Lokal

“Im Endeffekt war das eine erfolgreiche Kampagne bezüglich des Bekanntheitsgrads”

03.01.2024 • 11:35 Uhr
Heiko Richter im Gespräch mit der NEUE in der Bildungsdirektion. <span class="copyright">Hartinger</span>
Heiko Richter im Gespräch mit der NEUE in der Bildungsdirektion. Hartinger

Bildungsdirektor Heiko Richter spricht im Interview über sein erstes halbes Jahr in dieser Tätigkeit, sein Highlight, Lehrerrecruitingversuche im Burgenland und zukünftige Schulbesuche.

Sie sind seit August Bildungsdirektor. Damals sagten Sie im Interview mit der NEUE, dass dies die bisher herausforderndste, aber auch eine der wichtigsten Aufgaben im Land sei, der Sie sich stellen möchten. Wie ist Ihr erstes Fazit?
Heiko Richter: In der Tat ist es herausfordernd, es ist viel, aber spannende Arbeit. Es gibt viele breite Themen, in die ich mich immer wieder neu einarbeite. Gleichzeitig macht es das aber besonders abwechslungsreich. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht gerne zur Arbeit komme. Es gibt regelmäßig die Situation, dass ich mich ungern davon löse. Was mich motiviert, sind die Unterstützung und die positiven Rückmeldungen meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Schulleitungen im Land.

Welches Erlebnis war bisher besonders eindrucksvoll für Sie?
Richter:
Seit Beginn meiner Tätigkeit war das schönste Erlebnis der Besuch im Schulheim Mäder. Von der Schulleitung bis zum Kantinenkram, das das Essen für Kinder, die nur Brei essen dürfen, derart schön dekoriert, sodass sie Spaß haben, es zu essen, sind es Menschen, die ich aus tiefstem Herzen bewundere. Wir haben einen Weihnachtsbaum zum Schulheim gebracht und mit Kugeln geschmückt. Die Kinder und Jugendlichen haben sich gefreut. Da ist mein Herz aufgegangen. Da weiß man, warum man die Tätigkeit macht.

Was nehmen Sie für 2024 mit?
Richter:
2024 möchte ich einen Fokus auf Schulbesuche legen. Im Jänner ist der Start eingeplant. Ich will konkrete Fragen stellen, wo die Schulen stehen oder Unterstützung brauchen. Am 19.01. starte ich bei der SOB Bregenz sowie der HTL Bregenz, und es werden in regelmäßigen Abständen weitere Schulen folgen. Das wollte ich von Anfang an machen, doch es hat mir leider die Zeit gefehlt.

Die aktuelle Werbekampagne der Bildungsdirektion Vorarlberg im Burgenland hat nicht gefruchtet. Es gab keine Bewerbungen aus dem Burgenland. Hätte man das Geld besser anders investiert?
Richter:
Wir haben einen engen Austausch zwischen den Bildungsdirektionen, kennen die Zahlen und wissen, wer Bedarf hat. Das Burgenland war das einzige Bundesland, das Ende Juli alles abgedeckt hatte. Deswegen haben wir bewusst dort geworben. Das passierte in enger Absprache mit der Leitung der Bildungsdirektion. Im Endeffekt war das eine erfolgreiche Kampagne bezüglich des Bekanntheitsgrads. Das wird sich mittelfristig auswirken, da nun jeder weiß, dass es im Pflichtschulbereich diese Prämie gibt. Ob das Leute aus dem Burgenland oder aus anderen Regionen sind, ein Quereinsteiger oder Pensionist aus Wien oder Oberösterreich, ist derzeit nicht entscheidend, sondern das, was sich mittelfris­tig ergibt. Dass, wenn man im August wirbt, ein Umzug nach Vorarlberg kurzfristig wäre, das kann man nachvollziehen. In eineinhalb Jahren hat sich das erfolgreich ausgewirkt, davon bin ich überzeugt.

