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„Da hängen wir
als Frauen fest“

05.08.2023 • 10:00 Uhr
Iris Seewald ist ifs-Betriebsratsvorsitzende und ÖGB-Landesfrauenvorsitzende.<br><span class="copyright">Helene Furtner</span>
Iris Seewald ist ifs-Betriebsratsvorsitzende und ÖGB-Landesfrauenvorsitzende.
Helene Furtner

Iris Seewald, ÖGB-Landesfrauenvorsitzende, über Equal-Pension-Day, Väterkarenz und Pensionssplitting.

Der bundesweite Equal-Pension-Day, jener Tag, an dem Männer im Schnitt schon so viel Pension bekommen haben, wie Frauen bis Ende des Jahres erhalten werden, war am Freitag. In Vorarlberg war er schon am 11. Juli. Warum bekommen Vorarlbergerinnen so viel weniger Pension?
Iris Seewald: In Vorarlberg liegt die Teilzeitarbeit bei Frauen höher als im Durchschnitt der anderen Bundesländer. Wir sind mit dem 11. Juli die ersten, dicht gefolgt von Oberösterreich. Die beiden Bundesländer haben eines gemeinsam und zwar sehr viel ländlichen Raum. Das führt auch dazu, dass wir bei Schließtagen in Kinderbetreuungseinrichtungen Schlusslicht sind. Frauen können also, selbst wenn sie wollten, nicht Vollzeit erwerbstätig sein.

Viel ländlichen Raum gibt es auch in anderen Bundesländern?
Seewald: Ja, aber ich habe mich im Frühjahr mit Vertreterinnen aus anderen Bundesländern darüber unterhalten, woran die diese Häufigkeit an Teilzeitarbeit bei Frauen liegt. Ein Grund ist diese Gesellschaftsstruktur mit dem klassischen Familienbild und da ähneln sich Ober­österreich und Vorarlberg sehr. In Hinblick auf die Pension kommt aber noch etwas dazu.

Was?
Seewald: Dass die frauendominierten, qualitativ hochwertigen Berufe – Pflege, Sozialbereich, Pädagogik – nicht so honoriert werden wie die typischen männerdominierten Berufe, etwa in der Industrie bzw. in den Metallberufen.

Frauenpensionen sind deutlich niedriger als jene von Männern. <span class="copyright">Symbolbild apa/Schneider </span>
Frauenpensionen sind deutlich niedriger als jene von Männern. Symbolbild apa/Schneider

Auch bei den Gehältern ist Vorarlberg mit knapp 47 Prozent niedrigeren Löhnen bei Frauen negativer Spitzenreiter …
Seewald: Richtig. Auch da liegen wir seit Jahren an der Spitze. Wir haben unwesentlich aufgeholt, aber die Löhne von Frauen bleiben deutlich niedriger. Das hängt dann wieder mit der Frage zusammen, wie Arbeit bewertet wird. Und da hängen wir als Frauen tatsächlich fest. Zudem unterbrechen Frauen, wenn sie Mutter werden, häufig ihre berufliche Laufbahn und stecken zurück. Die Situation in Hinblick auf die Väterkarenz ist ja unterirdisch.

Acht von zehn Vätern gehen nicht in Karenz, die anderen teilweise auch eher kürzer, oder?
Seewald: Genau, die zwei Monate, die von Männern dann häufig gemacht werden, bringen nicht viel. Es gab in den 1980er-Jahren den Spruch „Ganze Männer machen halbe-halbe“. Das war im letzten Jahrtausend. Wir sind im 21. Jahrhundert und es ist bei Weitem nicht das passiert, was wir uns gewünscht haben.

Warum passiert es nicht, etwa bei der Väterkarenz?
Seewald: Das hängt vielfach damit zusammen, wer was verdient. Die jungen Väter sind meiner Erfahrung nach deutlich mehr daran interessiert, auch exklusive Zeit mit den Kindern zu verbringen, aber es scheitert bei manchen tatsächlich am Finanziellen. Sie können es sich schlichtweg nicht leisten.

Meistens bleibt die Kinderbetreuung an den Frauen hängen. <span class="copyright">Symbolbild Shutterstock</span>
Meistens bleibt die Kinderbetreuung an den Frauen hängen. Symbolbild Shutterstock

Studien zeigen auch immer wieder, dass Frauen viel mehr unentgeltliche Hausarbeit und Kinderbetreuung leisten. Das ändert sich auch nicht?
Seewald: Das ändert sich minimalst. Die Corona-Zeit hat wieder gezeigt, wie ungleich die Arbeit zwischen Frau und Mann nach wie vor verteilt ist. Männer machen Projekte – wie Werkstatt aufräumen – und die tägliche Arbeit bleibt den Frauen, auch den jungen. Und zwar nicht erst, wenn Kinder da sind, sondern schon davor.

Seit 2005 gibt es die Möglichkeit des Pensionssplittings. Dieses wird hierzulande kaum in Anspruch genommen. Ist das grundsätzlich ein brauchbares Instrument?
Seewald: Jein. Das Pensionssplitting macht Sinn, wenn das Einkommen hoch ist und nur dann. Es ist einfach nicht zu Ende gedacht. Wir halten an einem Familienbild fest, das so nicht mehr stimmt: Da gibt es den biologischen Papa, die biologische Mama und die haben zwei Kinder und leben miteinander, bis dass der Tod sie scheidet. In der Realität kommt es vielleicht zu einer Trennung, einer neuen Liebe, weiteren Kindern. Das Pensionssplitting führt nicht dazu, dass Frauen aus der Altersarmut rauskommen, sondern dazu, dass zum Teil Paare gemeinsam reinrutschen. Es wird ja nicht mehr, sondern nur geteilt.

