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„Uneingeschränkten Schutz überdenken“

29.07.2023 • 10:00 Uhr
Klaus Zimmermann mit dem Inatura-Bären.                   <span class="copyright">Dietmar Stiplovsek</span>
Klaus Zimmermann mit dem Inatura-Bären. Dietmar Stiplovsek

Der Biologe Klaus Zimmermann, Fachberater in der Inatura in Dornbirn, spricht über Wölfe und Bären.

Was fällt Ihnen beim Wort Wolf als erstes ein?
Klaus Zimmermann: Die ganzen Märchen, in denen der Wolf als Bestie dargestellt wird, also der böse Wolf.

Die Wölfe sind nach Österreich zurückgekehrt und damit auch Konflikte. Haben Wölfe und auch Bären hierzulande noch Platz?
Vom Naturraum her haben sie sehr wohl Platz, nur nutzt der Mensch halt auch einen Teil dieser Räume und das Miteinander funktioniert nicht immer. Es ist sicher nicht übermäßig Platz, aber die Tiere finden Lebensbedingungen, die für sie akzeptabel sind.

Die zwei Wölfe im Wildpark Feldkirch betrifft die Diskussion nicht. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Die zwei Wölfe im Wildpark Feldkirch betrifft die Diskussion nicht. Stiplovsek

Bei den Diskussionen um die Großraubtiere scheinen sich seit Jahren zwei unversöhnliche Positionen gegenüber zu stehen. Stimmt der Eindruck?
Ja, ganz klar. Wenn man ganz überspitzt formuliert, sind es die Schreibtischtäter aus der Stadt, die sich für Wiederansiedelung im großen Stil stark machen und die Leute vom Land, die selber Tiere haben und genauso strikt dagegen sind. Das sind zwei extreme Standpunkte, die relativ schwierig zu vereinen sind.

Wieso rückt da keiner auch nur ansatzweise von seinem Standpunkt ab?
Die Leute sehen einerseits ihre Ideen und Ziele gefährdet. Da ist natürlich auch ein Naturschutzgedanke in Hinblick auf Artenvielfalt dabei. Die Frage ist, wie weit man damit gehen kann, darf oder soll. Auf der anderen Seite sind bei den Landwirten natürlich auch ökonomische Interessen da. Da geht es einfach auch darum, dass ich einen wirtschaftlichen Schaden habe, wenn irgendein Großsäuger einen Teil meiner Herde reißt, egal, ob da was abgegolten wird oder nicht. Das ist es schwer, ein Umdenken zu erreichen, aber ich würde genau darin die große Chance sehen.

Worin?
Eine allgemein gültige Lösung zu finden wird schwierig. Es wird aber eine politische Entscheidung sein. Politiker, egal ob in Österreich oder in Brüssel, haben letztlich zu entscheiden, wie stark diese großen Beutegreifer geschützt werden. Die Möglichkeiten reichen vom totalen Schutz bis zum Gegenteil davon. Sinnvoll wären allerdings Abstufungen und die sind machbar.

Zum Beispiel?
Ich kann eine Herde Schafe mit entsprechenden Konzepten in speziellen Räumen – nicht in jeder Situation – sehr wohl durch Zäune, Hunde, Hirten schützen. Es gibt dazu in verschiedenen Regionen sehr gute Konzepte, die anwendbar sind – aber nicht in jedem Fall.

Zur Person

Klaus Zimmermann

Geboren 1959 in Dornbirn. Gymnasium Dornbirn. Grundstudium Biologie an der Universität Innsbruck. Berufsbegleitendes Studium zum Doktor in Limnologie und Fischökologie an der Universität Salzburg.

Ab 1994 bei der ehemaligen Naturschau in Dornbirn tätig. Seit 2003 bei der Nachfolgeeinrichtung Inatura hauptamtlicher Fachberater. Lebt in Dornbirn.

Wann nicht?
Wenn ich wie bei uns eine sehr kleinräumig strukturierte Landschaft und Landwirtschaft habe, habe ich auch sehr viele kleine Schafzüchter mit kleinen Herden. Es ist eine Illusion zu glauben, dass ich diese kleinen Herden auf einem relativ engen Raum auf eine gemeinsame Weide sperren kann. Das funktioniert leider nicht. Das ist bei Kühen, Rindern eher machbar als bei Schafen. Die werden sich in einer geschützten Zone vielleicht sogar gegenseitig bekämpfen. Beim Herdenschutz gibt es Grenzen, aber es sollte zumindest versucht werden, die Bewirtschaftungsform etwas anzupassen.

