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“Ein Anschlag auf die Rechtssicherheit in Österreich”

13.12.2023 • 22:58 Uhr
Die Empörung bei Vorarlberger Banken, wie etwa der Hypo, ist groß. <span class="copyright">Hartinger</span>
Die Empörung bei Vorarlberger Banken, wie etwa der Hypo, ist groß. Hartinger

Die angedachte rückwirkende Konvertierung von Immobilienkrediten sorgt für völliges Unverständnis bei Vorarlbergs Banken.

Der auf Bundesebene von den Grünen präsentierte Vorschlag zur möglichen Konvertierung von laufenden Immobilienkreditverträgen von variablen auf fixe Zinssätze gleicht einem Brandanschlag auf die Rechtssicherheit des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Mehr als sieben Jahre rückwirkend

Denn der Vorschlag sieht vor, dass eine Konvertierung, also eine Umstellung von Variabel- auf Fixzins für all jene Immobilienkreditverträge möglich sein soll, die nach dem 21. März 2016 in Kraft getreten sind. Mit anderen Worten: Hier will man rückwirkend in Verträge eingreifen, die zum Teil schon mehr als sieben Jahre lang laufen. Die Banken wären demnach verpflichtet, diese Umstellung den Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern einmalig bis Ende 2024 anzubieten und das auf Wunsch auch durchzuführen. Die Umstellung soll ermöglichen, dass es für Kreditnehmer finanziell so wirkt, als hätten sie von Anfang an einen fixen Zinssatz im Vertrag gehabt. Bei Nichtbeachtung sind Verwaltungsstrafen für die Banken vorgesehen.

Haller: “Fatales Signal für die Rechtssicherheit”


Die Sprecher von drei Vorarl­berger Bankengruppen finden diesbezüglich unmissverständliche Worte. Man verstehe zwar, dass nach Möglichkeiten gesucht werden muss, damit die Menschen hierzulande finanziell entlastet werden. „Aber das ist ein tiefer Eingriff in Eigentumsrechte und in zivilrechtliche Verträge, die sich mit Marktwirtschaft und Eigenverantwortung nicht vereinbaren lassen. Dieser rückwirkende Schritt wäre ein fatales Signal für die Rechtssicherheit am Wirtschaftsstandort Österreich“, so Michel Haller, Sprecher der Vorarlberger Banken und Vorstandsvorsitzender der Hypo Vorarlberg. „Wer soll hier noch investieren, wenn man sich als Unternehmen auf Verträge nicht mehr verlassen kann. Was kommt als Nächstes? die rückwirkende Änderung des Stromliefervertrages?“

Zu Lasten der Banken

Der Vorarl­berger Bankensprecher gibt zu bedenken, dass sich die Banken bei einer rückwirkenden Umstellung der Kreditverträge nicht mehr zu den damaligen Konditionen neu refinanzieren könnten. „Dafür würde dann das aktuelle und im Vergleich zu damals höhere Zinsniveau am Markt herangezogen werden.“ Das bedeute, dass dies in der Regel zu Lasten der Erträge oder der Rücklagen einer Bank gehen würde. „Wie das alles gehen soll, verstehe ich rechtlich und auch technisch nicht.“

Michel Haller ist Vorstandsvorsitzender der Hypo und Bankensprecher für Vorarlberg. <br><span class="copyright">Studio Fasching Hypo Vorarlberg</span>
Michel Haller ist Vorstandsvorsitzender der Hypo und Bankensprecher für Vorarlberg.
Studio Fasching Hypo Vorarlberg


Dazu komme, dass man gegenwärtig gerade bei noch länger laufenden Kreditverträgen gar nicht sagen könne, ob eine jetzige Umstellung auf einen Fixzinssatz am Ende des Tages tatsächlich die bessere Wahl war. „Das sieht man erst am Schluss. Möglicherweise wäre ein variabler Zinssatz dann vielleicht doch die bessere Entscheidung gewesen“, so Haller.

