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„Ich habe die Ausreden satt“

02.09.2023 • 22:29 Uhr
Der neue Neos-Klubobmann Johannes Gasser. <span class="copyright">Hartinger</span>
Der neue Neos-Klubobmann Johannes Gasser. Hartinger

Johannes Gasser ist seit 1. September Klubobmann der Neos im Landtag.

Wie ist das Gefühl, Klubobmann der Neos zu sein?
Johannes Gasser: Es ist eine große Ehre, aber es bringt auch eine große Verantwortung mit sich. Immerhin ist man dafür verantwortlich, dass Partei beziehungsweise Landtagsklub ein stimmiges, gutes Bild abgeben. Es ist etwas anderes, wenn man in diesem Team Führungsverantwortung hat und nicht nur Teil des Teams ist.

Ihre Vorgängerin Sabine Scheffknecht war neun Jahre lang im Landtag. Was haben Sie von ihr gelernt?
Gasser: Sabine hinterlässt große Fußstapfen, weil sie in einer Zeit bei den Neos Verantwortung übernommen hat, als alles andere als klar war, wohin es gehen wird. Wenn man sieht, dass wir in Vorarlberg als Neos die größten Erfolge feiern durften – und hoffentlich auch weiter dürfen –, dann hat Sabine schon große Führungsqualitäten bewiesen, die man nun entsprechend ersetzen muss. Ich werde versuchen, das so gut wie möglich zu tun.

Zur Person

Johannes Gasser wurde am 5. April 1991 in Bregenz geboren und lebt in Mellau. Politisch engagiert sich der Bregenzerwälder seit 2013 bei den Neos. Unter anderem war er Mitarbeiter im Neos-Parlamentsklub in Wien. Seit 6. November 2019 ist er Abgeordneter im Vorarlberger Landtag. Mit 1. September 2023 hat er das Amt des Klub­obmanns von Sabine Scheffknecht übernommen.

Wie lange haben Sie für die Entscheidung gebraucht, die Aufgabe zu übernehmen?
Gasser: Im Frühling hat Sabine mit mir darüber gesprochen, dass sie den Klubvorsitz gerne übergeben würde. Ich musste mich dann schon ein paar Wochen mit dem Gedanken anfreunden, weil es eine Herausforderung und eine Aufgabe ist, die ich jetzt mit großer Demut annehme. Sie ist aber auch mit der Freude verbunden, dass man die Zukunftsthemen, die für das Land entscheidend sind, vorantreiben kann.

Was verändert sich durch den Wechsel für Sie persönlich?
Gasser: Das ist eine gute Frage. Das weiß ich noch gar nicht so genau. Ich war als „normaler“ Landtagsabgeordneter schon relativ stark in sehr viele interne Abläufe bei uns im Klub und in der Landespartei involviert. Daher habe ich nicht das Gefühl, dass sich in dieser Hinsicht viel verändern wird. Aber man steht in der Rolle als Klubobmann natürlich mehr im Fokus.

Der Bregenzerwälder ist bereits seit 2013 bei den Neos aktiv. <span class="copyright">Hartinger</span>
Der Bregenzerwälder ist bereits seit 2013 bei den Neos aktiv. Hartinger

Welche Veränderungen wird es im Klub geben?
Gasser: Sabine legt – wie bekannt – auch ihr Landtagsmandat nieder und dementsprechend rückt Fabienne Lackner nach. Darauf freue ich mich schon, weil sie als Stimme der Jungen einen wichtigen Beitrag im Landtag leisten kann. Wir werden aber auch die Themen neu aufteilen. Ich werde mit großer Freude die Bereiche Bildung und Integration übernehmen. Die Bildung bleibt damit weiterhin Chefsache. Gerade aus meiner Erfahrung als Politiker mit dem Fokus auf sozial- und gesellschaftspolitische Themen heraus glaube ich, dass der Bildungsbereich entscheidend ist, wenn es um soziale Gerechtigkeit und um Aufstiegs- und Zukunftschancen in unserem Land geht. Fabienne wird als Stimme der Jungen natürlich Jugendsprecherin, aber übernimmt auch den Wohnbereich, weil das ein Zukunftsbereich für die Chancen junger Menschen, sich etwas aufzubauen, ist.

Was sind aus Ihrer Sicht die großen Themen im Bildungsbereich?
Gasser: Das aktuell beherrschende Thema ist ganz klar der Lehrermangel. Unsere Ansicht ist, dass wir die Pädagoginnen und Pädagogen, die wir haben, für die Arbeit „freischaufeln“ müssen, für die sie ausgebildet sind – nämlich für die Bildung der Kinder. Wir Neos haben eine österreichweite Umfrage mit bundesländerspezifischen Daten gemacht, die zeigt, dass die Lehrpersonen massiv mit der Schulbürokratie zu kämpfen haben und dass dadurch ganz viel Zeit und Kreativität draufgehen. Gerade beim Thema Schulbürokratie könnten auch das Land und die Bildungsdirektion Maßnahmen setzen. Dazu gehört etwa, dass wir entsprechendes Unterstützungspersonal an den Schulen haben – nicht nur im adminis­trativen Bereich, sondern auch, wenn es um sozialpädagogische Fragestellungen geht.