Und beim Schutz der Raubtiere?
Dort sollte dieser uneingeschränkte Schutz überdacht werden. Dann kann man sich von beiden Seiten her einem Kompromiss annähern. Das wird auch die zukünftige Lösung sein. Aber es ist eine politische Entscheidung. Wolf und Bär wurden aufgrund einer politischen Entscheidung irgendwann ausgerottet, weil man keinen Nutzen darin gesehen hat, sie zu erhalten. Dann hat sich der politische Wille geändert und man wollte sie wieder einführen und ihnen größtmöglichen Schutz zukommen lassen. Jetzt stellt sich die Frage, wie machen wir weiter. Die Antwort muss irgendwo in der Mitte liegen. Es braucht einen Kompromiss, der für die betroffenen Landwirte genauso akzeptabel ist wie für idealistische Stadtmenschen.

In Österreich ist (begrenzt) Platz für Wölfe und Bären, sagt Klaus Zimmermann. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
In Österreich ist (begrenzt) Platz für Wölfe und Bären, sagt Klaus Zimmermann. Stiplovsek

Auf EU-Ebene sind Wölfe derzeit stark geschützt. In Österreich versuchen Bundesländer, mit rechtlich umstrittenen Verordnungen Abschüsse zu erleichtern. Wie sehen Sie das?
Ich halte das für sehr problematisch, weil man da lokale Behörden zwingt, Entscheidungen zu treffen, die nicht hundertprozentig juridisch haltbar sind. Stattdessen sollte man in der Naturschutzgesetzgebung, die europaweit oder eigentlich weltweit einheitlich ist, klar regeln, was die Ausnahmen sind, was man machen kann. EU-weit wäre eine bessere Regelung notwendig, auch um nachvollziehbare Entscheidungen zu haben.

Das heißt, sie wären dafür, den Schutz von Wolf und Bär auf EU-Ebene aufzuweichen?
Ja, der Realität anzupassen. Wenn es Schwierigkeiten gibt, muss ich Eingriffsmöglichkeiten haben. Aber derzeit ist das eher schwammig formuliert und dann kann das jeder anders interpretieren. Mir fällt dazu der Kormoran ein. Da gibt es auch solche Regelungen, die oberflächlich vielleicht nützlich erscheinen, aber auf Dauer nicht zur Verbesserung der Situation führen.

Auch Bären ziehen mittlerweile durch Österreich.  <span class="copyright">AFP/Armend NIMANI</span>
Auch Bären ziehen mittlerweile durch Österreich. AFP/Armend NIMANI

Wie gefährlich sind Bär und Wolf für den Menschen?
Zimmermann: Überhaupt nicht.

In Italien wurde ein Jogger von einem Bären getötet …
Es gibt Todesfälle durch Bären. Es gibt weit mehr Todesfälle durch Kühe und andere Stalltiere. Es gibt Todesfälle durch Haie und es gibt weit mehr Todesfälle durch herabfallende Kokosnüsse. Kokosnüsse sind unspektakulär. Die interessieren niemanden. Darum ist der Hai das Tier, das gefährlich ist. Das ist eine sehr menschliche Sichtweise.

Ganz harmlos sind die Großraubtiere aber nicht ...
Natürlich gibt es in Kontakt mit so großen Tieren Unfälle, aber da ist unser mitteleuropäisches Leben mit Autos weitaus gefährlicher als ein Wald-Spaziergang. Wir sind für Wolf und Bär im Normalfall kein Beutetier. Wenn ich allerdings an einem Bären vorbeijogge, dann könnte ich zum Beutetier werden, denn aus der Sicht des Bären flüchten nur solche vor ihm. Es ist die Bewegung, die den Reiz auslösen kann. In Gebieten Nordeuropas werden den Leuten Verhaltensregeln mitgegeben, falls sie im Wald einem Bären begegnen.

Wie verhält man sich da?
Nicht davonlaufen, auf sich aufmerksam machen, dem Tier freien Abzug gewährleisten, sich langsam entfernen, das Tier nicht aus den Augen lassen und keine überhasteten Reaktionen. Das ist natürlich einfacher gesagt als getan.

Der Biologe Klaus Zimmermann.  <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Der Biologe Klaus Zimmermann. Stiplovsek

Sie halten es also für möglich, in Österreich mit Bärenfamilien und Wolfsrudeln zu leben?
Ich gehe davon aus, dass das in begrenztem Ausmaß möglich ist. Normalerweise regelt die Natur solche Dinge selber. Aber dort, wo der Mensch eingreift, geht das dann meistens sehr einseitig hin und her. Es ist also nicht ganz leicht, hier das richtige Maß zu finden. Aber man kann versuchen, sich dem anzunähern.