„Entmündigung der Kunden“

Auch Martin Jäger, der Sprecher der Vorarlberger Sparkassen, kritisiert das Vorhaben: „Wir verstehen, dass das steigende Zinsniveau einige Haushalte unter Druck setzt und fühlen uns gleichzeitig darin bestätigt, dass wir schon seit Jahren in Beratungsgesprächen explizit auf die Vorteile von Fixzinskredit und Zinsabsicherung hinweisen. Die Kunden können so selbst entscheiden, ob sie mehr auf Risiko oder auf Sicherheit setzen wollen.“

“Bärendienst bei vielleicht wieder sinkenden Zinsen”


Würde man rückwirkend in bereits bestehende privatrechtliche Verträge eingreifen, käme das einer Entmündigung der Kunden gleich. „Von der entstehenden Rechtsunsicherheit für unser Wirtschaftssystem einmal ganz abgesehen“, sagt Jäger. Auch er meint: Ob eine aktuell vorteilhafte Fixzinsvereinbarung auf 20 bis 30 Jahre Sicht die bessere Entscheidung ist, kann ohnehin erst zum Ende der Kreditlaufzeit erkannt werden. „Insofern könnte man mit diesem Vorschlag den Kreditnehmern sogar einen Bärendienst erweisen.“

Martin Jäger, der Sprecher der Vorarlberger Sparkassen <span class="copyright">Matthias Rhomberg<br>Sparkasse</span>
Martin Jäger, der Sprecher der Vorarlberger Sparkassen Matthias Rhomberg
Sparkasse

“Diskussion macht sprachlos”

Auch bei den Vorarlberger Raiffeisenbanken sieht man angesichts der vorgeschlagenen rückwirkenden Regelung eine Gefahr für die Rechtssicherheit im Lande. „Da fragt man sich dann schon, ob wir es hier noch mit Marktwirtschaft zu tun haben. Das ist das Ende jeder Eigenverantwortung“, so Michael Alge, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank Vorarlberg. Schon allein die Diskussion über mögliche rückwirkende Eingriffe in laufende Immobilienkreditverträge mache ihn sprachlos. Solche Entwicklungen mit jahrelang rückwirkenden Vorgaben seien für Bankenvorstände nicht mehr zu managen.

“Keine öffentlichen Behörden”


Banken seien keine öffentlichen Behörden und würden auch keine Steuern verwalten. „Wir sind Unternehmen, die in einem Wettbewerb untereinander stehen und unsere Erträge selbst erwirtschaften müssen“, sagt Alge. Deshalb könne er nicht verstehen, warum die Politik hier völlig beliebig Zugriffe auf das Vermögen von Banken plane. Denn bei einer rückwirkenden Umstellung von Tausenden Immobilienkreditverträgen müsste sich die Bank zu den gegenwärtigen Konditionen refinanzieren, was jedenfalls die Gewinne reduzieren und bei manchen Kreditverträgen sogar Verluste mit sich bringen werde. Dabei müssen Banken Gewinne machen, damit sie und der gesamte Finanzmarkt stabil bleiben. „Wir müssen ja auch für die Einlagen der Kunden geradestehen und deshalb hat unsere Kundschaft ein Interesse an einer Stabilität der Banken.“

Risiko oder Sicherheit

Alge verweist darauf, dass gut die Hälfte der in der jüngeren Vergangenheit abgeschlossenen Immobilienkreditverträge einen Fixzinssatz beinhalte. Die andere Hälfte der Kunden habe sich aus freien Stücken für einen variablen Zinssatz entschieden, weil dieser damals günstiger war und sie weniger bezahlen wollten. Man sei als Bank gesetzlich dazu verpflichtet, die Kundschaft umfassend und dokumentiert über Vor- und Nachteile sowie Risiken der beiden Varianten zu informieren. „Am Ende muss jeder selbst entscheiden, ob er Risiko oder Sicherheit will.“

Günther Bitschnau/wpa