Welche anderen Recruitingprogramme zeigten 2023 Erfolg?
Richter:
Die Aktivitäten, die den direkten Kontakt mit Menschen, mit Schülerinnen und Schülern haben, sind erfolgreich. Es gab das Programm Students Teach Students, also das ist ein Programm, das sich an die siebten Klassen AHS und vierten Jahrgänge BHS wendet. Von den 84 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, haben 80 Prozent gesagt, sie wollen in den Schuldienst gehen. Parallel haben wir die Matura-Klassen informiert. Grundsätzlich gibt es das Welcome Center, welches ich aus universitären Bereichen kannte und in der Bildungsdirektion aufgebaut habe. Es ist eine Zentralstelle, an die sich Neulehrerinnen und Neulehrer mit Fragen wenden können. Der Service erstreckt sich bis zur Unterstützung bei der Wohnungssuche und Hinweisen zur Kinderbetreuung.

Wie viele Stellen und Stunden sind denn aktuell nicht besetzt?
Richter:
Ausgeschrieben sind 27 Stellen und 448 Stunden, das sind auch Stunden und Stellen, die erst im Februar, März, April neu besetzt werden müssen, aufgrund von Karenzierungen oder Pensionierungen. Wir schreiben immer so rasch wie möglich aus.

Was planen Sie 2024, um Lehrpersonen zu gewinnen?
Richter:
Ergänzt werden bisherige Tätigkeiten durch vermehrte Messebesuche. Im Rahmen eines Coaching-Programms beraten ehrenamtlich aktive Pensionistinnen und Pensionisten die Neu-Lehrer. Wir werden an deutschsprachige Schulen im Ausland gehen. Wir werden dort schauen, dass wir einerseits Maturant finden, die sich für ein Studium hier interessieren, und andererseits Lehrende Lust bekommen, nach Vorarlberg zu kommen.

Sie waren lange in Hochschuleinrichtungen tätig. Welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie in der Ausbildung von Lehrern?
Richter:
Dass die Pädagogische Hochschule zusätzlich zur Wissenschaftlichkeit die Schulnähe beibehält. Bezüglich der Studienstruktur ist es mir besonders wichtig, dass wir uns dem europäischen Standard und dem Vergleich in der Region anpassen.

Heiko Richter ist seit August Bildungsdirektor. <span class="copyright">Hartinger</span>
Heiko Richter ist seit August Bildungsdirektor. Hartinger


Die Wiener SPÖ hat die Abschaffung von Noten und Matura gefordert. Sehen Sie Reformbedarf?
Richter
: Eine Abschaffung der Matura und der Noten grundsätzlich würde ich nicht unterstützen. Was machen wir, wenn wir kein alternatives System haben? Noten sind relevant für den Aufstieg in Klassen und andere Schulformen, die Matura ist relevant, um zu studieren. Wir sind in einem Gesamtsys­tem, wo wir nicht einfach etwas abschaffen können. Was zu bedenken ist, ist eine alternative Leistungsbeurteilung bis in der dritten Klasse Volksschule. Noten sind wichtig für Kinder und Jugendliche, dass sie eine Richtung erkennen. Die Matura ist ein wichtiger Meilenstein. Man lernt viel dabei. Ich würde die Art der Prüfungsfragen vielleicht überdenken. Reines Abfragen von Wissen ist nicht mehr zeitgemäß.

Was wäre zeitgemäß?
Richter:
Dass man Kompetenzen abfragt. Wir sind gefordert, dass wir uns überlegen: Welche Arten von Prüfungen können wir durchführen, die Sinn machen und nicht durch KI ausgehebelt werden können? Auswendig lernen bringt nicht viel, man kann sich die Texte durch KI schreiben lassen. Da muss man eher Verständnisfragen stellen.