Es ist also nicht sinnvoll?
Seewald: Es macht Sinn, dass sich junge Menschen bei der Familiengründung darüber informieren, was das für sie heißt. Da gibt es gute Informationen in der Arbeiterkammer, wo man darüber aufgeklärt wird, was es bedeutet, wenn man Eltern wird. Oder auch beim Ifs: Da gibt es ein Projekt über Finanzen für Frauen. Da kommen viele Frauen erst mit 40 plus drauf, wie viele Jahre Teilzeit sie wie viele Euros in der Pension kosten.

Das traditionelle Familienbild hat noch nicht überall ausgedient. <span class="copyright">Symbolbild Shutterstock</span>
Das traditionelle Familienbild hat noch nicht überall ausgedient. Symbolbild Shutterstock

Seit über zehn Jahren gibt es in Hinblick auf Einkommenstransparenz eine verpflichtende Gehaltsangabe bei Stelleninseraten. Hat die Frauen was gebracht?
Seewald: Nein. Wenn da „Gehalt laut Kollektivvertrag“ steht, weiß ich immer noch nicht, was ich verdiene. Es gibt auch immer wieder Inserate, wo gar nichts angeben ist. Der Nutzen ist jetzt nicht groß.

Nun sind Väterkarenz, Pensionssplitting freiwillig … bräuchte es da eine Verpflichtung?
Seewald: In diese Richtung geht die Bundesregierung mittlerweile. Es muss ein Mehr geben und eine Verpflichtung ist ein Schritt in die Richtung. So wie es nach wie vor eine Frauenquote braucht, wäre es ein Instrument, Männer, Menschen, Gesellschaften dahin zu führen, dass gerechte Aufteilung selbstverständlicher wird. Der Widerstand ist dementsprechend, je nach Couleur und politischer Gesinnung.

Nutzen Frauen selbst ihre Möglichkeiten zu wenig?
Seewald: Ja. Was mich in Beratungen immer wieder überrascht ist, dass Frauen sich zu wenig gut informieren. Da würde ich mir wünschen, dass Frauen medial bzw. öffentlich noch viel öfter gezeigt wird, was sie selber tun können, was es für die Pension heißt, Teilzeit zu arbeiten. Und Frauen sind auch wenig mutig, wenn es um Geldangelegenheiten geht, etwa um Aktien oder Sparpläne. Ich frage mich immer wieder, warum Frauen, was Geldgeschäfte anbelangt, so zögerlich sind, auch junge Frauen. Da braucht es mehr Mut, nicht mehr Risiko, zu sagen, wir können das auch. Frauen kümmern sich sicher sehr viel mehr um andere als um sich selber.

Frauen: Care-Arbeit statt Erwerbstätigkeit

Die stark verbreitete Teilzeitarbeit ist auch für Dominic Götz von der Arbeiterkammer Vorarlberg der Hauptgrund für die niedrigen Pensionen und Gehälter von Frauen in Vorarlberg. Götz ist Leiter der Abteilung Interessenspolitik, die sich mit Grundlagenforschung befasst. Die hohe Teilzeitquote habe natürlich gröbere Einschnitte beim Lebenseinkommen zur Folge, stellt der AK-Experte fest.

Über 40 Prozent der in Vorarlberg teilzeitbeschäftigten Frauen würden Kinderbetreuungs- oder Pflegepflichten als Grund dafür angeben, informiert Götz, ein Wert, der sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten kaum geändert habe. Weitere über sechs Prozent würden persönliche bzw. familiäre Gründe für die Teilzeitarbeit anführen. Damit dürfte jede zweite teilzeitbeschäftigte Frau aufgrund der sogenannten Care-Arbeit, die sie zu erledigen hat, ihre Erwerbstätigkeit nicht erhöhen können.

Dominic Götz leitet die Abteilung Interessenspolitik in der AK. <span class="copyright">Dietmar Stiplovsek</span>
Dominic Götz leitet die Abteilung Interessenspolitik in der AK. Dietmar Stiplovsek

Ein Kriterium ist laut dem AK-Experten auch die Quantität und Qualität der bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen. Götz betont, dass es dabei um „Elementarpädagogik“ gehe und nicht um bloße Aufbewahrung. Mit dem neuen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz zeigt er sich wenig zufrieden. In der Quantität habe und werde es zwar einen Anstieg gegeben. Götz befürchtet aber, dass es mit der Umsetzung zu einem Problem in der Qualität kommen könne – „denen laufen die Pädagoginnen davon“.

Arbeitszeitverkürzung

Die niedrigeren Löhne in frauendominierten Berufen führt auch der AK-Experte als einen weiteren Grund dafür an, dass Frauen häufig finanziell schlechter abgesichert sind als Männer. Und den Umstand, dass Väter kaum in Karenz gehen, beschreibt Götz einerseits als „Kulturfrage“ bzw. geht er davon aus, dass häufig ökonomische Überlegungen eine Rolle spielen. Andererseits müssten dafür auch bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, sagt er. Ein Punkt dabei wäre für ihn die von der Arbeiterkammer schon länger geforderte Arbeitszeitverkürzung.

Unverständlich ist für den AK-Mitarbeiter zudem, dass die Wirtschaft sich nicht um das vorhandene Potenzial gut ausgebildeter Frauen kümmert, sondern stattdessen Steuererleichterungen für Pensionisten fordert, wie er sagt.
Allerdings gebe es einige öffentliche Stellen, die Möglichkeiten aufzeigen würden, sagt Götz – so auch die Arbeiterkammer, wo es unter anderem eine ganze Reihe an Informationen zum Thema finanzielle Absicherung gebe.