mathematik, Physik, Chemie, Informatik. Seit 1996 Obmann des Vorarlberger Bergführerverbandes, seit 2007 Vizepräsident des Verbands der Österreichischen Berg- und Skiführer. Von 2012 bis 2016 Präsident der Internationalen Vereinigung der Bergführerverbände.
Hat sich Ihr Job geändert?
Dönz: Was sich geändert hat, sind die bürokratischen Hürden. Früher ist man einfach überall hingefahren und hat gearbeitet. Mittlerweile muss man sich in jedem Land immer wieder anmelden, wenn man dort arbeiten will, sei das Frankreich, Schweiz, Italien usw. Die Bürokratie fordert ihren Tribut. Und was sich noch ändert, und das merken wir immer mehr, sind die Klimafolgen.
Wie äußert sich das?
Dönz: Die Gletscher gehen massiv zurück, Steinschlag, Felssturz sind immer mehr ein Thema und Touren, die vor wenigen Jahren noch relativ einfach waren, sind mittlerweile schwierige und teilweise gefährliche Unternehmungen.
In Vorarlberg ist diesbezüglich ja der Piz Buin ein Thema.
Dönz: Ja, der war in den Medien. Aber man hat die Gefahr in der Silvretta beim Fluchthorn in Galtür Anfang Juni eh gesehen, als einfach der halbe Berg abgestürzt ist, was kein Mensch jemals erwartet hat. Solche Sachen können auch in der Vorarlberger Silvretta und in anderen Gebieten, in denen Berge mehr als 2500 Meter hoch sind, passieren, und es wird in den nächsten Jahren gehäuft vorkommen.
Wie reagiert man als Bergführer darauf?
Dönz: Gewisse Sachen geht man nicht mehr, weil es nicht zu verantworten oder zu schwierig geworden ist. Aber andere Sachen, die vielleicht riskant sind, weiß man nicht. Beim Fluchthorn ist der Wanderweg darunter auf drei Kilometern Länge verschüttet worden. Wenn das einen Monat später passiert wäre, hätte es nicht nur Bergsteiger, sondern auch Wanderer und Mountainbiker erwischen können. Da braucht es auch Glück.

Wo wird in Vorarlberg häufig mit einem Bergführer gegangen?
Dönz: Überall, wo es ein bisschen schwieriger wird. Piz Buin, Zimba, aber das geht bis zum Widderstein oder irgendwelchen Touren am Hohen Ifen oder am Arlberg.
Gab es bei Ihnen auch Anfragen, die Sie abgelehnt haben?
Dönz: Ja, einerseits solche, bei denen ich mich selber nicht darüber hinaus sehe. Da rufe ich einen Kollegen an. Wenn mich jemand wegen einer wirklich schwierigen Klettertour fragt, organisiere ich etwa Beat Kammerlander. Was ich auch schon abgelehnt habe, war eine Führung aufs Fluchthorn, weil die Steinschlaggefährdung zu groß war. Und im Winter gehe ich sicher nicht bei Lawinenwarnstufe 4 am Arlberg freeriden. Man möchte ja selber wieder zurückkommen.
Sind Sie schon mal in gefährliche Situationen gekommen?
Dönz: Wirklich gefährlich nicht, zumindest nicht so, dass die Gefahr erkennbar war.

Sie haben von 80-Jährigen gesprochen – wann geht man als Bergführer in Pension?
Dönz: Prinzipiell gelten dieselben Regeln wie für jeden anderen, mit 65. Aber wie für jeden anderen besteht die Möglichkeit, während der Pension weiterzuarbeiten. Ein Bergführer kann seine Konzession zurücklegen und ist dann ein sogenannter Alt-Bergführer. So lange die Konzession aufrecht ist, gelten allerdings gewisse Pflichten: Fortbildung, Versicherung usw.
Abschließend: Was kostet ein Bergführer?
Dönz: Ganz unterschiedlich, je nachdem, was man macht. Aber es gibt Richtsätze. Denen zufolge beträgt der Tagessatz derzeit inklusive Mehrwertsteuer 540 Euro.