Garry Thür wird Gasser als Klubkollege erhalten bleiben. <span class="copyright">Maurice Shourot</span>
Garry Thür wird Gasser als Klubkollege erhalten bleiben. Maurice Shourot

Nächstes Jahr im Herbst ist die nächste Landtagswahl. Wie viel kann aus Ihrer Sicht bis dahin noch umgesetzt werden?
Gasser: Gerade im Wohnbereich gibt es noch viel zu tun. Wir diskutieren seit zwei Jahren über konkrete Forderungen, die wir in diesem Bereich haben. Die ÖVP sagt dazu: „Ja, es wäre super, wenn man bestimmte Sachen umsetzen könnte.“ Aber dann passiert nichts. Was hindert die ÖVP daran, bessere Rahmenbedingungen für flexible Mietkauf-Modelle zu schaffen, damit junge Leute die Möglichkeit haben, zu Wohneigentum zu kommen? Genau das gleiche gilt für die Rückerstattung der Grunderwerbsteuer oder der Nebenkosten, wenn man das erste Mal eine Wohnung kauft. Ich habe die Ausreden und das Vertrösten langsam satt.

Für die Neos wird es die dritte Landtagswahl in Vorarlberg sein. Beim ersten Mal gab es zwei Mandate, nun sind es drei. Was ist das Ziel im nächsten Jahr?
Gasser: Das Ziel ist, dass wir so viele Vorarlbergerinnen und Vorarlberger davon überzeugen, dass wir Neos die richtigen Antworten haben, und natürlich wollen wir wachsen. Aber es ist nicht unbedingt entscheidend, ob es dann vier, fünf oder sechs Mandate sind, sondern, dass wir unsere Themen in Umsetzung bringen können. Die nächste Landesregierung wird bis zum Ende dieses Jahrzehnts im Amt sein. Derzeit habe ich aber nicht das Gefühl, dass Weichenstellungen über das aktuelle Jahrzehnt hinaus getroffen werden. Die Frage ist, wie Vorarlberg sich in den nächsten 20, 30 Jahren entwickeln soll. Bleiben wir ein kleines, ländliches, provinzielles Bundesland oder wagen wir die Schritte in Richtung einer ländlichen Metropole im Herzen Europas? Wenn man diese Schritte wagen will, dann braucht es aber in ganz vielen Themen- und Politikbereichen die richtigen Weichenstellungen.

Fabienne Lackner (links) wird im Landtag die Nachfolge von Sabine Scheffknecht antreten. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Fabienne Lackner (links) wird im Landtag die Nachfolge von Sabine Scheffknecht antreten. Stiplovsek

Weichen stellen funktioniert am besten in der Regierung. Es ist ein Ziel der Neos, mitzuregieren. Ohne die ÖVP wird das wohl nicht gehen. Wie ist das Verhältnis zur Volkspartei?
Gasser: Im letzten Jahr sind mit dem Wirtschaftsbund-Skandal natürlich einige Themen aufgekommen. Ich glaube nicht, dass da schon alles in dem Ausmaß aufgearbeitet und umgesetzt worden ist, wie das notwendig wäre. Wenn es um die direkte politische Zusammenarbeit geht, braucht die ÖVP einen Tempomacher. Wir liegen im Land in vielen Bereichen gar nicht so weit auseinander, nur ist unklar, wohin sich mit der ÖVP das Land überhaupt hin­entwickeln soll, weil diese Frage auch innerhalb der ÖVP nicht geklärt zu sein scheint.

Claudia Gamon ist als Landessprecherin derzeit noch nicht im Landtag vertreten. Wie werden sich die Neos nach der Wahl aufstellen? Werden Sie weiter Klubobmann bleiben?
Gasser: Claudia Gamon und ich waren schon in der Vergangenheit ein wahnsinnig gut eingespieltes Team und das wird auch in der nächsten Zeit so sein. Wer dann welche Rolle übernimmt, hängt von ganz vielen verschiedenen Faktoren ab. Jetzt sind das Spekulationen, die für mich völlig irrelevant sind. Unser Ziel ist es, bei der Landtagswahl stärker zu werden – und zwar so stark, dass unsere Zukunftsperspektiven, die wir für das Land haben, in Umsetzung kommen. Bis zum Wahltag werden wir daran arbeiten, diese Visionen aufzuzeigen und in vielen Politikbereichen Tempo zu machen. Das steht für mich im Vordergrund. Spekulationen darüber, wer nach der Wahl welche Rolle einnimmt, sind vielleicht für Politikberater interessant. Für die Bevölkerung ist es entscheidend, was man für das Land will und nicht wer in welcher Position ist.

Als "wahnsinnig gut eingespieltes Team" sieht Johannes Gasser sich und Landessprecherin Claudia Gamon. <span class="copyright">vol.at</span>
Als "wahnsinnig gut eingespieltes Team" sieht Johannes Gasser sich und Landessprecherin Claudia Gamon. vol.at

Es gibt bei den Neos eine Amtszeitbeschränkung. Mit Sabine Scheffknecht verliert man nun eine erfahrene Landtagsabgeordnete. Wie schwierig ist das?
Gasser: Natürlich hat die Amtszeitbeschränkung auch Abrisskanten, durch die Erfahrung verloren geht. Aber für uns Neos ist es wichtig, dass wir junge Talente von vornherein mit einbeziehen und sie mit Know-how „versorgen“, damit sie später auch diese Rollen übernehmen können. Als Führungsperson darf man die Menschen in der Organisation nicht als Konkurrenz sehen, sondern man muss sie als mögliche Nachfolgerinnen oder Nachfolger sehen und auch dementsprechend gut aufeinander schauen. Ich glaube, dass es innerhalb einer Organisation ein ganz anderes Gemeinschafts- und Verantwortungsgefühl auslösen kann, wenn man die Amtszeiten beschränkt.