Bei der PISA-Studie konnte Österreich nicht glänzen. Würde die Gesamtschule das ändern?
Richter:
PISA ist eine Hilfe für die Einschätzung der Stärken und Schwächen des landesweiten Bildungssystems. Ich glaube, dass wir in Österreich und in Vorarlberg in der Corona-Zeit gute Initiativen gesetzt haben und auf dem richtigen Weg sind: Ganztagsschule, Sommerschule, Schwerpunkt Lesen, die Digitalisierungsoffensive. Die werden mittelfristig Wirkung zeigen. Man sieht bei den führenden Kandidaten der PISA-Studie, dass sie stark auf die Digitalisierung setzen. Die Gesamtschule ist ein Thema, das in Österreich keine Mehrheit hat, obwohl es bildungswissenschaftlich betrachtet Sinn macht. Es wird kontrovers und ideologisch diskutiert. Es hat hohe rechtliche Hürden für die Umsetzung. Aber das heißt nicht, dass wir das nicht auf der Tagesordnung haben. Es gibt einen Auftrag vom Land und wir erarbeiten in einer Arbeitsgruppe bis zum Ende des Schuljahres ein Modell, das Organisation, Finanzierung, Struktur beschreibt und eine faire Entscheidungsgrundlage aufbaut, so dass man darüber sprechen kann. Ob wir die Modellregion umsetzen, hängt auch am Bund.

Heiko Richter erzählt über sein erstes halbes Jahr als Bildungsdirektor und die weiteren Ziele für dieses Jahr. <span class="copyright">HArtinger</span>
Heiko Richter erzählt über sein erstes halbes Jahr als Bildungsdirektor und die weiteren Ziele für dieses Jahr. HArtinger

Aktuell werden Jugendliche vermehrt mit antisemitischen Inhalten auf Social Media konfrontiert. Wie geht die Schule damit um?
Richter:
Als Bildungsdirektion haben wir, als dieser Nahostkonflikt sich intensiviert hat, informiert. Wir haben Unterrichtsmaterialien, Fortbildungen und eine Sitzung für alle Schuldirektorinnen und -direktoren angeboten. Wir haben eine Ansprechperson hier im Haus bekannt gemacht, die als Experte beratend tätig ist. Ich glaube, Wissen ist die Lösung gegen Extremismus, dass man aufklärt und mit Menschen spricht. Das Unbekannte ist immer eine Bedrohung, Wissen und Kennenlernen sind oftmals Lösungen. Digitale Kompetenz und Sensibilisierung werden durch das Pflichtfach Digitale Grundbildung in der Sekundarstufe eins verstärkt gelehrt und aufgebaut.

Zur Person

Heiko Richter wurde in Stuttgart geboren und hat in Höchst seine Wahlheimat gefunden. Er hat Deutsch, Französisch und Theologie auf Lehramt studiert. Ab 2017 war er an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg tätig. Er leitete das Projekt „Arbeitsplatz Schule“ und ist seit 1. August Vorarlbergs Bildungsdirektor. Der 51-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Bildungsdirektorin Evelyn Marte-Stefani und der pädagogische Leiter Andreas Kappaurer haben sich in die Pension verabschiedet. Markus Juranek wird 65. Gibt es durch den Personalwechsel neue Themenschwerpunkte?
Richter:
Bis Mitte kommenden Jahres werden alle der zu Beginn der Bildungsdirektion eingesetzten obersten Führungskräfte in den wohlverdienten Ruhestand gegangen sein. Jetzt gibt es eine neue Generation, und ich war der erste davon. Als nächstes kommt die pädagogische Leitung neu dazu und die Präsidialleitung nächstes Jahr. Das ist ein normaler Vorgang. Was das inhaltlich bedeutet, besprechen wir dann im neuen Team. Was mir wichtig ist, ist, dass wir als Serviceeinrichtung stärker in Erscheinung treten, die Nähe zu Schulen und Systempartner suchen, uns öffnen und vernetzen.